„Hohe Kohlenstoff-Gehalte machen Böden widerstandfähiger“

„Hohe Kohlenstoff-Gehalte machen Böden widerstandfähiger“

Carsten Müller

Beruf: 
Promovierter Bodenkundler, studierter Forstwissenschaftler

Position: 
Leiter des Fachgebiets Bodenkunde an der TU Berlin
 

Carsten W. Müller
Vorname
Carsten
Nachname
Müller

Beruf: 
Promovierter Bodenkundler, studierter Forstwissenschaftler

Position: 
Leiter des Fachgebiets Bodenkunde an der TU Berlin
 

Carsten W. Müller

Als Leiter des Fachbereichs Bodenkunde an der Technischen Universität Berlin widmet sich Carsten Müller der Frage, wie Böden nachhaltig genutzt werden und langfristiger Kohlenstoff speichern können.

Böden sind unerlässlich für Pflanzenwachstum, Nahrungsmittelproduktion und den Erhalt der biologischen Vielfalt. Zudem können sie CO₂ speichern und so zur Reduktion der Treibhausgase in der Atmosphäre beitragen. Als Leiter des Fachbereichs Bodenkunde an der Technischen Universität Berlin forschen Carsten Müller und sein Team daran, wie Böden in Natur und Landwirtschaft qualitativ verbessert und gleichzeitig als CO₂-Speicher genutzt werden können. Ihr Arbeitsfeld erstreckt sich dabei von der arktischen Tundra bis zu Äckern und Weiden in hiesigen Regionen. Dabei nimmt der promovierte Bodenkundler grundlegende Mechanismen wie den Auf- und Abbau von Humus ins Visier, um den Prozess der Kohlenstoffspeicherung im Boden besser zu verstehen.

Frage

Welchen Fokus hat Ihre Arbeit als neuer Leiter des Bereichs Bodenkunde an der TU Berlin? 

Antwort

Unser wissenschaftlicher Fokus am Fachgebiet Bodenkunde liegt insbesondere auf der Untersuchung der Prozesse und Mechanismen, die den Auf- und Abbau von Humus in Böden bestimmen. Dabei reicht unser Methoden- und Forschungsansatz von Feldstudien bis hin zu kontrollierten Laborversuchen. So analysieren wir beispielsweise den Kohlenstoffeintrag durch Pflanzen in Böden und die Entstehung von Treibhausgasen, sowohl auf landwirtschaftlich genutzten Feldern als auch in Topfversuchen unter kontrollierten Bedingungen, etwa im Gewächshaus oder in Klimakammern. Ein zentrales Ziel unserer Arbeit ist es, das Verständnis für die Kohlenstoffspeicherung als Ergebnis des Zusammenspiels von Pflanzen, Mikroorganismen und Böden zu vertiefen. Dabei benutzen wir neben herkömmlichen chemischen und physikalischen Analysen auch eine ganze Reihe an bildgebenden Verfahren, zum Beispiel Computertomographie oder Elektronenmikroskope, denn nur so kann man die nur Mikrometer großen Grenzbereiche und Strukturen zwischen Pflanze und Boden besser verstehen. Neben Projekten in Deutschland untersuchen wir auch regelmäßig Böden und deren vielfältige Funktionen weltweit, beispielsweise in Grönland oder Chile, um auch dort die Auswirkungen des Klimawandels auf Böden besser zu verstehen.

Frage

Wie können Böden Kohlenstoff speichern? Worauf kommt es dabei an?

