Rest- und Abfallstoffe als Teil biobasierter Kreislaufwirtschaft
Produzieren, konsumieren, wegwerfen – in der Wirtschaft sind viele Wertschöpfungsketten Einbahnstraßen. Ein Ziel der Bioökonomie ist es, in sich geschlossene Kreislaufsysteme aufzubauen, in denen möglichst wenig Substanzen aus dem Kreislauf abgegeben werden. Das wird erreicht, indem natürliche Roh- und Abfallstoffe nicht nur be- und verarbeitet, sondern im Idealfall auch mehrfach genutzt und weiterverarbeitet oder vollständig recycelt werden.
In der Natur gehen biologische Ressourcen Stoffkreisläufe ein. Der Stoffwechsel der Lebewesen ist Teil des größeren Kohlenstoff- und des Stickstoffkreislaufs. Die Nutzung und die Neubildung von Ressourcen stehen im Gleichgewicht. Hierbei entstehen kein Abfall und keine Reste.
Biomasse, der zentrale Rohstoff der Bioökonomie, ist nicht nur eine nachwachsende Ressource. Sie ist im Vergleich zu anderen Rohstoffformen besonders dafür geeignet, um in Kreisläufen nachhaltig genutzt zu werden. Das schließt sowohl eine stoffliche Verwendung als auch die Kompostierung ein. Am Ende einer Nutzungskette kann Biomasse zudem energetisch verwendet werden. Biobasierte Kreisläufe sind dort möglich, wo bisher schon organische Rohstoffe Verwendung finden. Auch können biobasierte Alternativen zu konventionellen Materialien und Produktionsprozessen entwickelt werden.
Ressourceneffizienz als Nachhaltigkeitsstrategie
Ein Schlüssel zur biobasierten Kreislaufwirtschaft ist der effiziente Umgang mit Ressourcen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Aus weniger mehr erzeugen – das gilt für Produktdesign, die Produktion, den Konsum und für die Verwertung von Abfällen. Ziel ist es, Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln.
Von zentraler Bedeutung ist hierbei das Konzept der Kaskadennutzung. Es zielt darauf ab, vorhandene biobasierte Ressourcen nachhaltig und möglichst vollständig – das heißt mit allen ihren Bestandteilen – zu verwerten. Zentrales Ziel dabei ist eine Mehrfachnutzung von Biomasse. Zunächst erfolgt eine stoffliche Nutzung des in biobasierten Produkten gebundenen Kohlenstoffs. Dabei sollte die stoffliche Nutzung möglichst mehrfach erfolgen, bis am Ende einer möglichst langen stofflichen Nutzungsphase der Kohlenstoff bei der energetischen Nutzung in Form von CO2 wieder freigesetzt wird. Die kombinierte stoffliche und energetische Nutzung biogener Ressourcen wird auch als Koppelnutzung bezeichnet.
Das Beispiel Holz: Aus Cellulose wird Papier, benutztes Papier wird erneut zu Papier, danach zu Dämmmaterial für Gebäude weiterverarbeitet und wenn es hier ausgedient hat, wird es als Material zur Energiegewinnung verheizt.
Ein Beispiel für Ressourcen-Effizienz in industriellen Produktionsprozessen sind Bioraffinerien. Hier werden Kaskaden- und Koppelnutzung besonders konsequent umgesetzt. Das pflanzliche Stoffgemisch Biomasse wird mithilfe verschiedener Technologien in ein breites Spektrum aus Zwischen- und Endprodukten umgewandelt und somit möglichst vollständig verwertet (mehr zu Bioraffinerien in unseren Themendossier und Multimedia-Story).
Erklärvideo: Kreislaufwirtschaft
Potenzial von Agrar- und Industrie-Reststoffen rückt in den Blick
Immer stärker rückt der Fokus auf das bisher weitgehend ungenutzte Potenzial von Ernterückständen und Reststoffen wie Stroh, Waldrestholz oder Gülle. Hinzukommen Reststoffe, die in der industriellen Produktion und Weiterverarbeitung anfallen: Hierzu zählen klassische biologische Abfallstoffe wie Raps-Presskuchen, Algen-Restbiomasse, Gärreste, Molke oder Fruchtschalen. Aber auch Abfallströme wie CO2 oder Klärschlämme gehören zu den Reststoffen. Vielversprechende Entwicklungen in der Biotechnologie gibt es bei der direkten Nutzung von CO2 oder dem in der Industrie anfallenden Synthesegas als Kohlenstoffquelle. So können mithilfe von Mikroorganismen kohlenstoffhaltige Gase aus Stahlwerken oder Biogasanlagen genutzt werden, um daraus biobasierte Chemikalien herzustellen. Mit dieser mikrobiellen CO2-Verwertung wird es möglich, den Kohlenstoffkreislauf durch industrielle Verfahren zu schließen und klimaneutral zu gestalten.
