Zuckerrohr ist neben Soja und Mais eine der wichtigsten Nutzpflanzen in Brasilien. Daraus werden nicht nur Zucker, sondern auch Biokraftstoffe wie Ethanol hergestellt. Bei der Verarbeitung fallen jedoch enorme Mengen Bagasse an – faserige Überreste –, die bisher nicht optimal genutzt werden. Stattdessen wird der lignozellulosehaltige Reststoff in ineffizienten Verbrennungsanlagen verbrannt und meist auf Halden entsorgt oder ungeregelt auf Feldern verstreut. Doch Asche ist mehr als nur verbrannte Biomasse. Darin stecken Nährstoffe wie Phosphor, die für das Pflanzenwachstum essentiell sind. Ein deutsch-brasilianisches Forschungskonsortium hatte es sich zur Aufgabe gemacht, den Prozess der thermischen Verwertung im Hinblick auf eine nachhaltige Nutzung der Bagasse-Aschen zu optimieren, um daraus hochwertige Dünger sowie Biopolymere herstellen zu können.
Das Projekt „ASHES" wurde vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT koordiniert und im Rahmen der Fördermaßnahme „Bioökonomie International“ von 2015 bis 2018 mit 2 Mio. Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Insgesamt waren acht deutsche und vier brasilianische Partner aus Forschung und Industrie an dem Projekt beteiligt.
Nährstoffe in den Aschen pflanzenverfügbar machen
Ein Team um Christian Adam von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin konzentrierte sich dabei auf die Nährstoffe in den Aschen. „Wir haben uns angeschaut, welche Nährstoffe in den Bagasse-Aschen enthalten sind, und wie man sie pflanzenverfügbar machen kann. Es wurden im Projektkonsortium Untersuchungen zur Optimierung der energetischen Verwertung, also die Verbrennung der Reststoffe der Zuckerproduktion, durchgeführt und entsprechende Technologien zur Aufbereitung der entstehenden Asche zu Düngemitteln entwickelt."
Mit Gülle und Hühnerkot Phosphorgehalt der Aschen erhöht
Die Forscher mussten bei der Lösung der Aufgabe gleich mehrere Hürden überwinden: Zum einen blieben bisher viele Nährstoffe bei der Zuckerrohrverarbeitung auf der Strecke, so dass ihr Anteil in den Bagasse-Aschen, insbesondere der von Phosphor, nur gering und somit für Dünger nicht geeignet war. Die Lösung: „Hier haben wir geschaut, welche Tier- oder Pflanzenproduktionen sich in der Nähe der Zuckerrohrfabriken in Brasilien befinden, so dass man andere phosphorreiche Stoffströme wie Hühnerkot oder Gülle mit der Bagasse verbrennen und so den Phosphorgehalt erhöhen kann."
Christian Adam präsentiert das aus Bagasse hergestellte Granulat.
Die zweite buchstäblich harte Nuss waren die Phosphate: Sie mussten für die Pflanzen erst verfügbar gemacht werden. „Das sind so stabile Verbindungen, dass die Pflanze nicht rankommt", erläutert Adam. Auch für dieses Problem gab es eine Lösung: Die BAM-Forscher modifizierten für die Bagasse-Aschen einen von ihnen entwickelten thermochemischen Prozess, der sich beim Phosphorrecycling aus Klärschlamm bereits bewährt hat.
Optimierung des thermo-chemischen Prozesses
„Die thermische Behandlung erfolgt im Drehrohrofen bei 900 Grad. Darin reagiert die heiße Bagasse-Asche mit Additiven wie natrium- und kaliumhaltigen Verbindungen, die wir hinzugeben. Diese bauen sich dann in die Aschen ein, so dass pflanzenverfügbare Stoffe entstehen." Durch das Einschleusen von Natrium-Kalium-Verbindungen in die Bagasse-Asche konnte das Team um Adam die stabile Struktur der Phosphate knacken und die Nährstoffe pflanzenverfügbar machen.
