Ur-Mikroben als Schlüssel zur nachhaltigen Energiespeicherung

Ur-Mikroben als Schlüssel zur nachhaltigen Energiespeicherung

Das bei München ansässige Power-to-Gas-Unternehmen Electrochaea hat ein innovatives Verfahren entwickelt, bei dem Mikroorganismen überschüssigen Strom in klimaneutrales Methan umwandeln.

Mikroskopaufnahme von methanogenen Archaeen, unserem Biokatalysator
Mikroskopaufnahme von methanogenen Archaeen, unserem Biokatalysator

Weltweit besteht ein riesiger Bedarf an kostengünstiger und effizienter Energiespeicherung im großen Maßstab. Das schwankende Angebot von Wind- und Solarstrom erfordert Speicherlösungen, die überschüssige Energie aufnehmen und bei Bedarf wieder bereitstellen können. Nachhaltiges E-Methan ist ein vielversprechender Ansatz: Es kann fossiles Erdgas im bestehenden Gasnetz ersetzen und gleichzeitig als speicherbare Energiequelle dienen oder direkt vor Ort gelagert und später als Kraftstoff, Wärme oder Strom genutzt werden.

Entwicklung einer mikrobiellen Elektrolysezelle 

Im Rahmen des Projektes PtG-MEC arbeitet die in Planegg bei München ansässige Electrochaea GmbH an der Entwicklung einer mikrobiellen Elektrolysezelle (MEC) für das sogenannte Power-to-Gas-Verfahren (PtG). Dieses Vorhaben mit dem vollständigen Titel „PtG-MEC – Entwicklung einer hochdichten mikrobiellen Power-to-Gas-Elektrolysezelle“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 400.000 Euro gefördert und läuft von Juli 2022 bis März 2025. Ziel ist eine kosteneffiziente Lösung der Energiespeicherung.

Mit dem Power-to-Gas-Verfahren kann überschüssiger Strom – beispielsweise aus Wind- oder Solarenergie – in E-Methan umgewandelt werden. Dieser bio-elektrochemische Prozess läuft in zwei Schritten in einer Elektrolysezelle, die aus zwei, durch eine Membran getrennten Elektroden in einer wässrigen Lösung besteht.

Im ersten Schritt, der Elektrolyse, wird der Strom über diese Elektroden verwendet, um Wasser (H₂O) in seine Bestandteile Wasserstoff (H₂) und Sauerstoff (O₂) zu spalten. Im zweiten Schritt wird der so erzeugte Wasserstoff dann mit Kohlendioxid (CO₂) versetzt und beide Gase werden von dem Biokatalysator zu Methan (CH₄) umgewandelt. „Dieses E-Methan ist somit klimaneutral“, erklärt Jose Rodrigo, Director Product Development & Innovation. „Das Kohlendioxid, welches beim Methanverbrauch freigesetzt wird, wurde zuvor aus der Atmosphäre entnommen. Diese Art des CO₂-Recyclings stellt sicher, dass das E-Methan keine zusätzlichen Emissionen zur Erderwärmung beiträgt.“
 

Funktionsprinzip: Schematische Darstellung der PtG-MEC
Schematische Darstellung der PtG-MEC. Zu sehen sind zwei durch eine Membran getrennte Elektroden. Links die Anode.

Die Besonderheit: Electrochaea setzt bei der Methanisierung auf einen umweltfreundlichen Biokatalysator anstelle chemischer Katalysatoren. Dieser basiert auf Archaeen – Mikroorganismen, die seit Milliarden Jahren existieren und CO₂ sowie Wasserstoff in Methan umwandeln können. „Unser Biokatalysator ist besonders flexibel und robust, ideal für industrielle Anwendungen und schwankenden, erneuerbaren Strom“, so Rodrigo. Im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren, die Wasserstoff als Endprodukt erzeugen, ist Methan leichter zu komprimieren und zu speichern.

Archaeen als Biokatalysator

Electrochaea verwendet einen selektiv entwickelten, nicht genetisch modifizierten und besonders effizienten Stamm von Archaeen, der nahezu das gesamte Kohlendioxid (CO₂) in E-Methan umsetzt und nur wenig Energie für das eigene Wachstum braucht. Zusammen mit der hohen Produktivität des Biokatalysators können so auch kleine Bioreaktoren große Mengen an E-Methan erzeugen – ein entscheidender Vorteil in der mikrobiellen Elektrolysezelle, deren Volumen begrenzt ist. Chemische Methanisierungsverfahren erfordern oft extreme Bedingungen, wie hohe Temperaturen oder reines CO₂. Der Biokatalysator von Electrochaea arbeitet hingegen bei milden Temperaturen und Drücken und kann gemischte Abgase nutzen.

Eine Schlüsselherausforderung war die Skalierung der Technologie. Mit einem geringen Abstand zwischen Membran und Elektroden konnte Electrochaea die Energiedichte der Zelle erhöhen und den Materialbedarf senken. „Eine ganz besondere Herausforderung, für die es keine Standardlösung gab. Wir mussten dafür viele Materialien und Komponenten erst speziell anfertigen lassen und ausgiebig testen", merkt Rodrigo an.

Versuchsaufbau mit der PtG-MEC in der Mitte und einer Pumpe im Hintergrund. Zu sehen sind außerdem Schläuche für den die wässrigen Elektrolytlösungen.
Versuchsaufbau mit der PtG-MEC in der Mitte und einer Pumpe, im Hintergrund zu sehen sind außerdem Schläuche für die wässrigen Elektrolytlösungen.

Transportables Containersystem geplant

Da das mikrobielle Wachstum und die Elektrolyse völlig unterschiedliche Bedingungen hinsichtlich pH-Wert und Temperatur erfordern, mussten hierfür erst die optimalen Prozessparameter gefunden werden. Schließlich konnten auch das geometrische Design der Zelle und die Elektrodenform noch so angepasst werden, dass die Produktivität weiter erhöht wurde. „Ein Teil des in Deutschland ausgestoßenen Kohlendioxids stammt von vielen eher kleinen Produzenten – wie etwa Biogasanlagen oder Brauereien“, stellt Jose Rodrigo fest. Electrochaea plant daher, die Technologie als transportables Containersystem anzubieten, um kleinere CO₂-Quellen effizient anzusprechen. Rodrigo zufolge hat Electrochaea bereits zahlreiche Anfragen für eine solche Containerlösung erhalten.

Bis 2025 soll das System weiter optimiert und für industrielle Anwendungen skaliert werden. Nach Projektabschluss ist der Bau einer Pilotanlage im Kilowattbereich geplant. „Unsere PtG-MEC-Technologie bietet eine Lösung für das Speicherproblem erneuerbarer Energien und trägt durch CO₂-Recycling zur nachhaltigen Transformation der Energieversorgung bei“, betont Rodrigo. Mit dieser Entwicklung leistet Electrochaea einen wichtigen Beitrag zur biobasierten und nachhaltigen Wirtschaft.

Autor: Christian Kähler