Ob im Smartphone, LED-Bildschirm oder in Windkraftanlagen: Seltene Erden sind für die Hightech-Industrie unverzichtbar. Kaum ein elektronisches Gerät kommt ohne die kostbaren Metalle aus. Doch der Rohstoff ist begrenzt und die deutsche Wirtschaft auf Importe vor allem aus China angewiesen. Ein besseres und zugleich nachhaltiges Recycling Seltener Erden könnte Abhilfe schaffen und wäre ein erster Schritt, damit Deutschland wirtschaftlich unabhängiger von Importen wird.
Lanthanide aus Industriewässern recyceln
Hier setzt das Projekt PepTight an. Im Fokus des Vorhabens stehen sogenannte Lanthanide. Sie zählen zu den Seltenen Erden und umfassen insgesamt 15 Metalle. Forschende vom Helmholtz-Zentrum in Dresden-Rossendorf und der Universität Potsdam arbeiten gegenwärtig an einer Methode, um diese zu recyceln. „Aktuell funktioniert das Recycling für diese Stoffe sehr schlecht. Die Quote liegt bei Lanthaniden unter 1%“, erklärt Projektkoordinator Björn Drobot vom Institut für Ressourcenökologie am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR-IRE).
Lanthanide sind in fast allen elektronischen Geräten enthalten – meist jedoch in niedrigen Konzentrationen und dann auch nicht in reiner Form. Eine andere sekundäre Rohstoffquelle sind Industriewässer – wie etwa die Flutungswässer der stillgelegten Uranminen der Wismut GmbH, die ebenso Seltene Erden enthalten. Aus diesen Wässern will das Team um Drobot die Lanthanide herausfiltern und so diese wertvollen Schlüsselelemente für Hightech-Anwendungen gewinnen – und das nach dem Vorbild der Natur. „Die Genauigkeit und Selektivität der Natur ist bis heute unübertroffen“, schwärmt der Forscher. „Sie hat im Laufe der Evolution mit ihren Bausteinen Werkzeuge entwickelt, um selbst ähnlichste Substanzen effektiv zu unterscheiden.“
Peptide als Filter nutzen
Beim Recycling der Lanthanide sollen demnach Peptide, also kurze Eiweißketten, zum Einsatz kommen. Ziel des Projektes ist es, solche Ketten zu identifizieren, die hochspezifisch Lanthanide binden. Dass Peptide grundsätzlich zwischen verschiedenen Seltenen Erden unterscheiden können, hat Drobot mit Forschenden der LMU München bereits gezeigt.
Die Grundbausteine für Peptide stellen die 20 verschiedenen biologischen Aminosäuren dar. Damit ergibt sich auch für kurze Eiweißketten bereits eine enorme Anzahl möglicher Kombinationen. Eben diese Vielfalt macht die Eiweißmoleküle zu einem universellen Werkzeug. Welche dieser Eiweiße tatsächlich selektiv Lanthanide binden, hängt jedoch von der räumlichen Struktur dieser Ketten ab. Um das herauszufinden, ist das Forschungsteam interdisziplinär zusammengesetzt. An dem seit 2021 laufenden Projekt sind seitens des HZDR neben dem IRE auch das Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF) und das Center for Advanced Systems Understanding (CASUS) beteiligt – sowie, seitens der Universität Potsdam, die Arbeitskreise Optische Sensorik und Spektroskopie (UPOSS), Analytische Chemie Polymermaterialien und Polymertechnologien (UPPP). Die Arbeit des PepTight-Teams wird bis 2024 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Fördermaßnahme „Zukunftstechnologien für die industrielle Bioökonomie: Schwerpunkt Biohybride Technologien“ mit insgesamt 1,5 Mio. Euro gefördert.