Von Abfällen und Reststoffen – ein kleines Lexikon
Bioabfälle: gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz aus biologisch abbaubaren pflanzlichen, tierischen oder Pilzmaterialien bestehende Garten- und Parkabfälle, Nahrungs- und Küchenabfälle aus Haushalten, Kommunen, Industrie und Handel
Koppelprodukte: entstehen neben dem angestrebten Biomasse-Hauptprodukt, zum Beispiel Stroh beim Anbau von Getreide.
Reststoffe: sie entstehen neben dem Hauptprodukt in Produktionsprozessen, etwa Sägespäne bei der Herstellung von Holzprodukten.
Nebenprodukt: bei Wiederverwendung oder Vermarktung eines Reststoff- oder Koppelprodukts spricht man von Nebenprodukt.
Recycling: die Aufarbeitung von Abfällen zu Materialien oder Stoffen, die erneut für die Herstellung von Produkten genutzt werden können. Gilt für Werkstoffe und Rohstoffe. Beim Downcyling verliert das aufbereitete Produkt an Qualität.
Upcycling: Beim Upcycling wird durch kreatives Umarbeiten oder durch Aufarbeiten ein höherwertigeres Produkt im Vergleich zum Ausgangsprodukt geschaffen.
Biotechnologie für die Rückgewinnung
Mikroorganismen und Enzyme können zudem helfen, seltene Metalle oder Phosphor zurückzugewinnen. Indem sie Kunststoffe in ihre Grundbausteine zerlegen können, weisen sie den Weg in ein biotechnologisches Plastikrecycling. Geschlossene Nährstoff- und Wertstoffkreisläufe spielen zudem in innovativen Agrarsystemen wie den sogenannten Indoor-Farmen eine wesentliche Rolle. Hier werden moderne Anbautechnologien klug miteinander kombiniert und organische Abfall- und Restströme gezielt genutzt.
Seit einigen Jahren forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler intensiv an der Wertstofferzeugung aus Rest- und Abfallströmen, und so manche Prozesse konnten die Fachleute bereits so weit entwickeln, dass diese es in die industrielle Praxis geschafft haben. Dieses Themendossier stellt innovative Ansätze aus Forschung und Entwicklung vor.
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Potenzial biogener Rest- und Abfallstoffe in Deutschland
Die effiziente stoffliche und energetische Nutzung von biogenen Reststoffen, Nebenprodukten und Abfällen bietet zahlreiche Möglichkeiten, den UN-Nachhaltigkeitszielen und den Zielen der Nationalen Bioökonomiestrategie näherzukommen.
Die Vorteile der Verwendung von Rest- und Abfallstoffen liegen darin, dass diese derzeit vielfach nicht genutzt und somit zu günstigen Preisen verfügbar sind. Zudem bieten sie den Zugriff auf Biomasse, die nicht in Konkurrenz zu Nahrungs- oder Futtermitteln stehen. Nicht zuletzt ist die Nutzung von Rest- und Abfallstoffen ressourceneffizient und umweltfreundlich. Um die anfallenden Abfallstoff-Mengen abschätzen zu können, hat das Deutsche Bio-masseforschungszentrum (DBFZ) im Rahmen des nationalen Bioökonomie-Monitorings eine Sammlung zum Ressourcenangebot und zur -nutzung von biogenen Reststoffen, Nebenprodukten und Abfällen aus fünf Sektoren erarbeitet.