Antwort

Böden speichern weltweit weitaus mehr Kohlenstoff als die gesamte Biomasse und stellen damit einen unglaublich wichtigen Kohlenstoffspeicher dar. Das Hauptaugenmerk liegt dabei vor allem auf dem organischen Kohlenstoff. Dieser stammt hauptsächlich von Pflanzen und gelangt entweder über oberirdische Pflanzenteile wie Blätter oder Erntereste oder direkt über die Wurzeln in den Boden. Organische Substanz, oder umgangssprachlich Humus, dessen Hauptbestandteil organischer Kohlenstoff ist, kann auf unterschiedliche Weise über längere Zeit im Boden verbleiben. Entscheidend für die Dauer, die der Kohlenstoff im Boden bleibt, ist, wie leicht oder schwer es für Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze ist, an den Kohlenstoff heranzukommen, um ihn abzubauen – wobei dabei wieder CO2 freigesetzt wird. Die Stabilisierung des Kohlenstoffs, also die Verlangsamung des mikrobiellen Abbaus, erfolgt vor allem durch die Bindung des Kohlenstoffs an die Oberfläche von Bodenmineralen und über die räumliche Trennung von Kohlenstoff und Mikroorganismen durch die Bodenstruktur. Letzteres geschieht vor allem durch die Aggregierung von Böden, bei der sich Bodenteilchen um Pflanzenreste ansammeln, was es den Mikroorganismen erschwert, an den Kohlenstoff heranzukommen. Das Verhältnis zwischen diesen Prozessen hängt stark vom Bodentyp, der Bewirtschaftung und insbesondere der chemischen Zusammensetzung der Pflanzenreste ab, die in den Boden gelangen.

Neben diesen Mechanismen, die in den meisten Böden Mitteleuropas für die Kohlenstoffspeicherung verantwortlich sind, darf jedoch nicht die enorme Menge an Kohlenstoff in Mooren und Permafrostböden unerwähnt bleiben. In diesen global bedeutsamen Böden wird der mikrobielle Abbau des Kohlenstoffs vor allem durch Wasserüberschuss sowie niedrige Temperaturen und Frost gehemmt.

Frage

Sie sagen, das Potenzial der Böden, CO2 zu speichern, ist längst nicht ausgeschöpft. 
Wie kann dieses Potenzial noch besser ausgeschöpft werden?

Antwort

Das ist ein Punkt, den man differenzierter betrachten muss. Verständlicherweise liegt derzeit der Fokus stark auf der Bindung von CO2 aus der Atmosphäre und somit auf der Kohlenstoffspeicherung. Kohlenstoff spielt jedoch eine entscheidende Rolle für viele Bodenfunktionen. Hohe Gehalte an Bodenkohlenstoff fördern nicht nur gute Ernteerträge oder verbessern die Wasserverfügbarkeit, sie tragen auch zur Bindung von Schadstoffen bei. Es ist richtig, dass viele Böden, vor allem durch jahrhundertelange Bewirtschaftung, an Kohlenstoff verarmt sind. Doch hier gibt es Potenziale, die durch eine angepasste Bewirtschaftung wieder aktiviert werden können. Um dieses Potenzial besser zu nutzen, gibt es keine einzelne Patentlösung, sondern eine Reihe geeigneter Maßnahmen. Im Hinblick auf das Kohlenstoff-Budget leisten vor allem der Moorschutz und die Stabilisierung von Kohlenstoff in intakten Moorböden den größten Beitrag zur Kohlenstoffspeicherung in Böden. Für mineralische Böden, die den Großteil unserer landwirtschaftlichen Flächen ausmachen, sind Maßnahmen wie der Anbau von Zwischenfrüchten, Gründüngung und angepasste Methoden der Bodenbearbeitung besonders effektiv, um die Kohlenstoffspeicherung zu fördern.

Frage

Böden, in denen viel Kohlenstoff angereichert ist, gelten als hochwertig. Wie könnten neue Erkenntnisse aus Ihrem Forschungsbereich die Landwirtschaft nachhaltiger machen?

Antwort

Hohe Kohlenstoffgehalte in Böden sind nicht nur wichtig für die langfristige Bindung von CO2 aus der Atmosphäre, sondern auch für die Widerstandsfähigkeit dieser Böden gegenüber klimatischen Extremereignissen, welche durch den menschengemachten Klimawandel zunehmend auftreten. Böden mit hohem Kohlenstoffgehalt können mehr Wasser speichern, sind weniger anfällig für Erosion und weisen oft eine höhere Biodiversität sowie biologische Aktivität auf. Diese Eigenschaften wirken sich wiederum positiv auf landwirtschaftliche Erträge aus. Unsere Arbeit liefert vor allem das mechanistische Verständnis, das notwendig ist, um die Bindung und Speicherung von Kohlenstoff in Böden besser zu verstehen. So untersuchen wir beispielsweise, wie sich verschiedene Getreidesorten mit unterschiedlichen Wurzelsystemen positiv auf die Kohlenstoffspeicherung in Böden auswirken können. Diese Erkenntnisse können künftig in die Züchtung neuer Getreidesorten und angepasste Anbausysteme einfließen, wie etwa den gleichzeitigen Anbau unterschiedlicher Pflanzenarten auf dem selben Feld.

