Bioökonomie braucht Bürgerinnen und Bürger

Bioökonomie braucht Bürgerinnen und Bürger

Worauf kommt es an bei Bürgerdialogen zur Bioökonomie? Was ist Bürgerinnen und Bürgern wichtig für eine nachhaltige Bioökonomie? Diese und andere Fragen haben Forschende im Projekt BIOCIVIS untersucht.

Bürgerdialog zur Bioökonomie
Bürgerdialog zur Bioökonomie

Auf dem Weg hin zu einer nachhaltigen Bioökonomie ist die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger enorm wichtig. Doch worauf kommt es bei Beteiligungsprozessen in der Bioökonomie an? Das und mehr haben Forschende im Projekt BIOCIVIS vom Zentrum für Interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung (ZIN) analysiert. Ihre Ergebnisse diskutierten sie Mitte Januar bei der Abschlusskonferenz „Bioökonomie braucht Bürger*innen – aber wie?“ in Münster, die das Projektteam zusammen mit der Akademie Franz Hitze Haus organisierte. Mit dabei waren Akteure aus Wissenschaft und der Praxis, aber auch Bürgerinnen und Bürger.

Handlungsempfehlungen: Wie Biodialoge erfolgreich werden

Für BIOCIVIS hatten die Forschenden im Team von Doris Fuchs und Bodo Philipp Bürgerinnen und Bürger nach dem Zufallsprinzip angeschrieben und zur Mitwirkung bei den „Biodialogen“ eingeladen. Wichtig war ihnen, dass die Gruppen heterogen zusammengesetzt waren, um die unterschiedlichen Perspektiven verschiedener sozialer Milieus und Erfahrungshintergründe einzubeziehen.

Ziel des Dialogs war, dass die Teilnehmenden sich auf Basis des vermittelten Wissens eine fundierte Meinung zu Bioökonomie und -technologie bilden und ihre eigene Position und persönliche Erfahrung in die Diskussion einbringen. So sollte die Gruppe schließlich zu Argumenten gelangen, die sich mit Bioökonomie als Vision für eine lebenswerte, nachhaltige Zukunft auseinandersetzen.


Handlungsempfehlungen aus dem BIOCIVIS Projekt im Überblick.

Handlungsempfehlungen aus dem BIOCIVIS Projekt im Überblick.

Beteiligung, Befähigung und Voraussetzungen: Darauf kommt es an

Die Forschenden haben ihre Empfehlungen für die Gestaltung von Beteiligungsprozessen in drei Kategorien unterteilt.

Beteiligung: Wichtig ist, zu verstehen, warum und mit welcher Motivation Bürgerinnen und Bürger mitmachen. Meist wollen sie selbst mitgestalten. Daher muss von Anfang an klar sein, was aus den von ihnen erarbeiteten Ergebnissen wird und wie diese im demokratisch-politischen Prozess aufgegriffen und verwertet werden.

Befähigung: Für komplexe Themen wie die Bioökonomie ist insbesondere die Information und Wissensvermittlung ein sehr wichtiger Punkt. Das ist in einer heterogen zusammengesetzten Gruppe eine besondere Herausforderung. Dialogische Formate, anschauliche Objekte oder spielerische Elemente der Wissensvermittlung erfordern eine sorgfältige Vorbereitung, sprechen aber ein breites Spektrum von Teilnehmenden an. Wichtig ist, eine Verbindung von abstraktem Wissen zu konkreten Produkten und Alltagssituationen zu schaffen.

Voraussetzungen: Interdisziplinäre Teams verbessern die Beteiligung bei den Dialogen. Bioökonomie und Nachhaltigkeitsthemen sollten aus Sicht der Forschenden grundsätzlich besser in der Bildungslandschaft verankert werden – unabhängig vom Alter.