Hier ist stellvertretend eine Auswahl
Landwirtschaftliche Nebenprodukte: Gärreste, Zuckerrübenblätter, Pflanzenteile aus dem Gemüseanbau, Getreidestroh, Gülle oder Mist aus der Nutztierhaltung
Holz- und forstwirtschaftliche Nebenprodukte: Waldrestholz, Rinde, Altholz
Siedlungsabfälle und Klärschlamm: Biogut aus Privathaushalten, Grüngut, biologischer Anteil in Textilien, Speiseöle und -fette, Laub, Lebensmittelabfälle
Industrielle Reststoffe aus der Lebensmittelverarbeitung wie Reststoffe aus Ölmühlen, Stärkeproduktion, Brot und Backwarenherstellung, Brauereien, Kaffee und Kakaoproduktion
Sonstige Herkunft: Grünschnitt von Straßenbäumen, Bahntrassen
Im Ergebnis steht ein technisch nutzbares Rohstoffangebot in der Höhe von 85 bis140 Millionen Tonnen Trockenmasse zur Verfügung. Über 80 % dieser Menge stammen aus der Land- und Forstwirtschaft. Die verbleibenden Mengen in Höhe von 14 bis 50 Millionen Tonnen Trockenmasse können als noch mobilisierbar bezeichnet werden. Die fünf Biomassen Getreidestroh, Waldrestholz (Nadeln), Rindermist, Rindergülle und Grüngut umfassen dabei den Löwenanteil des mobilisierbaren Potenzials.
Unter webapp.dbfz.de ist eine interaktive Ressourcendatenbank verfügbar, mit der man Biomasse-Reststoffströme für verschiedene Industriesektoren und Biomasse-Typen recherchieren kann. Die Webseite ermöglicht auch eine Impact-Analyse, mit der die Relevanz einzelner oder mehrerer Reststoffe für verschiedene Anwendungen dargestellt wird.
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Reste aus Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei als Ressource
Stroh, Sägeabfälle oder Fischexkremente: In Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei fallen Unmengen biogener Rest- und Abfallstoffe an, die häufig nicht oder nur als minderwertige Stoffe verarbeitet werden. Entsprechend viele Forschungsprojekte arbeiten daran, die in diesen Reststoffen enthaltenen Wertstoffe zu isolieren oder direkt als Rohstoff für die biobasierte Produktion höherwertiger Verbindungen zu nutzen.
Stroh ist ein typisches Nebenprodukt der Getreideernte. In Deutschland fallen schätzungsweise etwa 43 Millionen Tonnen Frischmasse Stroh an, überwiegend Getreidestroh. Für die energetische und stoffliche Nutzung stehen zwischen 20 % und 30 % des anfallenden Strohs zur Verfügung, werden aber noch nicht in dem Umfang abgerufen. In der Landwirtschaft wird Stroh für die Bodenbearbeitung, als Einstreu oder als Futtermittel verwendet. Zudem wird Stroh in der Verpackungs- und Baustoffindustrie eingesetzt, potenziell ist auch der Einsatz in Biogasanlagen oder für die Wärmegewinnung möglich. Stroh kann aber auch Ausgangsstoff für Plattformchemikalien in der Chemie- und Pharmaindustrie sein oder es kann zu fortschrittlichen Kraftstoffen verarbeitet werden.
So stellt der Spezialchemie-Konzern Clariant mit dem sogenannten sunliquid-Verfahren aus Stroh Cellulose-Ethanol her. Sowohl in einer unter anderem vom Bund geförderten Demonstrationsanlage in Straubing und in einer großen kommerziellen Bioraffinerie in Rumänien wird die Lignocellulose aus dem Stroh in Zuckermoleküle zerlegt und dann von Hefen zu Ethanol vergoren. Ebenfalls auf Stroh basiert der Zellstoff, den die schwedische Firma Essity in Mannheim fertigt. Das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Unternehmen BluCon Biotech gewinnt aus Stroh Milchsäure.
Das vom BMBF geförderte Projekt NPBioPhos untersucht, wie bislang wenig genutzte Reststoffe aus der Getreideverarbeitung genutzt werden können, um Phytinsäure zu gewinnen. Diese wird als Spezialchemikalie verwendet, um Textilien zu veredeln oder industrielle Abwässer von Schwermetallen zu reinigen.
Im EU-Forschungsverbund BIOMAT sollen nanobasierte Schaum- und Verbundwerkstoffe für die Bau- und Automobilindustrie sowie Möbel entwickelt werden, die mindestens zur Hälfte aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Die Forschenden setzen dabei unter anderem auf Nanofüllstoffe aus landwirtschaftlichen Abfallstoffen wie Reisspelzen, die zudem Materialeigenschaften wie die Haltbarkeit verbessern sollen.