Bagasse-Aschen mit bioverfügbarem Phosphor
Auf diese Weise ist es den Forschern gelungen, aus Reststoffen der Zuckerrohrverarbeitung bioverfügbare Phosphorgehalte in Bagasse-Aschen zu erzeugen, die auch für Dünger geeignet sind. Diese liegen in runden oder stäbchenförmigen Granulaten vor, die auch in punkto Lagerfähigkeit und Abrieb mit konventionellen Düngern mithalten können. Die Nährstoffverbindungen in dem neuen Aschedünger aus Bagasse haben aber noch einen weiteren Vorteil: Sie sind zwar für die Pflanze verfügbar, aber nicht wasserlöslich und können daher nicht ausgespült werden. In dieser Form können sie auch von anderen Mineralstoffen im Boden wie Eisen oder Aluminium nicht so stark absorbiert werden.
Wasserunlösliche Nährstoffe bleiben im Boden
Gerade die wasserunlösliche Variante scheint viele Vorteile zu haben. Das untersucht das Team um Adam derzeit in einem neuen Projekt gemeinsam mit brasilianischen und australischen Partnern. „Man spricht hier vom Next-Generation-Fertilizer-Konzept. Das heißt, dass der Dünger die Nährstoffe synchron zum Pflanzenbedarf freigibt", erklärt der Forscher. Da der Phosphor länger im Boden bleibt, ist er für Pflanzen nicht nur länger verfügbar, er kann auch je nach Bedarf über die Pflanzenwurzeln in Anspruch genommen werden. Das Nachfolgeprojekt namens CLOOP, das vom BMBF im Rahmen der Fördermaßnahme „Bioökonomie International“ unterstützt wird, will vor allem die Dauer der Pflanzenverfügbarkeit wasserunlöslicher Nährstoffe untersuchen.
Projekt ASHES
Projektkoordinator:
Fraunhofer UMSICHT
Projektpartner:
deutsche Partner: Karlsruher Institut für Technologie (KIT); Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), Fraunhofer IGB; Forschungszentrum Jülich; CUTEC-Institute, Clausthaler Umwelttechnik-Institut GmbH; Tecnaro GmbH; Outotec GmbH
brasilianische Partner:
CNPEM, Brazilian Center for Research in Energy and Materials; IFG, Federal Institute of Goiás Campus Goiânia; LANAGRO/MAPA, Laboratório Nacional Agropecuário / Ministério da Agricultura, Pecuária e Abastecimento; UFG, Universidade Federal de Goiás, Escola de Agronomia e Engenharia de Alimentos, Goiânia, Goiás
Inwiefern das neue thermochemische Verfahren zur Düngerherstellung aus Bagasse-Aschen in Brasilien tatsächlich zum Einsatz kommt, ist Adam zufolge noch ungewiss. Der Bau einer entsprechenden modernen Verbrennungsanlage mit Nachbehandlung der Aschen mit der Methode der BAM-Forscher wäre eine kostspielige Investition. Das Verfahren kann in Deutschland vor allem zur Behandlung von Klärschlammaschen mit dem Ziel der Herstellung von Phosphordüngern sinnvoll eingesetzt werden. Auch die Verbrennung von kaliumhaltigem Stroh mit anschließender Nutzung der Asche als Kaliumdünger, könnte in Deutschland Anwendung finden.
Biokunststoffgranulate für Pflanzenschalen
Darüber hinaus hat das Projekt „ASHES" bewiesen, dass aus Bagasse-Asche auch Biopolymere hergestellt werden können. Dafür war im Konsortium die Tecnaro GmbH verantwortlich. Das Unternehmen in Ilsfeld ist auf die Entwicklung von Biokunststoffgranulaten aus nachwachsenden Rohstoffen spezialisiert. „Tecnaro hat die Aschen als Füllstoff genutzt und daraus ein Produktportfolio biologisch abbaubarer Kunststoffe für Pflanzschalen entwickelt. Wenn sich der Bio-Kunststoff zersetzt, werden auch Aschepartikel und damit die Nährstoffe freigegeben", erklärt Adam.
Autorin: Beatrix Boldt