„Die größte Herausforderung für Bioökonomie-Start-ups ist die Finanzierung“

„Die größte Herausforderung für Bioökonomie-Start-ups ist die Finanzierung“

Steffen Strese

Beruf: 
Professor für Innovationsmanagement

Position:
Direktor des Instituts für Technologie, Innovation und Entrepreneurship (TIE) und Dekan der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der TU Dortmund

Steffen Strese, Institut für Technologie, Innovation und Entrepreneurship Technische Universität Dortmund
Vorname
Steffen
Nachname
Strese

Beruf: 
Professor für Innovationsmanagement

Position:
Direktor des Instituts für Technologie, Innovation und Entrepreneurship (TIE) und Dekan der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der TU Dortmund

Steffen Strese, Institut für Technologie, Innovation und Entrepreneurship Technische Universität Dortmund

Im Begleitforschungsprojekt „Bioökonomie – Verstehen. Verbinden. Unterstützen“ nimmt ein Team der TU Dortmund um Steffen Strese die Gründungs- und Ansiedlungsaktivitäten von Bioökonomie-Start-ups im Rheinischen Revier ins Visier.

Der Strukturwandel im Rheinischen Revier ist in vollem Gange. Wo derzeit noch Braunkohle abgebaut wird, entsteht eine Modellregion für nachhaltiges und biobasiertes Wirtschaften. Doch unter welchen Bedingungen kann der Strukturwandel im Rheinischen Revier hin zu einer Modellregion Bioökonomie gelingen? Im Rahmen des Begleitforschungsprojektes „Bioökonomie – Verstehen. Verbinden. Unterstützen“ suchen Forschende der RWTH Aachen, der TU Dortmund und des Instituts für Pflanzenwissenschaften (IBG-2) des Forschungszentrums Jülich gemeinsam nach Antworten. Das Dortmunder Team um Steffen Strese widmet sich dabei der Frage, was Unternehmen und Start-ups zur Gründung und Ansiedlung im Rheinischen Revier treibt und welche Stärken und Hürden damit einhergehen.

Frage

Welche Aufgaben übernimmt die TU Dortmund im Rahmen des Projektes?

Antwort

Im Rahmen des Projektes „Bioökonomie Verstehen. Verbinden. Unterstützen.“ übernimmt das Institut für Technologie, Innovation und Entrepreneurship (TIE) der TU Dortmund die Verantwortung für das Arbeitspaket Gründung und Ansiedlung. In diesem Arbeitspaket werden die Gründungs- und Ansiedlungsaktivitäten von Bioökonomie-Start-ups im Rheinischen Revier untersucht. Wir betrachten hierbei sowohl die im Rheinischen Revier gegründeten Bioökonomie-Start-ups als auch Bioökonomie-Start-ups, die außerhalb der Region gegründet wurden und ihren Standort in das Rheinische Revier verlegen.

Frage

Welches Ziel verfolgt Ihre Arbeitsgruppe?

Antwort

Das übergeordnete Ziel unseres Projektes ist es, Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Modellregion zu systematisieren und nutzbar zu machen. Dadurch sollen regionale Innovationsökosysteme und deren spezifische Herausforderungen und Erfolgsfaktoren besser verstanden werden, um den Aufbau der Modellregion Bioökonomie zu unterstützen. 

Das Ziel unseres konkreten Arbeitspakets ist es zu verstehen, was Unternehmen und Start-ups zur Gründung und Ansiedlung im Rheinischen Revier treibt, um so die Modellregion als attraktiven und innovativen Standort der Bioökonomie zu gestalten. Als Teil unseres Arbeitspakets veröffentlichen wir daher beispielsweise jährlich den Bioökonomie-Start-up-Puls. Damit geben wir einen systematischen Einblick in die unternehmerischen Aktivitäten der Bioökonomie-Start-ups, in das Start-up-Ökosystem sowie in die daraus folgende Wertschöpfung im Rheinischen Revier. Der Report zielt darauf ab, die Besonderheiten von Bioökonomie-Start-ups und deren Bedeutung für den Strukturwandel aufzuzeigen sowie die Herausforderungen und Chancen dieser Start-ups herauszuarbeiten. Das gewonnene Wissen soll aber auch langfristig für weitere Förderprogramme und Projekte in anderen Regionen genutzt werden können.

Frage

Was hat Ihre Forschung bisher ergeben? Wie stark sind Unternehmen/Start-ups im Bereich Bioökonomie im Rheinischen Revier vertreten und wo liegt der Innovationsschwerpunkt? 

Antwort

Die aktuellen Gründungszahlen zeigen eine kontinuierliche positive Entwicklung der Bioökonomie-Start-ups im Rheinischen Revier, obwohl die Start-up-Gründungen deutschlandweit seit dem konjunkturellen Abschwung 2022 eher zurückgegangen sind. Die meisten dieser Start-ups befinden sich noch in einer sehr frühen Unternehmensphase, das heißt, sie bestehen weniger als fünf Jahre, was ein gewisses Momentum zeigt und durchaus positiv zu bewerten ist. Die Innovationsschwerpunkte der Bioökonomie-Start-ups liegen hauptsächlich in der Chemie- und Biotech-Industrie, gefolgt von Landwirtschaft und Ackerbau. Außerdem hat sich gezeigt, dass ein großer Teil der Start-ups universitäre Ausgründungen oder auch Ausgründungen aus bestehenden Unternehmen und Forschungseinrichtungen sind.