Vom Feld wieder zurück auf den Acker geht es beim Projekt ASHES: Darin wird Bagasse-Asche als Rohstoff verwendet, um Dünger herzustellen. Die Bagasse ist ein Nebenprodukt der EthanolHrstellung aus Zuckerrohr. Ebenfalls Düngemittel entwickelt das Projekt ABC4Soil, das dazu mit Nährstoffen aus Gülle angereicherte Biokohle verarbeitet. Die Biokohle entsteht dabei mittels thermochemischer Spaltung (Pyrolyse) von Agrarrückständen.
Das Hamburger Start-up BIO-LUTIONS und die brandenburgische Zelfo Technology GmbH verwenden Weizen-, Rapsstroh, Schilf oder Gemüsestängel als Faserquelle, um mittels eines mechanischen Verfahrens Verpackungen und Essgeschirr herzustellen. Im brandenburgischen Schwedt wird derzeit eine Produktionsstätte errichtet.
Hightech hat das Team hinter HanAkku im Visier: Die Forschenden funktionalisieren Hanfschäben, das holzartige Mark des Nutzhanfstängels, das nach der maschinellen Ablösung der Hanffaser anfällt. Die Hanfschäben werden gezielt mit chemischen Stoffen beladen und können diese absorbierten Stoffe bei der jeweiligen Anwendung kontrolliert freisetzen.
Als Rohmaterial für einen Einblasdämmstoff dienen im Projekt MaiD Maisspindeln. All diese Ansätze bieten nicht zuletzt für Betriebe in der Landwirtschaft die Chance, mit heute schon produzierten Stoffen, die bislang jedoch als Abfälle betrachtet werden, Zusatzeinkommen zu generieren.
Im Forstsektor dreht sich bei der Reststoffnutzung vieles um den Hauptbestandteil von Holz, das Lignin. Generell gelten Holzreste wegen ihres Ligningehalts als chemisch interessante Rohstoffe, unter anderem auch für Bioraffinerien. Die Anwendungen daraus reichen von ligninbasierten Carbonfasern bis zu Spezialchemikalien. Beispielsweise erforscht das vom BMBF geförderte Projekt FeruBase, wie sich Ferulasäure aus Holzabfällen gewinnen lässt. Aus Ferulasäure kann Vanillin hergestellt werden, aber auch manche antimikrobiellen Stoffe für Kosmetika basieren darauf.
Marine Reststoffe nutzen
Die Verwertung von aquatischer Rest-Biomasse ist ein Schwerpunkt im Innovationsraum „BaMS –Bioökonomie auf Marinen Standorten“. Beispielsweise wollen Forschende die anfallenden Reststoffe aus der Zucht von Muscheln und Algen – wie zu kleine Miesmuscheln und Makroalgen-Trester – nutzen, um daraus Fischfutter für Aquakultursysteme herzustellen. Ein anderes Projekt des Innovationsraums entwickelt eine integrierte Haltung von Zackenbarschen und Salzpflanzen in marinen Aquakultursystemen mit geschlossenen Stoffkreisläufen, bei der Reststoffe zu Biokohle umgewandelt werden. Ein weiteres Projekt des Innovationsraums erschließt das nährstoffbelastete Abwässer aus Fischzuchtanlagen, um damit schwimmende Pflanzenkläranlagen zu versorgen.
Um Fischzucht in Verbindung mit Insektenzucht und Pflanzenanbau geht es im Projekt Cubes Circle. Es hat das Ziel, die verschiedenen agrarischen Produktionssysteme in geschlossenen Energie- und Stoffkreisläufen so zu vernetzen, dass in miteinander kommunizierenden Produktionseinheiten Pflanzen, Insekten und Fische unter der Verwertung von Reststoffen aus den jeweiligen anderen Produktionsprozessen ko-kultiviert werden.
Auch die Modebranche entdeckt zunehmend die Nachhaltigkeit. So sorgt die Kümmersbrucker Firma Qnature mit ihrer Faser Qmilk in der Branche für Interesse. Qmilk wird aus Milchsäure von nicht verkehrsfähiger Molke gewonnen. Auch Fasern aus Ananasblättern, die ansonsten nicht genutzt würden, werden inzwischen von mehreren Modelabels verarbeitet. Neu in der Modebranche ist zudem ein biobasiertes Kunstleder. Es wird aus dem Mycel von Pilzen gewonnen, die sich von Melasse oder anderen Agrarreststoffen ernähren.
