Die Zuckerrübe Beta vulgaris gehört neben Weizen und Mais zu den wichtigsten Nutzpflanzen. Ihre wirtschaftliche Bedeutung hat in den vergangenen Jahren zugelegt. Längst ist die Rübe nicht nur Zuckerlieferant, sondern auch Rohstoff für die Herstellung von Bioethanol und Biogas sowie neue biobasierte Materialien. Während jahrelang Ertrag und Zuckergehalt im Fokus der Pflanzenzüchtung standen, geht es heute vordergründig um Sorten, die gegen Schädlinge und Krankheiten resistent sind.
Grundlage für die Züchtung neuer Sorten ist die Entzifferung und die Analyse des Genoms der Rübe, an der Forscher seit vielen Jahren arbeiten. „Wenn wir die genetische Ausstattung kennen, kann man auch gezielt nach landwirtschaftlich bedeutenden Resistenzgenen oder etwa Zuckertransportern suchen“, erklärt Bernd Weisshaar vom Centrum für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld.
Das Erbgut der Zuckerrübe im Visier
Im Rahmen des Verbundprojektes „AnnoBeet“ nahm der Bielefelder Genomforscher mit Kollegen vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin (Heinz Himmelbauer), der Technischen Universität Dresden (Thomas Schmidt) sowie der KWS Saat AG und der Syngenta Seeds GmbH das Erbgut der Zuckerrübe ins Visier, um neue Gene aufzuspüren und diese bestimmten Eigenschaften zuzuordnen. Das Verbundvorhaben wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderinitiative „PLANT 2030“ von 2011 bis 2015 mit insgesamt 2,2 Mio. Euro gefördert.
„In AnnoBeet haben wir mit Bioinformatik-Methoden erst das gesamte Genom auf Gene untersucht, die mithilfe der Genomsequenz identifiziert werden können und dann zusammen mit weiteren molekularbiologischen Informationen Vorhersagen zur Funktion der gefundenen Gene gemacht“, erläutert Weisshaar.
Lücken in der Genomkarte schließen
Mit der Entschlüsselung des Genoms von Beta vulgaris hat das AnnoBeet-Team bereits 2014 Pionierarbeit geleistet. Eine erste Version der Genomsequenz, die im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht wurde, ist das Ergebnis des früheren BMBF-Förderprojekts BEETSEQ. Doch die pure Genomsequenz als solche verrät nur wenig über die Funktion und Lage der einzelnen Gene auf den insgesamt 9 Chromosomen im Zellkern der Rübe. Genau hier setzte das Verbundprojekt AnnoBeet an: Den Forschern ging es darum, Lücken in der bereits vorhandenen Genomkarte zu schließen und aus Sequenzdaten nutzbare Informationen über bisher unentdeckte Zuckerrüben-Gene abzuleiten.
Mit 730 Millionen Basenpaaren ist das Zuckerrüben-Genom zwar deutlich kleiner und handlicher als etwa das Weizen-Genom mit seinen 17 Milliarden Basenpaaren. Dennoch stießen die Forscher auf ähnliche Probleme wie sie ihre Kollegen bei der Getreideart kennen. „In Pflanzengenomen gibt es häufig repetitive Abschnitte, sie bestehen aus sich immer wieder wiederholenden DNA-Bausteinen“, so Weisshaar. Die sich wiederholenden Genomstücke erschweren die korrekte Erfassung der Genomsequenz durch mathematische Algorithmen.
Neue Sequenziertechnik beflügelt Entschlüsselung
Moderne molekularbiologische Werkzeuge und smarte Bioinformatik-Software halfen schließlich dabei, das Genom auch nach komplexen Genen abzusuchen und die genetische Karte so zu verfeinern. Der Clou: Das Team um Himmelbauer erstellte Abschriften von aktiv abgelesenen Genen im Rübenerbgut (sogenannte complementary DNAs oder kurz cDNAs). Mit Hilfe neuester Sequenziertechniken wurden besonders lange und vollständige Sequenz-Daten dieser cDNAs erstellt. In einem zweiten Schritt nutzten die Pflanzenforscher die so erhaltenen Informationen, um die Genkopien im Erbgut exakt zu verorten.
Resistenzgene sichtbar gemacht und verfeinert
„So konnten wir zum Beispiel zahlreiche Gene festmachen, die etwas mit Resistenzen zu tun haben könnten“, berichtet der Pflanzengenetiker. Darüber hinaus seien diese Gene auch auf ihre sogenannte evolutionäre Abstammung untersucht worden, um herauszufinden, wie sich die Zuckerrübe zu den anderen Blütenpflanzen verhält. Und kürzlich fanden die Forscher mithilfe der Gen-Informationen in einer wilden Verwandten der Zuckerrübe ein wichtiges Resistenzgen.
Aber nicht nur das. „Wir haben nicht nur die Referenzsequenz verfeinert, sondern auch vier weitere Genotypen grob sequenziert und dann auf die Referenzsequenz abgebildet“, resümiert Weisshaar. Der Genetiker sieht damit die Projektziele „weitestgehend erreicht“, dennoch gebe es noch Lücken. „Ich würde die Genomsequenz gern weiter verbessern. Denn sie ist gut, aber noch nicht perfekt“, sagt er.
Genomsequenz für Pflanzenzüchter verfügbar
Fest steht: Die verfeinerten Genomsequenzen der Zuckerrübe sind bereits heute ein wertvoller Werkzeugkasten für die Pflanzenzüchtung. Die Daten sind über öffentliche Datenbanken wie die vom European Bioinformatics Institute (EMBL-EBI) für Forscher und Züchter frei verfügbar.
Autorin: Beatrix Boldt