Rinderzucht: Die Sonnenbrille für Kühe

Rinderzucht: Die Sonnenbrille für Kühe

Das Fleckvieh-Rind hat eigentlich einen rein weißen Kopf. Tiere mit braunem Fell um die Augen sind jedoch besser vor UV-Strahlen und Krebs geschützt. Genetiker im Forschungscluster Synbreed haben das Vererbungsmuster der dunklen Augenringe entschlüsselt.

Fleckvieh
Die dunklen Augenringe des Fleckfiehs bieten einen natürlichen Schutz vor UV-Stralen und Augenkrebs.

Nicht nur auf bayerischen Weiden ist das Fleckvieh eine Institution. Die gescheckten Rinder werden für ihre Milchleistung und Fleischqualität auch in Afrika und Südamerika geschätzt. Doch gerade hier kann intensive Sonneneinstrahlung den Tieren massiv zusetzen. Denn ihr weißes Kopffell bietet kaum Schutz vor UV-Strahlen. Die Folge: jedes zweite Tier erkrankt in sonnenreichen Ländern an bösartigen Augentumoren. Deutlich besser geschützt sind Tiere, die braune Fellflecken um die Augen tragen. Münchner Tiergenetiker haben das Vererbungsmuster der braunen Augenringe entschlüsselt. Es ist im doppelten Wortsinn ein Musterbeispiel für die Möglichkeiten der modernen Nutztiergenetik. Die Ergebnisse sind insbesondere für Züchter in südlichen Ländern interessant. Das BMBF fördert die Arbeiten im Rahmen des Forschungsclusters „Synbreed“ mit 1,8 Millionen Euro.

Das Fleckvieh ist ein Markenzeichen auf bayrischen Weiden. Deutschlandweit gibt es rund 3,6 Millionen Exemplare dieser Rinderrasse. Sowohl als guter Milchlieferant als auch wegen seiner guten Fleischqualität ist das Fleckvieh längst zu einem Exportschlager geworden. Weltweit gibt es Schätzungen des Zuchtspezialisten Bayern Genetik zufolge etwa 41 Millionen Tiere. Besonders in Afrika und Südamerika ist die Rinderrasse gefragt. Doch auf den neuen Weiden weit jenseits der Alpen tauchen auch neue Probleme auf. Typischerweise hat das Fleckvieh ein weißes Kopffell. In sonnenreichen Gegenden sind die Tiere damit schutzlos UV-Strahlen ausgeliefert. Sehr häufig treten Augenkrebserkrankungen auf. Doch es gibt einen natürlichen Schutzmechanismus: Bei einem kleinen Teil der bayerischen Fleckvieh-Rinder treten nämlich dunkle Fellfärbungen um die Augen und am Augenlid auf. Die dunklen Augenflecken wirken wie eine Schutzbrille und bewahren die Tiere vor Augentumoren.

Das BMBF investiert im Rahmen der Initiative "Kompetenznetze in der Agrar- und Ernährungsforschung" bis 2015 bis zu zwölf Millionen Euro in den Forschungsverbund Synbreed. Die Partner forschen hier an modernsten Methoden zur Tier- und Pflanzenzüchtung. Die TU München koordiniert das Netzwerk.

Viele Gene am Vererbungsmuster beteiligt

Nutztiergenetiker um Ruedi Fries und Hubert Pausch von der Technischen Universität München sind dem komplexen Vererbungsmuster für die braunen Augenflecken nun auf die Spur gekommen. Das Pigmentierungsmuster, also die Farbe und Größe der schützenden Augenringe, wird von sehr vielen, vielleicht sogar mehreren Tausend DNA-Abschnitten bestimmt. Wie sie im Fachjournal PLOS One berichten (2012, Online-Veröffentlichung), konnten die Genetiker zwölf DNA-Abschnitte im Vererbungsmuster der Augenringe identifizieren, die bis zu 57 Prozent der Erblichkeit erklären. „Schon bei der Geburt eines Kalbes lässt sich so genauer als bisher vorhersagen, ob seine Nachkommen die schützenden Augenringe tragen“, sagt Fries. Dieses Wissen könnte Züchtern in sonnenreichen Ländern helfen: Von Zuchtbullen wird seit Jahren standardmäßig ein „genetischer Fingerabdruck“ erstellt. Er kann nun auch auf das Vererbungsmuster der schützenden Augenringe geprüft werden und liefert so früher als bisher die Grundlage, um geeignete Zuchttiere auszuwählen. „Die Zahl der von Augentumoren betroffenen Tiere kann so schnell reduziert werden“, ist sich Fries sicher.

Genetische Fingerabdrücke von Zuchtbullen durchforstet

Um das Vererbungsmuster der Augenringe zu entschlüsseln, haben die Wissenschaftler statistische Vorhersagemodelle mit modernsten DNA-Analyseverfahren kombiniert. Sie erstellen dafür zunächst „genetische Fingerabdrücke“ für einzelne Zuchtbullen. Das bedeutet, dass für jedes Tier mehrere Hunderttausend winziger Variationen im DNA-Strang erfasst werden, die in ihrer Gesamtheit ein einzigartiges Profil ergeben. Von rund 3.400 Bullen haben die Wissenschaftler solche Fingerabdrücke gesammelt. Mithilfe von statistischen Verfahren verknüpfen die Wissenschaftler dann die DNA-Profile mit Informationen zum Aussehen der Nachkommen eines jeden Zuchtbullen, in diesem Fall zu den Augenflecken. Aus der Kombination beider Werte lassen sich Wahrscheinlichkeiten für die Vererbung der dunklen Flecken ableiten. Das von Ruedi Fries und Hubert Pausch verwendete Verfahren, die „genomische Selektion“, eignet sich aber nicht nur zur Auswahl von geeigneten Zuchtbullen. Es wird auch für Ertragssteigerungen in der Maiszüchtung oder in der Hühnerzucht angewendet. Dafür arbeiten die Tierwissenschaftler Fries und Pausch im Forschungscluster „Synbreed“ gemeinsam mit Pflanzenwissenschaftlern und Bioinformatikern. Ihr gemeinsames Ziel ist es, Zuchterfolge vorhersagbar zu machen. Synbreed wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Initiative „Kompetenznetze der Agrar- und Ernährungsforschung“ gefördert.