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Reste aus der Ernährungsindustrie als Ressource
Neben- und Abfallströme aus der Lebensmittelherstellung sind häufig für Menschen nicht genießbar oder zumindest nicht attraktiv genug für eine Vermarktung. Trotzdem enthalten sie meist wertvolle Inhaltsstoffe wie Proteine oder Fettsäuren. Als Futtermittel oder chemische Rohstoffe lassen diese Reststoffe sich daher wertsteigernd verwenden und Stoffkreisläufe schließen.
Insektenlarven als Verwerter
Was für Menschen nicht mehr genießbar ist, mundet Insektenlarven. So füttern die Beteiligten im Forschungsprojekt InProSol mit Lebensmittelabfällen die Schwarze Soldatenfliege, um deren Larven als Proteinquelle für Fischfutter zu verwenden. Die Fliegenlarven bauen sehr schnell Biomasse auf, die zudem eine hochwertige Proteinzusammensetzung hat. Auch im Innovationsraum NewFoodSystems verfolgt das Projekt reKultI4Food diesen Ansatz und will dazu die Prozesse so optimieren, dass sie wirtschaftlich konkurrenzfähig werden. Das Projekt Competitive Insect Products hingegen schaut nicht nur auf den Proteingehalt von Insekten, sondern auf potenzielle Anwendungen für deren Fette. So könnten aus Insektenlarven Olefine als biobasierte und biologisch abbaubare Hochleistungsschmierstoffe gewonnen werden.
Video: Fliegende Proteinquellen - auf der Insektenfarm
Sofern sie nicht zu Futtermitteln aufgewertet werden, sollen Reststoffströme der Ernährungsindustrie zu gefragten Chemikalien aufgewertet werden. Seit längerem gibt es den Ansatz, alte Speiseölreste zu Biokraftstoffen aufzuarbeiten, beispielsweise zu Kerosin. Anspruchsvoller ist das Ziel von PHABIO: Dort wollen die Beteiligten aus tierischen Abfallfetten von Schlachthöfen mithilfe von Bakterien den biologisch abbaubaren Kunststoff Polyhydroxybuttersäure herstellen – und das in einem möglichst nachhaltigen und zugleich wirtschaftlichen Prozess.
Das Zielprodukt des Forschungsprojekts BranLact war Milchsäure, der Ausgangsstoff des wichtigen biologisch abbaubaren Biokunststoffs PLA. Gemeinsam mit einem chinesischen Projektpartner verwendete das Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Agrartechnik und Bioökonomie dazu entfettete Reiskleie, einen Reststoff der Reisverarbeitung.
Um Paprikareste dreht sich dagegen das Projekt TaReCa. Eine abgeerntete Paprika-Pflanze ist bis zu drei Meter groß. Aus dieser umfangreichen Biomasse lassen sich in einer Bioraffinerie Basischemikalien wie verschiedene Zucker oder Polyphenole gewinnen. Zudem lassen sich in einem Zwischenschritt auch sekundäre Pflanzenstoffe isolieren. Konkret interessiert sich das Projekt für das Flavonoid Cynarosid und Graveobiosid A. Erstes ist für die Kosmetik-, Lebensmittel- und pharmazeutische Industrie attraktiv, letzteres ein für den Pflanzenschutz geeignetes Insektizid.
Das Projekt BioLyte, nimmt immer wichtiger werdende Energiespeicher – Batterien und Akkus – in den Blick. Die darin enthaltenen Elektrolyte sind oftmals nicht umweltfreundlich oder nachhaltig. Als bessere und biobasierte Alternativen will das Forschungsteam einerseits pflanzliche Anthrachinone und andererseits ebenfalls aus Pflanzen extrahierte Flavonoide einsetzen. Diese Verbindungen sollen aus Rest- und Abfallströmen der Nahrungs- und Futtermittelindustrie gewonnen werden.
Ein weiterer Ort, an dem Biomasse-Restströme anfallen, sind Mühlen. Das Projekt EcoWashCycle entwickelt ein Verfahren, um in einer abfallfreien Bioraffinerie aus Weizenkleie und Spelzen maßgeschneiderte Enzyme, Seifen und Biotenside als Inhaltsstoffe für ökologisch zertifizierte Wasch- und Reinigungsmittel herzustellen. Bioraffinerien stehen außerdem im Zentrum der Projekte CichOpt und ProWaste.