Frage

Durch Carbon-Farming-Zertifikate sollen Landwirte messbare Maßnahmen zur CO2-Speicherung umsetzen und dafür monetär belohnt werden. Wie sinnvoll sind solche Zertifikate – vor allem mit Blick auf eine nachhaltige und klimafreundliche Landwirtschaft?

Antwort

Es ist großartig zu erleben, wie Böden und Bodengesundheit zunehmend ins Zentrum des Interesses von Landwirten, Politikern und der breiten Bevölkerung rücken. Es gibt bereits viele spannende Initiativen und Vorreiter im Bereich einer nachhaltigeren und klimafreundlicheren Landwirtschaft – und das unabhängig von der Wirtschaftsform, ob konventionell oder ökologisch. Durch Kohlenstoffzertifikate könnten mehr Landwirte zu Maßnahmen und einer angepassten Bewirtschaftung motiviert werden, die zu einer zusätzlichen Kohlenstoffbindung im Boden führen. Dies trägt auch dazu bei, die gesellschaftliche Wahrnehmung des möglichen Beitrags der Landwirtschaft zum Klimaschutz zu verändern.

Jedoch kann dies auch ungerecht gegenüber Landwirten sein, die bereits länger „humuspfleglich“ wirtschaften, da für die Zertifikate vor allem die Zusätzlichkeit nachgewiesen werden muss – also die, im Vergleich zu vorher, zusätzliche Speicherung von Kohlenstoff durch die geplanten Maßnahmen. Zudem dürfen diese Initiativen nicht dazu führen, dass organisches Material, wie Kompost oder Erntereste, von anderen Betrieben verwendet werden, da dadurch dann natürlich an anderer Stelle Kohlenstoff fehlt. Es besteht auch weiterhin ein großer Forschungsbedarf, um Methoden zu entwickeln, mit denen nach längeren Zeiträumen nachgewiesen werden kann, dass die zusätzliche Kohlenstoffspeicherung in Böden auch dauerhaft ist.

Darüber hinaus ist die Kohlenstoffspeicherung in Böden auch nur ein Teil der Klimabilanz der Landwirtschaft. Daneben spielen vor allem die Treibhausgas-Emissionen aus Tierhaltung und im Zusammenhang mit der Düngung eine große Rolle.

Frage

Warum ist die Kohlenstoffspeicherung im Boden problematisch? Was müsste getan werden, damit der Status der Böden als Kohlenstoffspeicher realistisch abgebildet wird?

Antwort

Da in vielen Böden, insbesondere durch die Klimaerwärmung, die Kohlenstoffvorräte eher sinken, sollte ein Hauptaugenmerk der Bodenbewirtschaftung auf der Sicherung vorhandener Kohlenstoffvorräte liegen. Böden sind zudem sehr dynamische Systeme, und sich ändernde Umweltbedingungen oder veränderte Bewirtschaftungspraktiken, wie der Wechsel von Grünland zu Acker, haben starke Auswirkungen auf die Kohlenstoffspeicherung. Dies erschwert es, die langfristige zusätzliche Speicherung von Kohlenstoff in Böden sicherzustellen. Darüber hinaus gibt es nach wie vor methodische Herausforderungen beim Nachweis der Kohlenstoffspeicherung. Hier ist eine weitere Standardisierung von Messverfahren und vor allem der Bodenprobenahme erforderlich, um über viele Jahre hinweg vergleichbare Messwerte zu gewährleisten.

Abschließend lässt sich jedoch festhalten, dass eine Bewirtschaftung, die humusreiche und gesunde Böden zum Ziel hat, der Schlüssel ist, um auch in Zukunft und angesichts zunehmender globaler Veränderungen die vielfältigen Bodenfunktionen aufrechtzuerhalten. Maßnahmen zur erhöhten Kohlenstoffspeicherung in Böden können – richtig angewandt – auch ein wichtiges Instrument sein, um neben der Gewährleistung des Ertrags die Biodiversität zu fördern.

Interview: Anette Mertens