Die Fußabdrücke der deutschen Bioökonomie
Der erste Pilotbericht zum deutschen Bioökonomie-Monitoring ist da. Das umfangreiche Zahlenwerk fördert wesentliche Merkmale und Trends der biobasierten Wirtschaft zutage.
Die fossilen Ressourcen sind begrenzt, doch die Menschen verbrauchen immer mehr: Seit Jahren rückt der globale Erdüberlastungstag weiter vor. In diesem Jahr fällt der Stichtag, ab dem die Menschheit auf Pump lebt, auf den 22. August. Deutschland hatte seinen Anteil an den weltweit zur Verfügung stehenden Ressourcen bereits Anfang Mai aufgebraucht. „Langfristig wollen wir von der Nutzung begrenzter fossiler Ressourcen wegkommen – hin zu einer Wirtschaftsweise, die biologische Ressourcen und Prozesse nutzt“, sagte kürzlich Bundesforschungsministerin Anja Karliczek. Vor allem das Prinzip der Kreislaufwirtschaft birgt das Potenzial, durch eine Weiterverwertung Ressourcen und damit Umwelt und Klima gleichermaßen zu schonen. „Doch dafür müssen wir noch besser wissen, was wirklich nachhaltig ist“, so die Ministerin weiter.
Antworten liefert nun ein Forscherkonsortium, das in den vergangenen Jahren die Bioökonomie vermessen hat. Unter Leitung von Stefan Bringezu, Direktor des Center for Environmental Systems Research der Universität Kassel, entstand der erste Bericht zum Bioökonomie-Monitoring. Er zeigt, wie Bioökonomie in Deutschland funktioniert und welchen Einfluss biobasiertes Wirtschaften national und international auf Klima und Umwelt hat.
Mehr Rohstoffe importiert als exportiert
Im Bericht wurden biobasierte Rohstoffe aus Forst- und Landwirtschaft, Fischerei sowie Garten- und Landschaftsbau und Abfallwirtschaft unter die Lupe genommen. Rund 185 Millionen Tonnen Biomasse wurden 2015 in diesen Bereichen erzeugt. Sie werden vielfältig genutzt wie etwa für Nahrungs- und Futtermittel, zur Herstellung von Holzwaren aber auch für Dienstleistungen, zur Energiegewinnung sowie Forschung und Entwicklung. Mit 72 Millionen Tonnen werden jedoch noch immer mehr Rohstoffe importiert als exportiert.
Mit Blick auf eine biobasierte Kreislaufwirtschaft sehen die Autoren die Forst- und Holzwirtschaft bereits heute gut aufgestellt. Sie sei schon heute vergleichsweise nachhaltig auch weil Holz mehrfach verwendet werde, so die Autoren. Gerade die Holzwirtschaft würde wesentlich zur Kreislaufwirtschaft beitragen, da über die Hälfte der genutzten Holzfasern bereits aus Recycling und Reststoffen stamme. Auch seien die Holzvorkommen in Deutschland größer als der Bedarf. „Würden wir dieses Potenzial nutzen, könnte Deutschland seinen Holzbedarf selbst decken. Das ließe den Forstfußabdruck im Ausland erheblich sinken“, so ein Fazit des Berichts.
Drei Fakten aus dem Bioökonomie-Monitoring
185 Millionen Tonnen Biomasse wurden im Jahr 2015 in Land- und Forstwirtschaft erzeugt.
4,4 Millionen Erwerbstätige waren im Jahr 2017 in der deutschen Bioökonomie beschäftigt.
165 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung wurden im Jahr 2017 erzielt. Je nach Modellierungsansatz sind es bis zu 265 Milliarden Euro.
Landwirtschaft muss nachhaltiger werden
Weniger positiv sieht es hingegen bei der Landwirtschaft aus. Deutschland nutzt demnach weit mehr agrarische Rohstoffe, als auf den hierzulande verfügbaren Flächen erzeugt werden kann. Ein wesentlicher Treiber ist, dass über die Hälfte des angebauten oder importierten Getreides als Tierfutter genutzt wird. Den Autoren zufolgen müssten auch die Rohstoffe aus der Landwirtschaft nicht nur nachhaltig produziert, sondern auch nachhaltig konsumiert werden.
Gleiches trifft auch auf den Konsum von Fleisch- und Molkereiprodukten zu, die den Klima-Fußabdruck der Bioökonomie ebenfalls belasten. Hier zeigen sich jedoch nachhaltige Trends wie etwa Fleischverzicht und der Kauf von Produkten aus ökologischem Anbau. Der Ökolandbau benötige zwar tendenziell mehr Fläche, entlaste aber die Umwelt. Diese Differenz könnte den Autoren zufolge jedoch ausgeglichen werden, wenn künftig noch weniger Lebensmittel weggeworfen werden.
Pilotbericht zum Monitoring der deutschen Bioökonomie
Der Pilotbericht gibt einen ersten Überblick über wesentliche Merkmale und Trends der deutschen „biobasierten Ökonomie“ im nationalen und internationalen Kontext.
Nutzung biobasierter und fossiler Ressourcen kombinieren
„Wir sehen einige positive Trends, doch wir sehen auch, dass die politischen Aktivitäten in Richtung Ressourceneffizienz und Klimaschutz verstärkt werden sollten“, resümiert Projektkoordinator Stefan Bringezu und stellt klar: „Verabschieden sollten wir uns von der Vorstellung, dass möglichst viele mineralische Rohstoffe durch nachwachsende ersetzt werden sollten“. Bringezu sieht die Zukunft daher eher in einer effizient kombinierten Nutzung biobasierter und nicht-biobasierter Ressourcen. Er verweist auf technologische Innovationen in Pharma, Chemie und Maschinenbau, die zum Erfolg der Bioökonomie beitragen können. Welches Potenzial sich tatsächlich dahinter verbirgt, will das Forscherkonsortium noch genauer bestimmen.
Fortsetzung des Monitoring geplant
Das Bioökonomie-Monitoring wurde 2016 gemeinsam vom Bundesforschungs-, Landwirtschafts- und Wirtschaftsministerium gestartet. Es ist Bestandteil der neuen Nationalen Bioökonomiestrategie der Bundesregierung. Das BMBF förderte dazu den Verbund „Systemisches Monitoring und Modellierung der Bioökonomie", kurz SYMOBIO, im Rahmen des Konzepts „Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel“ mit rund 3 Mio. Euro. Um Trends und Treiber biobasierter Entwicklungen im Blick zu haben, soll das Monitoring zur Bioökonomie auch in Zukunft fortgeführt werden.
Der Bericht wurde erstellt vom Center for Environmental Systems Research (CESR) der Universität Kassel und dem Johann Heinrich von Thünen-Institut (TI), Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei mit den Fachinstituten für Marktanalyse (TI-MA), für Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie (TI-WF) und für Seefischerei (TI-SF), zusammen mit Kooperationspartnern des SYMOBIO-Projekts.
bb