Plattformchemikalien aus Chicorée-Resten
In ChicOpt planen die Forschenden, im Technikumsmaßstab Plattformchemikalien wie Hydroxymethylfurfural aus Rüben und Wurzeln von Zichorie-Arten wie Chicorée und Radicchio zu gewinnen. Das Furfural dient insbesondere der Herstellung von Bio-Kunststoffen.
In ProWaste sollen in einer Bioraffinerie aus Nebenströmen der Lebensmittelindustrie unterschiedlichster Zusammensetzung Proteine und Ballaststoffe extrahiert werden, um diese als hochwertige Nährstoffe für weitere Lebens- oder Futtermittel einzusetzen. Mögliche Nebenströme können dafür Rapspresskuchen, Haferkleie oder Biertreber sein.
Und es gibt noch mehr Reststoffe der Lebensmittelindustrie, die durchaus erneut als Rohstoff für Lebensmittel geeignet sein können. Bereits am Markt ist das „Brotbier“ Knärzje. Als Grundlage für den Gärprozess verwendet das Frankfurter Start-up aussortierte Biobrotreste und spricht daher auch von einem „Zero-Waste-Bier“. Im Forschungsstadium hingegen befindet sich das Projekt CocoaFruit (mehr dazu in dieser Multimediastory-Episode). Hier streben Forschende die ganzheitliche Nutzung der Kakaofrucht an, von der heute oft nur ein Zehntel für Kakao verwertet wird. Aus der aromatischen Pulpe und der Kakaofruchtschale könnten jedoch innovative Lebensmittel und Zutaten werden: Auf der Kakaofruchtschale könnte Pilzmycel gezüchtet werden, um eine protein- und ballaststoffreiche Lebensmittelzutat zu erzeugen. Die Pulpe ließe sich nach bestimmten Verarbeitungsschritten als Rohstoff für Fruchtzubereitungen und Getränke nutzen.
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Kommunale Abfallströme
Kommunalen Abfallströmen wird in der biobasierten Kreislaufwirtschaft eine wichtige Bedeutung zukommen, weil dort große Mengen unterschiedlicher Biomasse-Restströme zusammenlaufen – vom Biomüll über Grünabfälle bis zum Abwasser. Letzteres enthält große Mengen an Nährstoffen – so viele, dass sie abgebaut werden müssen, um nicht Gewässerökosysteme zu belasten. Genau dieses Ziel verfolgen die Forschungsprojekte Hypowave und SUSKULT.
In Hypowave haben Forschende gezeigt, dass der Einsatz von recyceltem Abwasser den hohen Wasserbrauch in der landwirtschaftlichen Produktion reduzieren kann und dass aus dem vorbehandelten Abwasser gewonnene Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff für die Produktion von Salat – wohl aber auch für verschiedene Gemüsesorten und Zierpflanzen – nutzbar sind. SUSKULT – ein Verbundprojekt aus der Fördermaßnahme Agrarsysteme der Zukunft – errichtet an einer Kläranlage an der Emscher eine Demonstrationsanlage, in der mittelfristig im Tonnenmaßstab in Gewächshäusern Gemüse produziert wird. Die Kläranlage versorgt die Indoor-Farm mit Nährstoffen, Kohlendioxid, Wärme und Wasser.
Video: SUSKULT – Gemüse aus der Kläranlage
Nicht Nährstoffe, sondern Energie aus Abwässern möchten die Beteiligten im Projekt DemoBioBZ zurückgewinnen. Die Forschenden haben dazu eine Biobrennstoffzelle entwickelt, mit der auf direktem Weg elektrische Energie aus organischem Material, zum Beispiel Abwasser, gewonnen werden kann. Im Projekt Gülle-2-Laub geht es darumGülle mit zerkleinertem Laub aus kommunaler Sammlung zu einem Recycling-Dünger zu verbinden. Das hat den Effekt, dass die Gülle in dieser Form weniger Nitrat ins Grundwasser austrägt und zugleich den Boden auflockert und dessen Qualität verbessert. Eine Pilotanlage dazu ist bereits in Bau.