Mit KI die besten Peptidbinder finden
Bei der Identifizierung der besten Peptidbinder nutzen die Forschenden komplementäre Strategien: Um die Suche zu beschleunigen, setzt das Team auch auf die Hilfe Künstlicher Intelligenz. Dafür verantwortlich im Projekt sind die KI-Experten vom CASUS. Forscherinnen am Dresdner HIF werden wiederum mithilfe des Phagendisplays Peptide aus Viren selektieren, die Lanthanide binden.
Die Lanthanide durchleuchten wiederum Forschende an der Universität Potsdam mithilfe der Fluoreszenzspektroskopie. „So kann man Lanthanide unterscheiden und die Selektivität besser untersuchen“, erklärt der Projektkoordinator. Die Identifizierung der 3D-Struktur der Metall-Peptid-Komplexe übernimmt das Team UPAC. Drobot zufolge lässt die 3D-Struktur Rückschlüsse auf die Stabilität zu und liefert Parameter, die wiederum von der KI benötigt werden. Da nicht alle möglichen Peptide vollumfänglich experimentell charakterisiert werden können, flankiert das Team um Drobot die Arbeiten mit Methoden der theoretischen Chemie.
Die Natur als Vorbild
Noch stehen die Forschenden ganz am Anfang. Doch erste kleine Erfolge gibt es bereits. „Was wir schon ziemlich gut können, ist alle Lanthanide zu binden“, sagt Drobot. Die Herausforderung besteht Drobot zufolge jedoch darin, die Lanthanide auch voneinander zu trennen – denn chemisch seien alle recht ähnlich. „Es gibt natürlich chemische Prozesse, um Lanthanide zu trennen. Aber diese sind recht aufwendig und mit dem Einsatz vieler Chemikalien verbunden.“ Ein Recycling nach dem Vorbild der Natur wäre demnach für Mensch und Umwelt gleichermaßen gut, weil der Einsatz giftiger Chemikalien vermieden würde und eine geschlossene Kreislaufwirtschaft etabliert werden könnte.
Einige spannende Peptid-Kandidaten wurden Drobot zufolge bereits gefunden. Dennoch geht die Suche weiter. „Es ist schwierig abzuschätzen, wie weit wir noch vom Optimum entfernt sind“, erklärt Drobot. „Nicht jedes Peptid, dass die Lanthanide gut bindet, besitzt auch die benötigte Selektivität.“
Entwicklung modularer Filter geplant
Die bestmöglichen Peptidbinder für Lanthanide zu finden, ist nur eine Aufgabe des Projektes:
„Selbst nachdem ein Peptid mit Potential identifiziert wurde, ist die Arbeit noch nicht zu Ende“, sagt Drobot. „Diese müssen erst noch an einem Filtermaterial fixiert werden, ohne die Funktion der Peptide zu beeinträchtigen“. Mit an Bord ist deshalb die Arbeitsgruppe UPPP, die ihre Expertise zur Verknüpfung von Biomolekülen mit Polymeren in das Projekt einbringt. Damit soll die Realisierung eines modularen Filters erreicht werden, der Lanthanide nicht nur bindet, sondern gleichzeitig auch trennt. „Modular soll der Filter sein, damit die einzelnen Module hochspezifisch für die einzelnen Lanthanide genutzt werden können“, erklärt der Biophysiker und promovierte Radiochemiker. Im besten Fall, so Drobots Hoffnung, gibt es am Ende des Projektes für alle 14 Lanthanide ein spezielles Filtermodul.
Technologie auf andere Substanzen übertragbar
Gegenwärtig konzentriert sich das Team darauf, eine Technologie zu entwickeln, die Seltene Erden aus Industriewässern filtert. Schon im nächsten Jahr, so hofft Drobot, „das erste Filtermodul in der Hand zu haben“. Doch der Helmholtz-Forscher denkt auch schon weiter: „Die Technologieplattform kann auch allgemein auf andere Substanzen übertragen werden. Dann wäre beispielsweise auch eine Entfernung von Hormonrückständen in der Abwasseraufbereitung denkbar.“
Autorin: Beatrix Boldt