Bioökonomie – das ist ein großer Begriff für ein weites Feld. Für viele Laien bleibt diffus, was genau sich dahinter verbirgt, und noch mehr, wie und wohin sich die Bioökonomie entwickeln kann. Das Forschungsprojekt BioKompass („Kommunikation und Partizipation für die gesellschaftliche Transformation zur Bioökonomie“) hat daher von Oktober 2017 bis Dezember 2020 Methoden entwickelt, umgesetzt und ausgewertet, die den öffentlichen Diskurs und das Wissen über die Bioökonomie fördern.
Die biobasierte Wirtschaft der Zukunft
Wie kann eine biobasierte Wirtschaft der Zukunft konkret aussehen? Wie beeinflussen biobasierte Innovationen unseren Alltag und wie werden sie von der Bevölkerung angenommen? Wann ist Bioökonomie wirklich nachhaltig? Mit diesen Fragen beschäftigte sich das Projekt, in dem das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), das Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT), das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD), das Institut für sozial-ökologische Forschung und die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung kooperierten. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützte das Vorhaben im Rahmen der Fördermaßnahme „Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel“ mit rund 950.000 Euro.
„Oft ist den Menschen nur ein vages Konzept oder auch nur das Wort Bioökonomie bekannt“, berichtet Ariane Voglhuber-Slavinsky vom ISI über die Erfahrungen des ersten „Zukunftsdialogs“. Rund 70 Teilnehmende von der Schülerin bis zum Sachbuchautor diskutierten darin ihre Vorstellungen von der Bioökonomie und welche Aspekte ihnen für deren Zukunft wichtig sind. Das Projektteam entwickelte daraus in Expertenworkshops vier Szenarien, entlang welcher Leitgedanken sich die Wirtschaft transformieren könnte und wie die Konsequenzen im Jahr 2040 aussähen. Ein Szenario legte beispielsweise einen starken Fokus auf Technologisierung, ein anderes auf Subsistenz und Post-Wachstumsgesellschaft.
Wie werden (und wollen) wir leben?
In einem zweiten Zukunftsdialog erkundeten die Teilnehmenden die Szenarien in einem Storytelling-Prozess. Für unterschiedliche Personen – vom Landwirt über die Lehrerin bis zum Städter – spielten sie Fragen durch wie: Wie kommt die Person zur Arbeit? Welche Technologien nutzt sie im Alltag? Welche Produkte konsumiert die Person? Die daraus entstandenen Kurzgeschichten gibt es auf der Projektwebsite zum Herunterladen.
Auch in den weiteren Maßnahmen des Projekts kamen die Szenarien zum Einsatz. Drei davon sind beispielsweise noch immer im Senckenberg-Museum ausgestellt. „Die Resonanz dort ist sehr unterschiedlich, weil das Format ,Szenarien’ für ein Museum ungewöhnlich ist und ohne Begleitung von den Besucher*innen auf unterschiedliche Weise aufgenommen wird“, schildert Voglhuber-Slavinsky eine wichtige Erkenntnis.
Lehreinheit und Spiel entwickelt
Einige weitere Aktivitäten richteten sich an Schülerinnen und Schüler bzw. deren Lehrkräfte. In Seminarkursen begleiteten die Fachleute die Jugendlichen ein Schuljahr lang und thematisierten die Bioökonomie. In Laborexperimenten wurden Themen veranschaulicht oder auch gemeinsam ein Brettspiel entwickelt, das die Szenarien erfahrbar werden lässt. Zudem entstand im Seminarkurs eine Lehreinheit, die auf der Projektwebsite heruntergeladen werden kann. „Die abschließende Podiumsdiskussion war richtig aktivierend für die Schüler“, erinnert sich Voglhuber-Slavinsky, mussten die Jugendlichen doch Fachleute finden und geeignete Fragen vorbereiten. Besonders effektiv war zudem die „Talent School“, ein dreitägiger Workshop, für den sich Schülerinnen und Schüler bewerben konnten. Abgerundet wurde dieser Bereich des Projekts durch BioKompass-Wochen und eintägige Workshops im Museum. Dort lockte beispielsweise ein Comiczeichner zum Zeichnen lernen, thematisch ging es dabei um die Bioökonomie.
Die Evaluation der einzelnen Maßnahmen lieferte schließlich Erkenntnisse für künftige Maßnahmen zur Information und Partizipationsförderung bezüglich der Vermittlung komplexer Themenfelder. „Es lohnt sich, sehr zielgerichtet auf Themen einzugehen, insbesondere, wenn die Schüler diese selbst auswählen können“, resümiert Voglhuber-Slavinsky. Man dürfe keine Angst davor haben, Schwerpunkte zu setzen. Trotzdem seien übergeordnete Ankerthemen wie „Nachhaltigkeit“ hilfreich, weil man dadurch vieles in Bezug setzen könne. Welches Format jetzt das beste gewesen sei, das könne man so nicht sagen, erläutert die Forscherin: „Alle Formate haben Vor- und Nachteile. Die richtige Wahl hängt von der Umsetzbarkeit ab und muss auf die Zielgruppe zugeschnitten sein.“
Ziel- und Interessenskonflikte beachten
Überrascht habe sie, wie verschieden unterschiedliche Teilnehmende das jeweilige Szenario bewertet haben. „Greift der Staat stärker lenkend ein, sagen manche 'Ja, endlich!' und andere fühlen sich eingeschränkt.“ Daraus könne man erkennen, dass es bei den Szenarien keine Worst-Case-/Best-Case-Welten gebe. „Es gibt einfach Zielkonflikte und in der Gesellschaft unterschiedliche Interessen.“
Die Szenarien, die in „BioKompass“ entstanden sind, werden übrigens weiter genutzt: „Wir verwenden sie in unserem neuem Projekt BioWahl“, erzählt Voglhuber-Slavinsky. Ähnlich dem Wahl-o-mat soll man später damit herausfinden können, in welcher Bioökonomie-Zukunft man leben möchte.
Autor: Björn Lohmann