Biogene Ressourcen aus der Metropolregion nutzen
In Ballungsräumen bilden biogene Rest- und Abfallstoffe die zentrale Ressource für die Bioökonomie. Diese will der Innovationsraum Bioball erschließen. Dazu werden biobasierte Neben- und Restprodukte der privaten und kommunalen Wirtschaft erschlossen, um sie in den Branchen Ernährung, Chemie und Pharmazie sowie Energie als Rohstoffe zu verarbeiten. So greift das Projekt INFeed den Ansatz auf, Insektenlarven mit Lebensmittelresten zu ernähren und die Larven zu Tierfutter zu verarbeiten. GlyChem soll Verfahren entwickeln, um aus lignocellulosehaltigen Reststoffströmen der Holzindustrie und der Landwirtschaft Wertstoffe zu erzeugen. GreenToGreen untersucht, ob sich durch die Fermentation von Grünschnitt Elektrodenmaterial für die Elektrobiotechnologie erzeugen lässt. Im jüngsten Projekt des Innovationsraums wollen die Beteiligten aus Restströmen der Lebensmittelproduktion Zucker extrahieren und die dazu notwendigen Verfahren einschließlich der Aufreinigung entwickeln.
Video: Stadt der Zukunft: Rohstoff Abfall
Thematisch ebenfalls breit, aber mit der Prämisse klein statt groß und dafür flexibel – das ist der Ansatz des Projektes FLEXIBI. Darin entwickeln die Beteiligten ein Werkzeug zur Entscheidungsfindung, um effiziente und nachhaltige Verfahren in kleinen Bioraffinerien umzusetzen. Dabei sollen individuelle Lösungen ebenso für kommunale Abfallströme wie für landwirtschaftliche Reststoffe berücksichtigt werden können, die sich an der lokalen Verfügbarkeit der jeweiligen Biomasse orientieren.
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Weitere industrielle Abfallströme und Projekte
Neben seiner Bedeutung als Energiequelle spielt Erdöl bislang vor allem als Rohstoff für die Kunststoffindustrie eine Rolle. Längst nicht alle Kunststoffe lassen sich heute effizient und nachhaltig recyceln oder sind schnell biologisch abbaubar. Deshalb fallen auch hier Abfallströme an, die im Sinne einer Kreislaufwirtschaft möglichst als Rohstoffe genutzt werden sollten. Diese Herausforderung gilt im Übrigen genauso für biobasierte Kunststoffe. Denn das Ziel, alle heute genutzten fossilen Rohstoffe durch biobasierte Alternativen zu ersetzen, bedeutet auch, dass diese biogenen Ressourcen effizient genutzt werden müssen: Die Menge, die jedes Jahr nachhaltig neu gebildet werden kann, ist begrenzt.
Kunststoffe mithilfe von Enzymen zerlegen
Da Mikroorganismen vielfach unterschiedlichste Kohlenstoffquellen als Nahrung verwerten können, vermögen es einige, Kunststoffe für ihren Stoffwechsel abzubauen. In dem von der EU geförderten Verbundprojekt P4SB wollen die Forschenden das Bakterium Pseudomonas putida mit Methoden der Synthetischen Biologie so optimieren, dass es den erdölbasierten Kunststoff PET oder Polyurethan (PU) abbauen kann und zugleich die Grundbausteine für einen Biokunststoff – sogenannte Polyhydroxyalkanoate – produziert.
Auch das europäisch-chinesische Forschungsvorhaben MIX-Up hat als großes Ziel die Kunststoff-Kreislaufwirtschaft vor Augen. Dabei soll vor allem die Sortierung entfallen, die ein Recycling bislang aufwändig macht. Der richtige Enzym-Mix soll unsortierte Kunststoffe in deren Bausteine zerlegen. Diese Bausteine sollen dann in einem Bioreaktor
Mikroorganismen als Nahrung dienen, die auf diese Weise neue Wertstoffe – beispielsweise Biokunststoffe – herstellen. Dazu wollen die Projektbeteiligten nicht nur auf natürlich vorhandene Stoffwechselwege zurückgreifen, sondern gänzlich neue biologische Prozesse entwickeln.
Vom Abgas zum Rohstoff
Nicht zuletzt fällt in der Industrie das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) häufig als Abfall oder Nebenstrom an. Einige der Verfahren, die dazu erforscht werden, fallen in den Bereich der Bioökonomie, denn zahlreiche Mikroben können Kohlendioxid als Rohstoff verwenden, um höherwertige Chemikalien zu bilden.
