Mehr Pflanzenschutz mit Mikrogelen

Mehr Pflanzenschutz mit Mikrogelen

Mit weniger Pestiziden zu mehr Pflanzenschutz – so lautet das Ziel eines deutsch-brasilianischen Teams, das an antimikrobiellen Peptiden forscht, um Zitrusfrüchte vor bakteriellem „Krebsbefall“ zu schützen.

Mit neuartigen Wirkstoffcontainern wollen Forscher den Zitrus-Krebs in den Orangenplantagen Brasiliens bekämpfen.

Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft ist seit langem umstritten, denn sie sind Segen und Fluch zugleich. Zum einen schützen sie Pflanzen vor Schädlingen und Krankheiten, schaden zum anderen aber nachweislich der Umwelt: Böden werden vergiftet und die Artenvielfalt wird dezimiert. Tatsache ist: Infolge des Klimawandels werden Pflanzen für Schädlinge noch anfälliger, was den Einsatz von Pestiziden weiter in die Höhe treibt. Fakt ist aber auch: Pflanzenschutzmittel sind teils unerlässlich, um die Ernährung der Weltbevölkerung auch in Zukunft zu sichern. Daher sind dringend nachhaltige Lösungen für den Pflanzenschutz gefragt.

Ein deutsch-brasilianisches Forscherteam hat nun einen Weg gefunden: Unter der Leitung der RWTH Aachen entwickelten Wissenschaftler um Ulrich Schwaneberg in den vergangenen drei Jahren ein neues Düngemittelsystem, das den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft deutlich reduziert und die Umwelt schont. Im Fokus des Verbundvorhabens ProPlanta stand die Entwicklung eines intelligenten Systems zur Wirkstoffabgabe an Pflanzen. Die Arbeit der deutschen Forscher wurde im Rahmen der Fördermaßnahme „Bioökonomie International“ vom Bundesforschungsministerium seit 2017 mit rund 500.000 Euro unterstützt.

Mit weniger Pestiziden zu mehr Pflanzenschutz

Hintergrund des Projektes ist die zunehmend prekäre Situation auf den Orangenplantagen nahe São Paulo in Brasilien. Hier wütet seit geraumer Zeit Xanthomonas citri, der Erreger des Zitrus-Krebses.  Um das Bakterium zu bekämpfen, setzen Obstbauern großflächig Pestizide auf Kupferbasis ein. „Die Böden sind mittlerweile hochgradig mit Schwermetall belastet“, berichtet Projektkoordinator Ulrich Schwaneberg. Diese seit Jahren praktizierte Methode schadet nicht nur der Umwelt, sie ist auch kostspielig. Experten prognostizieren, dass künftig etwa 1 Mrd. US-Dollar über den Zeitraum von zehn Jahren nötig sein werden, um den Zitrus-Krebs im Zaum zu halten.

„Unser Ziel war es, mit weniger Pestiziden mehr Wirkung zu erreichen, die dann auch noch gut biologisch abbaubar sind und spezifisch auf den Krankheitserreger wirken“, so Schwaneberg. Dafür entwickelte das ProPlanta-Team zwei Technologieplattformen: ein System, das aus sogenannten bifunktionalen Fusionsproteinen besteht und eine antimikrobielle sowie eine blattbindende Funktionseinheit vereint. Damit die gegen Bakterien und Pilze wirkenden Moleküle auch am Blatt binden und ihre Wirkung entfalten können, wurde ein Ankerpeptid eingesetzt, das spezifisch und regenfest an die Wachsschicht von Blättern bindet.

Schatztruhe für die Pflanzengesundheit

„Die bifuntionellen Peptide belegen wie Stecknadeln die Wachsschicht mit einer dichten Molekülschicht und können bereits mit einem Gramm bifuntionellem Peptid etwa 250 m2 Oberfläche abdecken“, erklärt Schwaneberg. Diese Technologieplattform wurde in einem kürzlich im Fachjournal Science erschienenen Artikel bereits als „Schatztruhe der Möglichkeiten“ für die Pfanzengesundheit gewürdigt.

Mikrogelcontainer setzen Pestizide nach Bedarf frei

Bei dem zweiten System ging es um die Entwicklung biologisch abbaubarer Mikrogelcontainer. Diese können mit großen Mengen eines Pestizids beladen werden und auf Grund der Vernetzungsdichte den darin enthaltenen Wirkstoff  langsam und nach Bedarf freisetzen. Die Mikrogelcontainer wurden mit einem Ankerpeptid versehen, sodass diese weichen Partikel an die Blattoberfläche binden.

