Mehr Zucker in die Rübe

Mehr Zucker in die Rübe

Wie kommt eigentlich der Zucker in die Rübe? Mit dieser Frage haben sich Wissenschaftler aus Forschung und Industrie beschäftigt, um den Ertrag von Zuckerrüben steigern.

Erntereife Zuckerrüben auf einem Feld - die großen zuckerspeichernden Rüben sind deutlich zu erkennen.

Die Zuckerrübe ist eine der jüngsten Neuzugänge auf den Äckern der gemäßigten Breiten. Erst im 18. Jahrhundert war es deutschen Pflanzenzüchtern gelungen, den Zuckergehalt der Runkelrübe mehr als zu verdoppeln. Das war die Basis für die industrielle Zuckerproduktion. Heute stammt etwa ein Drittel des weltweit konsumierten Zuckers aus der Zuckerrübe (Beta vulgaris), rund 25 Mrd. Euro werden jährlich damit erwirtschaftet. Außerdem werden die Rüben auch in der Herstellung von Bioenergie verwendet, beispielsweise für Bioethanol.

Der namensgebende Zucker in den Zuckerrüben wird durch Photosynthese in jeder Zuckerrübenpflanze von Grund auf neu synthetisiert. Bei einer modernen, erntereifen Pflanze macht der gespeicherte Zucker dann etwa 18% des Frischgewichts der Pflanze aus.

Dabei sammelt sich der Zucker in Zellhohlräumen der Rübe an, den sogenannten Sammel-Vakuolen. Allerdings war bis vor Kurzem noch nicht bekannt, wie der Zucker überhaupt in diese Vakuolen gelangt.

Dem Zucker-Transporter auf der Spur

Wie der Zuckertransport in der Rübe genau funktioniert, stand im Fokus eines deutschlandweiten Verbundprojekts unter der Leitung des Pflanzenbiochemikers Ulf-Ingo Flügge von der Universität zu Köln. An dem Projekt „Betamorphosis“ waren außerdem die Universitäten Erlangen, Kaiserslautern und Würzburg sowie von Industrieseite die Südzucker AG und die KWS Saat AG beteiligt. Das Verbundprojekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen von „Plant 2030“ über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren mit insgesamt knapp 1,9 Mio. Euro gefördert. Das Ziel: den Ertrag und Zuckergehalt der Rübe erhöhen.

„Im Prinzip dreht sich alles um Source-Sink-Beziehungen“, bringt Flügge das Projekt auf den Punkt. In den Photosynthese-Organen der Pflanze, den Blättern, wird die Saccharose hergestellt. Die Pflanzenforscher sprechen daher von „Source“ (Quelle). Von den Blättern aus gelangt das Photosyntheseprodukt Zucker dann über die Leitgefäße in das Speichergewebe der Pflanze. Bei der Zuckerrübe handelt es sich hierbei um die Pfahlwurzel, bzw. die Rübe, die auch als „Sink“-Gewebe bezeichnet wird.

In ihren Bemühungen, den Zuckerertrag der Rüben durch herkömmliche Züchtung weiter zu steigern, gerieten die Züchter an ihre Grenzen. Unklar war jedoch, woran es lag: Kann in den Blättern nicht mehr produziert werden, oder sind die Speicherkapazitäten in der Rübe ausgereizt? „Bei der Kartoffel haben wir zuvor zeigen können, dass über eine Erhöhung der Sink-Kapazität der Stärkeertrag beträchtlich erhöht werden kann. Das haben wir durch eine Überexpression zweier Transporter am Ort der Stärkeproduktion in der Knolle erreicht“, so Flügge.

Die Entwicklung junger Zuckerrüben sowie deren Zuckereinlagerungen werden unter Laborbedingungen genau verfolgt.

Kandidatensuche in der Vakuolenmembran der Zuckerrübe

Im Betamorphosis-Projekt sollte zunächst der für den Eintransport der Saccharose verantwortliche Transporter der Vakuolenmembran auf molekularer Ebene identifiziert werden. Anschließend sollte seine Aktivität erhöht werden, um so eine mögliche Ertragssteigerung für den Markt zu erzielen. „Dieser spezielle Saccharose-Transporter wurde schon seit über 20 Jahren gesucht, aber noch nie identifiziert. Meist wurden biochemische Ansätze verfolgt –  allerdings erfolglos. Unser neuer Ansatz hat hier letztlich zum Erfolg geführt“, sagt Flügge. Dem Transporter kamen die Forscher auf die Spur, in dem sie die Protein-Zusammensetzung der Vakuole, dem zuckerspeichernden Membranbläschen, genau analysierten. Es wurden dazu sowohl von jungen, als auch von älteren Pflanzen Proben genommen. Die Daten aus den Proteinanalysen wurden dann mit dem Alter und der gestiegenen Saccharoseaufnahme korreliert. So war es möglich, die Anzahl der relevanten Transporterproteine einzugrenzen.

Die Proteomik-Analysen steuerte das Team um Ekkehard Neuhaus von der Technischen Universität Kaiserslautern bei. Die Elektrophysiologie des Transporterproteins wiederum wurde von Würzburger Pflanzenforschern um Rainer Hedrich vermessen. Neben der Entdeckung des Saccharose-Transporters haben die Wissenschaftler im Rahmen des Verbundprojektes außerdem untersucht, wann genau in der Entwicklung der Zuckerrübe wie viel Zucker eingelagert wird. Tatsächlich gelang es so den Forschern, den speziellen Transporter zu identifizieren, der für die Einlagerung von Zucker in die Vakuolen verantwortlich ist. Die Ergebnisse rund um den Transporter namens BvTST2.1 wurden im Fachjournal „Nature Plants“ veröffentlicht.

Gentechnische Methoden

Durch den Fund des Transporters könnten in Zukunft die Erträge aus Zuckerrüben und anderen zuckerspeichernden Pflanzen möglicherweise erhöht werden. Allerdings ist eine industrielle Anwendung in Deutschland und der EU momentan nicht möglich, da die Ertragssteigerung auf einem gentechnischen Ansatz basiert.

Mit der neuen Genschere CRISPR-Cas und einem Genome-Editing-Ansatz wäre eine zielgerichtete Modifikation des Saccharose-Transporters der Zuckerrübe und eine damit einhergehende Ertragssteigerung zwar auch ohne einen transgenen Ansatz möglich. Doch ist derzeit noch unklar, ob solche Pflanzen unter das europäische Gentechnikrecht fallen. 2018 will der Europäische Gerichtshof hierzu ein Urteil fällen. Flügge hofft auf eine Entscheidung, die zumindest den Einsatz von CRISPR-Cas für eine zielorientierte und zügige Pflanzenzüchtung zulässt.

In einem Folgeprojekt, das von Ekkehard Neuhaus an der TU Kaiserslautern koordiniert und ebenfalls vom BMBF gefördert wird, versuchen die Forscher die Zuckerrübe über Genome-Editing-Ansätze frosttolerant zu machen, und dadurch die Anbausaison zu verlängern. „Zuckerrüben sind normalerweise ziemlich kälteempfindlich“, so Flügge. „Wenn wir die Samen aber schon im Herbst des Vorjahres ausbringen könnten, bekämen wir eine längere Anzuchtsaison, und dadurch einen möglicherweise erhöhten Ernteertrag am Ende der Saison.“

Autorin: Judith Reichel