Das BMBF unterstützt diese Bestrebungen im Rahmen mehrerer Förderinitiativen, darunter „Chemische Prozesse und stoffliche Nutzung von CO2“. Kürzlich wurde eine neue Fördermaßnahme zur biobasierten CO2-Verwertung gestartet. Auch die Kopernikus-Projekte, deren Ziel es ist, die Energiewende voranzutreiben, forschen zu diesem Thema. So geht es im Projekt P2X unter anderem darum, wie grüner Wasserstoff und CO2 in Polymerbausteine umgewandelt werden können, die die Chemieindustrie dringend benötigt, und wie mithilfe von Mikroorganismen CO2 in industriellem Maßstab in Chemikalien umgewandelt werden kann, die der Kosmetikbranche Grundstoffe für Pflegeprodukte liefern.
Video: Wenn aus Abgas Rohstoff wird
Auch die Fraunhofer-Gesellschaft betreibt institutsübergreifend anwendungsnahe Projekte rund um die Fragestellung, wie Kohlendioxid aus Industrieabgasen mithilfe mikrobieller Fermentationsverfahren verwertet werden kann. So setzt das Projekt Evobio bei Kläranlagen an, um dort Stoffkreisläufe zu schließen und neben Nährstoffen auch CO2 zurückzugewinnen und einer direkten stofflichen Nutzung zuzuführen. Das Forschungsprojekt ShaPID will CO2 und biogene Rohstoffe einsetzen, um daraus neue Polymere für die Kunststoffindustrie herzustellen. Neue und insbesondere kosteneffiziente Ansätze bilden den Fokus des Projekts CELBICON. Darin kombinieren die Forschenden die Absorption von CO2 aus der Luft mit der elektrochemischen CO2-Umsetzung zu kohlenstoffbasierten Zwischenprodukten und einer abschließenden mikrobiellen Fermentation dieser Zwischenprodukte zu höherwertigen Chemikalien.
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Politische Strategien und Initiativen der Wirtschaft
Mit biogenen Rohstoffen zu einer nachhaltigen, kreislauforientierten Wirtschaft – so lautet eine der beiden Leitlinien der Nationalen Bioökonomiestrategie der Bundesregierung. Sie zielt darauf ab, den Kohlenstoff-Kreislauf der Natur in einer künftigen biobasierten Industrie abzubilden. Es geht nicht einfach darum, fossile Ressourcen durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen. Vielmehr gilt es, durch Kaskadennutzung das in Biomasse steckende Potenzial wesentlich effektiver auszuschöpfen und die resultierenden Stoffströme ressourceneffizient und nachhaltig für unterschiedliche Industriezweige zu erschließen. Wenn Nutzungskonkurrenzen entstehen, hat die Ernährungssicherheit stets Priorität.
Auch die neue Strategie Forschung für Nachhaltigkeit (FONA) und die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie betonen die Rolle einer effizienteren Nutzung von Biomasse-Reststoffströmen. Auf europäischer Ebene verfolgen die Europäische Bioökonomiestrategie und der European Green Deal zahlreiche Ansätze hin zu einem ressourceneffizienten und kreislauforientierten Wirtschaften.
Netzwerk-Aktivitäten aus der Wirtschaft
Längst haben hierzulande auch Netzwerke aus Wissenschaft und Wirtschaft Initiativen und Netzwerke auf dem Weg in eine Kreislaufwirtschaft gegründet.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat die Initiative Circular Economy gegründet. In der Rhein-Ruhr-Region treibt ein Verein ein von innovativen Unternehmen aus der ganzen Welt geprägtes regionales Netzwerk, das Circular Valley, voran. Ein deutsch-niederländischer Interreg-Verbund hat das Netzwerk Circular Bio ins Leben gerufen. Auch die Betreiber von Bioraffinerien, in denen Ressourceneffizienz schon immer zum Kernkonzept gehört hat, setzen zunehmend auf reststofffreie Prozesse wie im Projekt Elbe-NH und auf das Prinzip der Kreislaufwirtschaft, indem sie biogene Rest- und Abfallstoffe als Rohstoffe verwenden wie bei der Anlage vom Fraunhofer CBP in Leuna oder der geplanten Anlage auf dem BioCampus im Hafen Straubing-Sand.
Dass es bei Waste-to-Product-Ansätzen nicht nur um technologische Prozesse geht, macht das Konzept der Zero-Waste-City deutlich: Reststoffe und Abfallströme müssen gesammelt, aufbereitet und vermarktet werden. Der kommunalen Wertstoffsammlung dürfte dabei wachsende Bedeutung zukommen. Über 400 europäische Kommunen haben sich inzwischen der Zero-Waste-Initiative angeschlossen, darunter auch München.