Frage

Wo liegen die unternehmerischen Stärken im Rheinischen Revier und welche Hürden gibt es?

Antwort

Die Stärken und Herausforderungen des Bioökonomie-Start-up-Ökosystems im Rheinischen Revier können entlang von fünf Themenfeldern charakterisiert werden: Netzwerke, Gründungskultur, Finanzierung, Wissen und Talente sowie Infrastruktur. Eine Stärke im Rheinischen Revier ist, dass das Ökosystem bereits zahlreiche Netzwerke im Bereich Bioökonomie und Start-ups umfasst, die Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis zusammenbringen. Allerdings konzentrieren sich die meisten Angebote auf die Städteregion Aachen und den Kreis Düren. Diese Netzwerke fördern Kooperationen zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen, die aufgrund ihrer komplementären Eigenschaften, Fähigkeiten und Ressourcen ein großes Potenzial bieten.

Zur Gründungskultur haben wir herausgefunden, dass Unternehmertum unter Forscherinnen und Forschern zwar grundsätzlich positiv wahrgenommen wird, die Bereitschaft, selbst unternehmerisch tätig zu werden, jedoch gering ist. Viele Forscherinnen und Forscher fühlen sich nicht ausreichend vorbereitet und haben eine starke Risikoaversion, wodurch sie persönliche Risiken, die auch zu einer Unternehmensgründung gehören, eher meiden.

Eine der größten Herausforderungen für Bioökonomie-Start-ups bleibt die Finanzierung ihrer unternehmerischen Aktivitäten aufgrund zum Teil sehr kapitalintensiver, langer Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Dennoch profitieren Start-ups im Rheinischen Revier bei der Akquise von Finanzkapital auch durch das starke Netzwerk in der Region.

Wissen und Talente sind im Rheinischen Revier dagegen sehr stark vorhanden. Das Rheinische Revier verfügt über ausreichendes Bioökonomie-Know-how, das besonders an den Forschungseinrichtungen sowie den Hochschulen verankert ist. Die Translation, wie beispielsweise die Übertragung von Hochschulpatenten an Ausgründungen, stößt jedoch immer wieder auf Herausforderungen.

Schließlich gibt es auch in Bezug auf die Infrastruktur Stärken, aber auch Hürden. Die begrenzte Verfügbarkeit von Laboreinrichtungen und Pilotierungsanlagen stellt beispielsweise eine Herausforderung für Bioökonomie-Start-ups dar. Allerdings sehen wir diese Herausforderung natürlich auch in anderen Regionen. Zudem gibt es aktuell laufende Projekte zur Entwicklung ausreichender Laborflächen. 

Frage

Was muss getan werden, damit der bioökonomische Wandel im Rheinischen Revier gelingt? Welche Empfehlungen haben Sie für die Politik?

Antwort

Wir sehen die drei Bereiche Gründungskultur, Finanzierung und Infrastruktur als wichtige Handlungsfelder, um den bioökonomischen Wandel im Rheinischen Revier voranzutreiben. 

Die Stärkung der Gründungskultur ist dabei enorm wichtig, weshalb hier weiterhin große Anstrengungen unternommen werden sollten. Die Attraktivität der Gründung für Forscherinnen und Forscher muss weiter gesteigert werden, etwa durch die Etablierung von Gründung als alternativen Karriereweg. Maßnahmen wie die Kommunikation erfolgreicher Gründungen und die Interaktion mit Vorbildern sind dabei hilfreich. Damit solche Maßnahmen umgesetzt werden können und ihre langfristige Wirkung entfalten können, muss die Politik weiterhin die Akteure im Ökosystem durch Förderprogramme unterstützen. 

Außerdem ist es wichtig, den Zugang zu Kapital zu erleichtern, da Bioökonomie-Start-ups aufgrund des hohen Kapitalbedarfs in den Anfangs- und Wachstumsphasen häufig vor Finanzierungsherausforderungen stehen. Nur wenn diese gelöst werden, können neue Unternehmen und damit auch Arbeitsplätze entstehen.

Aus infrastruktureller Sicht sollten in der Region weitere Gewerbe- und Laborflächen entwickelt werden, die es ermöglichen, neue Forschungsideen zu entwickeln, zu testen und umzusetzen. Die Errichtung von gemeinsamen Akzeleratoren, Co-Working-Spaces und Laborplätzen an Hochschulen oder das „Poolen“ von Ressourcen mit Start-ups und/oder etablierten Unternehmen sind potenzielle Lösungsansätze.

Es ist wichtig hervorzuheben, dass die Politik einen entscheidenden Beitrag leisten kann, insbesondere für die Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen. Dennoch ist es auch wichtig, dass sich weitere Stakeholdergruppen wie Hochschulen, Industrie, Bürgerinnen und Bürger sowie Konsumentinnen und Konsumenten engagieren. Damit können im Rheinischen Reviewer neue Unternehmen in der Bioökonomie entstehen, die den Strukturwandel nachhaltig voranbringen.

Interview: Beatrix Boldt