Ernährungssicherung in Küstenregionen

Ernährungssicherung in Küstenregionen

Wovon leben Menschen in Zukunft an der Küste – in Hinblick auf Klimawandel, Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum? Im Projekt FOCUS betrachtet ein Team globale Entwicklungen und will der Politik Empfehlungen geben.

 

Die Küsten befinden sich sowohl auf der Wasser- als auch der Landseite in einem rasanten Wandel. Die Erderwärmung – und mit ihr die Erwärmung der Ozeane –, steigende Bevölkerungszahlen und weiteres Wirtschaftswachstum verändern die küstennahen Regionen. Fischbestände wandern, der Meeresspiegel steigt und gefährdet damit auch die Landwirtschaft; zunehmende Überflutungen versalzen die Böden. Doch wie wirkt sich das auf die Ernährungssicherheit in Küstenregionen aus? Dazu fehlt es an genauen Modellierungen.

Hier setzt das Forschungsprojekt „FOCUS - Ernährungssicherheit und nachhaltige Existenzgrundlagen in Küstenregionen in der Verbindung von Land- und Ozeanressourcen“ an. „Es geht insbesondere um die Ernährungssicherheit mit einer weltweiten Perspektive und dem Blick auf die nächsten Jahrzehnte“, beschreibt Projektleiter Martin Quaas das Vorhaben. In den Küstenregionen müsse man sowohl die landbasierte als auch die ozeanbasierte Naturnutzung betrachten.

Wie wirkt sich der globale Handel aus?

FOCUS wird nicht nur die aggregierten Effekte des Klimawandels auf Landwirtschaft, Fischerei und Ökosysteme untersuchen, sondern detailliert betrachten, wie die räumlich aufgelösten Verteilungs- und Wohlfahrtsauswirkungen die Versorgung mit Nahrung und Existenzgrundlagen verändern. Eine globale Modellierung ist das Ziel, wobei man den Globus in etwa fünf bis zehn Regionen einteilen wolle, erklärt Quaas, der am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig eine Professur für Biodiversitätsökonomik innehat. Man orientiere sich an den großen Märkten, doch „der globale Handel kann nirgendwo isoliert betrachtet werden“.

Projektleiter Martin Quaas (2.v.l unten) und sein Team

Der Forschungsverbund FOCUS vereint die Expertisen zweier Einrichtungen in idealer Weise: Das Team von Quaas bringt die Bereiche Ressourcenökonomik und Fischerei ein, das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ergänzt mit Landnutzungsmodellen. Der thematische Verbund ist Teil der Förderinitiative „Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel“ des Bundesforschungsministeriums. Dieses stellt für den Förderzeitraum von Januar 2019 bis Ende 2021 rund 585.000 Euro für das Projekt zur Verfügung. Am Ende des Weges sollen Lösungsansätze und Politikempfehlungen stehen, die FOCUS mit Praxispartnern von der FAO, dem IPCC, dem Lösungsnetzwerk für nachhaltige Entwicklung und dem WWF entwickelt. Dies trägt dazu bei, ein nachhaltig ausgerichtetes, vernetztes Land-Ozean-System in die Bioökonomie zu integrieren. Politikoptionen werden dabei die gesamte Breite von lokalen Maßnahmen bis zu globalen Empfehlungen abdecken.

Ein globales bio-ökonomisches Modell

In der aktuellen Projektphase erarbeiten die Forscherinnen und Forscher insbesondere Methoden, um mit einem neuen, globalen bioökonomischen Modell Effekte weltweit zu quantifizieren. Anhand von Beobachtungen der letzten Jahre erstellt Quaas Szenarien, wie sich etwa der Klimawandel auf Fischbestände auswirkt. Eine zentrale Frage lautet: „Wird das jeweilige Ökosystem mehr oder weniger produktiv?“ Fischschwärme am Äquator zum Beispiel wandern durch die höheren Temperaturen nach Süden oder Norden ab. Der Wirtschaftswissenschaftler kooperiert in diesem Bereich mit Biologinnen aus Kanada. Die Szenarien betrachten zudem den Einfluss des Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums.

Unser nächster Schritt wird sein, die Fischerei- und Landnutzungsmodelle mit einander zu koppeln“, erläutert Quaas. Nicht zuletzt geht es um die Rolle des internationalen Handels mit Fisch. „Könnte dabei die EU mit ihrer Handelspolitik etwas verbessern?“, möchte der Leiter der Forschungsgruppe Biodiversitätsökonomik ergründen. In dieser Funktion betrachtet er allgemein aus volkswirtschaftlicher Perspektive den Einfluss der Wirtschaft auf die Biodiversität – ebenso wie umgekehrt den Einfluss der Artenvielfalt auf die Wirtschaft. „Durch welche Eingriffe erlangt man etwa mehr Nachhaltigkeit“, lautet eine der zentralen Fragen. Dies ist Kernpunkt der Bioökonomie: nachhaltiges Wachstum und die Gleichrangigkeit von Ökologie und Ökonomie.

Autorin: Ulrike Roll