Ihre Ergebnisse aus drei Jahren BIOCIVIS stellten die Projektmitarbeiterinnen Victoria Hasenkamp und Wiebke Walleck bei der Abschlusskonferenz vor. Anschließend diskutierten Akteure aus Industrie, Wissenschaft und Praxis darüber wie die Einbindung von Bürgerinnen und Bürger gut gelingt. Mit dabei waren Dennis Herzberg vom Cluster Industrielle Biotechnologie, Franziska Schünemann, Juniorprofessorin an der Universität Hohenheim und Dr. Tobias Lehberg, Bürgermeister der Klimakommune Saerbeck. Einig waren sich alle, dass Bildung sowie praktische, regionale Projekte, eine zentrale Rolle dabei spielen, Bioökonomie in die Gesellschaft zu tragen. Auch im Plenum wurde weiter diskutiert und eine These aufgestellt, die zum Nachdenken anregt: „Möglicherweise müssen sich die ökologischen und ökonomischen Krisen noch weiter verschärfen, um den Wandel zur Bioökonomie tatsächlich flächendeckend umzusetzen und als möglichen Lösungsansatz zu begreifen.“

Handlungsempfehlungen und Formate der Biodialoge

Das BIOCIVIS-Team hat für die Biodialoge neben den Handlungsempfehlungen auch verschiedene Materialien erstellt, so Plakate und Flyer zur Rekrutierung. Zudem Exponate und Plakate zu Themen wie Biokunststoff PLA und dem Aromastoff Vanillin, die beide biotechnologisch hergestellt werden können. Auch ein Memory-Spiel, mit dem die Teilnehmenden der Biodialoge spielerisch biobasierte Chemikalien kennenlernen konnten, und ein Comic zum Thema Biogaserzeugung in Kooperation mit den Abfallwirtschaftsbetrieben Münster sowie dem BMBF Projekt „Frag Sophie“ haben die Forschenden hergestellt.

 

Bürgerinnen und Bürger gestalten Bioökonomie

Während der Bürgerdialoge entwickelten die BIOCIVIS-Forschenden nicht nur Handlungsempfehlungen. Im intensiven Austausch stellten die Bürgerinnen und Bürger Kriterien für eine nachhaltige Bioökonomie auf. Dabei ging es um die Schaffung von politischen Rahmenbedingungen für den Einsatz von Biotechnologie, Bildungsmaßnahmen um Bioökonomie, Biotechnologie und Nachhaltigkeit tiefer in der Gesellschaft zu verankern sowie ein kritisches Hinterfragen des individuellen Konsumverhaltens. Darüber hinaus erachteten die Bürgerinnen und Bürger die Realisierung einer Kreislaufwirtschaft mit einem bedarfsgerechten Einsatz von Biotechnologie und die Betrachtung von Bioökonomie in einem globalen Kontext als sinnvoll.

Auch diese Ergebnisse diskutierten die Teilnehmenden bei der Abschlusskonferenz, beispielsweise in einem interaktiven World Café. Dabei ging es um die Themen Biogaserzeugung aus organischem Abfall, Bioplastik und biologische Abwasserreinigung. Wiederum orientierten sich die Gespräche an den Kriterien der Bürger*innen für eine nachhaltige Bioökonomie, die nun konkret in Bezug zu den biotechnologischen Verfahren gesetzt wurden. Inhaltlich kristallisierte sich vor allem die Rolle und Verantwortlichkeit jedes Einzelnen heraus, was die Umsetzung von Bioökonomie im Alltag angeht. Zudem wurde über die Verantwortung der Politik für die Bereitstellung regulatorischer Rahmenbedingungen im Hinblick auf Anreize, Ge- oder Verbote debattiert, um die Realisierung einer nachhaltigen Bioökonomie zu unterstützen.

Nach einem Tag verabschiedeten Doris Fuchs und Bodo Philipp die Teilnehmenden mit dem Appell, Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern in der Bioökonomie trotz aller Herausforderungen weiter voran zu treiben. Zum Abschluss von BIOCOVIS sind jetzt noch Policy Briefs, eine Praxisbroschüre sowie Publikationen zu den Projektergebnissen geplant.

Text: Wiebke Walleck, Victoria Hasenkamp und Sonja Jülich-Abbas