Insekten als Rohstoff und Futterquelle

Insekten als Rohstoff und Futterquelle

Innovative, wettbewerbsfähige Produkte aus Insektenmehl sind Ziel des Projekts „Competitive Insect Products“. Insekten liefern nicht nur proteinreiches Tierfutter. Ihre Fette können auch als Rohstoffe für die Industrie dienen.

Schwarze Soldatenfliegen bei der Paarung

Insekten haben als Quelle für Proteine und Fette viele Vorteile. Im Tierfutter können sie ökologisch bedenkliches Soja oder Fischmehl zum Teil ersetzen. Soja wird vielfach in Regenwaldgebieten angebaut, die zuvor gerodet wurden. Massenhafter Fischfang trägt zur Überfischung der Meere bei. Als Alternative bieten sich nahrhafte Fliegenlarven an. Sie vermehren sich enorm schnell und ernähren sich von dem, was Laien üblicherweise als Abfall bezeichnen. Die Wissenschaftler sprechen indes lieber von Reststoffen im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Zudem „verbraucht“ die Insektenzucht keine Anbauflächen. Larven-Trockenmasse bestehe zu fast 50 Prozent aus Proteinen und zu 50 Prozent aus Fetten, erklärt der Biotechnologe Harald Wedwitschka vom Deutschen Biomasseforschungszentrums (DBFZ). Im Vergleich zum herkömmlichen Tierfutter ist Insektenmehl „qualitativ ähnlich und nachhaltiger“. Derzeit gibt es einige Nischenprodukte, zum Beispiel antiallergenes Hundefutter.

Doch aktuell sind Produkte aus Insektenmehl im Großen und Ganzen noch nicht wirtschaftlich, betont Wedwitschka. Genau das möchte der Biotechnologe ändern. Am DBFZ in Leipzig schafft er die Basis für wettbewerbsfähige Insektenprodukte – insbesondere als Rohstoff für die Industrie. Wedwitschka und sein Team sind Teil des BMBF-Verbundvorhabens Competitive Insect Products (CIP). Gemeinsam mit einem Fliegenzucht-Betrieb, der Hermetia Baruth GmbH, wollen sie Insekten mit Reststoffen füttern und aus den Larven anschließend hochwertige Insektenproteine und -fette gewinnen. Denkbar sind viele Verwertungsmöglichkeiten, zum Beispiel als Kosmetika oder biologisch abbaubare Waschmittel. Neben der Nutzung von Reststoffen – etwa aus der Lebensmittelindustrie – bietet sich noch ein weiterer großer Vorteil: Erdölbasierte Produkte ließen sich durch biobasierte ersetzen.

Im Fokus steht die Wettbewerbsfähigkeit

Derzeit sehen die Forscher des CIP-Projektes besonders hochwertige Schmierstoffe als marktfähige Produkte an. „Unser Hauptansatz sind derzeit Olefine. Wir fokussieren uns auf biologisch abbaubare Hochleistungsschmierstoffe für Stoßdämpfer oder Leichtlauföle“, erläutert Projektleiter Wedwitschka. Diese kann man dort einsetzen, wo keine mineralölbasierten Stoffe aus Gründen des Gewässerschutzes verwendet werden dürfen, etwa bei Kettensägen im Forstbetrieb. Ebenso unerwünscht sind erdölbasierte Fette bei technischen Anlagen in der Lebensmittel-Herstellung. „Auch viele Fahrrad- oder Motorradfahrer möchten biobasierte und biologisch abbaubare Kettenöle“, sagt er. Statt wie heute noch vorwiegend in Meisenknödeln zu landen, können Fette aus Insekten als Basisstoffe für die Industrie dienen.

Der Forschungsverbund mit dem vollständigen Namen "Entwicklung einer kostengünstigen Wertschöpfungskette für biobasierte Olefine und Komplexnährmedien auf Basis von Insektenbiomasse für die industrielle Anwendung (CIP)“ steht unter dem Dach der Förderinitiative „Maßgeschneiderte biobasierte Inhaltsstoffe für eine wettbewerbsfähige Bioökonomie“.  Im Oktober 2017 startete das BMBF die dreijährige Förderung mit einer Fördersumme von knapp 560.000 Mio. Euro.

Biologogisch abbaubares Öl für Fahrradketten

Für wettbewerbsfähige Insektenprodukte müssen als wichtige Voraussetzung die Produktionskosten niedrig sein. Daher setzen die Wissenschaftler auf die Schwarze Soldatenfliege (Hermetia Illucens). Anders als die heimische Stubenfliege benötigt die erwachsene Soldatenfliege keinerlei Futter – ihr Leben dient nur der Erzeugung von großen Mengen an Nachwuchs. Dies hat auch den Vorteil, dass die Fliegen keine Krankheiten übertragen können, da sie sich nicht wie Stubenfliegen abwechselnd auf Exkremente und Nahrungsmittel niederlassen. Die Larven der Soldatenfliege ernähren sich dagegen von nahezu allem totem organischen Material – egal ob Pflanzenreste oder tierische Abfälle. An dieser Stelle setzte das CIP-Projekt ein: Das Team ging als ersten Schritt die „substratseitige Kostenreduktion“ an, erklärt Wedwitschka. „Wie sehr mögen Insekten etwa Agrarreststoffe, Maissilage, Biertreber oder Reststoffe aus der Biokraftstoffherstellung?“ Silage sind vergorene Reste von Pflanzen. Bislang wird meist – vergleichsweise teures – Schweinefutter zur Insektenzucht eingesetzt.

Hühnerkot und Biertreber als Futter

Neben den optimalen Wachstumsbedingungen der Larven untersuchte das Forschungsprojekt die Einkaufpreise der verschiedenen Futterquellen sowie Lagerungs- und Transportkosten. Wedwitschkas Fazit: „Vielversprechend erscheinen Hühnertrockenkot, Maissilage und Reststoffe der Bioethanol-Herstellung“. In einem anderen Teil des Projektes untersucht das CIP-Team gemeinsam mit Forschern der Pilot Pflanzenöltechnologie Magdeburg e.V. wie Produkte möglichst kostengünstig hergestellt werden können. In der Versuchsanlage zur Gewinnung und Verarbeitung von Pflanzenölen und -proteinen entwickelten sie erste Raffinationsschritte für Schmieröle.

Im Zuge der Prozessoptimierung überprüfte Wedwitschka auch, ob es sich lohnt, die Larvenzucht an Biogasanlagen zu koppeln: „Das unverdaute Material, die Häute der Larven und die Exkremente eigen sich sehr gut als Co-Substrat für Biogasanlagen“, lautet seine Schlussfolgerung. Zudem liefert eine Biogasanlage quasi frei Haus die notwendige Wärme für die Insekten. Die Reststoffe aus der Insektenzucht könnten als „weitere Optionen als Material für Bioheizwerke, Düngemittel oder als Kultursubstrate für die Pilzzucht dienen“.

In Folgeprojekten möchten sich Wedwitschka und seine Partner verstärkt Langzeittests widmen. Dabei geht es etwa um die Haltbarkeit der Schmierfette. Ebenso wichtig sind Fragen der Vermarktung oder die Nachfrage-Erforschung. Bis zu wettbewerbsfähigen Produkten im Sinne der Bioökonomie sind viele Schritte notwendig. Einen guten Teil der Wegstrecke haben die Forscher im Rahmen des CIP-Projektes aber schon zurückgelegt und so die Basis geschaffen, dass Kunden und Verbraucher in Zukunft die Vorzüge von nachhaltigen Insektenprodukten honorieren.
 
Autorin: Ulrike Roll