Ankerpeptide sorgen für bessere Wirkstoffbindung

Die Aufgabe der Arbeitsgruppe Schwaneberg war es, die sogenannten Adhäsionsvermittler für die zwei Anwendungssysteme maßzuschneidern.  Für die Forscher war die Herausforderung, ein Ankerpeptid zu finden, das so fest an die Wachsschichten der Blätter bindet, dass es im Wachs regelrecht mitschwimmt, selbst wenn das Blatt wächst, und bei Regen möglichst nicht abgewaschen wird. Das Problem haben die Forscher gelöst. „Die Anbindung erfolgt über eine dreidimensionale Struktur der Adhäsionsvermittler, die damit signifikant fest anbindet als lineare Moleküle, die derzeitig eingesetzt werden. Ferner schmiegen sich die weichen Mikrogelcontainer wie ein Spiegelei in der Pfanne an die Blattoberfläche an und bilden einen Film“, erläutert Schwaneberg.

Fotografien von Gurkenpflanzen mit Eisenmangel, die mit Fe3+-hastigen Mikrogelen behandelt wurden. Die unbehandelte Pflanze ist auf dem linken Bild (i) und die behandelte Pflanze nach 48 h auf dem rechten Bild (II) dargestellt.

Hohe Bindung auch bei Regen

Getestet wurde das System hierzulande zunächst im Gewächshaus an Gurkenpflanzen. Das Ergebnis: „Die Bindung ist acht- bis zehnmal stärker als Standardformulierungen, die wir kennen. Nach Abwaschen der ungebundenen bifunktionellen Peptide werden diese bei Regen nur geringfügig ausgewaschen“, resümiert Schwaneberg.

Größe der Mikrogelcontainer variabel

Die in den Containern verpackten antimikrobiellen Wirkstoffe wurden von Forschern der Universität in São Paulo zur Verfügung gestellt. Sie führten auch die Tests vor Ort durch. Schwanebergs Kollege Andrij Pich von der RWTH Aachen war für das Design der Mikrogelcontainer verantwortlich. Er stellte auch die biologische Abbaubarkeit sicher und machte es möglich, dass die Mikrogele auf bestimmte äußere Reize reagieren und ihre Größe verändern. Der Vorteil: Die Container quellen bei Feuchtigkeit auf und setzen dann Wirkstoffe frei, während sie sich bei Trockenheit wieder zusammenlegen. „Man kann damit Wirkstoffe gezielt freisetzen, wenn sie gebraucht werden, wie bei Feuchtigkeit, wenn Mikroorganismen sich vermehren“, so Schwaneberg.

Breites Einsatzspektrum für ProPlanta-Technologie

Die ProPlanta-Technologie ist damit ein effektives Werkzeug für die Pflanzengesundheit. Mithilfe der Mikrogelcontainer kann zudem Dünger äußerst sparsam freigesetzt werden, sodass die Umwelt weniger belastet wird. „Das ist eine Technologieplattform, mit der Sie alle möglichen Verbindungen, die im Pflanzenschutz regulatorisch unter Druck sind wie Kupferverbindungen, in den Einsatzmengen deutlich reduzieren können, sodass mit weniger mehr erreichbar wird“, resümiert Schwaneberg. Das Einsatzpotenzial ist jedoch weitaus größer. „Die Technologie wäre auch zur Beschichtung von antimikrobiellen Textilien oder zur Beschichtung von Medizinprodukten geeignet um Keime gezielt abzutöten.“

Projektpartner ProPlanta

Deutschland:
Projektkoordinator: Prof. Dr. Ulrich Schwaneberg, RWTH Aachen, Leibniz-Institut für Interaktive Materialien;
CoPI: Dr. Felix Jakob RWTH Aachen; Prof. Dr. Andrij Pich; Leibniz-Institut für Interaktive Materialien, RWTH Aachen
 
Brasilien:
Projektkoordinator: Dr. Henrique Ferreira; State University of São Paulo at São José do Rio Preto; Prof. Dr. Luis Octavio Regasini; State University of São Paulo at São José do Rio Preto

Mittlerweile haben die Forscher ihre Entwicklung in der EU zum Patent angemeldet. Sind die für Sommer in Deutschland geplanten Feldtests an drei heimischen Kulturpflanzen erfolgreich, soll ein Start-up zur kommerziellen Verwertung der Technologie gegründet werden. Kontakte zu den großen Spielern im Pflanzenschutz wurden hierzu bereits geknüpft.

Autorin: Beatrix Boldt