Doppelt so effektiv zu resistenteren Rebsorten

Doppelt so effektiv zu resistenteren Rebsorten

Im Projekt SelWineQ suchen Weinbau-Forschende in Rebsorten nach genetischen Markern, um per Blattanalyse die Qualität des späteren Weines vorherzusagen und die Züchtung zu beschleunigen.

Trauben an einem Rebstock, mit Schäden an Blättern und Früchten
Schäden durch Falschen Mehltau an Sauvignon blanc

Die Hintergründe des Forschungsprojekts SelWineQ reichen zurück bis zur Besiedelung Nordamerikas durch die Europäer: Seinerzeit brachten zurückkehrende Auswanderer ungewollt den Echten und den Falschen Mehltau nach Europa. Seitdem setzen diese Pilzkrankheiten unter anderem den heimischen Weinreben zu, denn anders als ihre amerikanischen Verwandten, die sich über Millionen Jahre der Evolution an die Erreger anpassen konnten, besitzen europäische Reben praktisch keine natürlichen Resistenzen gegen den Pilz aus Übersee. Um das Jahr 1870 zerstörte die Krankheit gut 70 % des französischen Weinbaus. Seitdem versuchen Züchter, Resistenzen der amerikanischen Reben in europäische Weinreben einzukreuzen.

„Man kann nicht einfach die Reben aus den USA bei uns anbauen“, sagt Ulrich Fischer vom Institut für Weinbau und Oenologie am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz, der das Forschungsprojekt koordiniert. „Gute Weine – und auch weiße Trauben – sind das Ergebnis von 3.000 Jahren Kulturarbeit und Selektion in Europa. Das gab es in diesem Zeitraum nicht in Nordamerika.“

EU will 50 Prozent der Pflanzenschutzmittel einsparen

Weinbauern können aber auch nicht weiter massiv auf Pflanzenschutzmittel setzen, um den Ertrag der europäischen Reben zu sichern: „Die Landwirtschaft soll schonender und nachhaltiger arbeiten“, betont Fischer. „Teil des Green Deals der EU ist es, 50 % Pflanzenschutzmittel einzusparen.“ Dazu müssten vermehrt teilresistente Kulturpflanzen angepflanzt werden.

Seit rund 60 bis 70 Jahren gibt es in Deutschland die Resistenzzüchtung im Weinbau. „Aber die Weinqualität der alten Züchtungen ist recht bescheiden“, weist Fischer auf ein zentrales Problem hin. Außerdem sind diese Sorten oft weit vom Resistenzziel entfernt: Für jede relevante Erkrankung sollte eine Rebe idealerweise mindestens drei unterschiedliche Resistenzgene aufweisen. „Wenn dann eine Resistenz bricht, weil der Erreger sich anpasst, käme der zweite, zur Not der dritte Resistenzmechanismus zum Einsatz“, erklärt der Oenologe. PIWIs – pilzwiderstandsfähig – heißen diese Kreuzungen aus Wildsorten mit Resistenzeigenschaften und anfälligen Qualitätsreben. Gegenwärtig besitzen PIWIs für manche Erreger einen, für andere immerhin schon zwei Resistenzmechanismen. „Wir haben also noch viel Arbeit vor uns“, sagt Fischer.

Zwölf Jahre, bis klar ist, ob eine Rebsorte etwas taugt

Das wäre vielleicht alles nur halb so wild, wäre Wein eine einjährige Pflanze wie die meisten Getreidesorten. Dann ließe sich das Züchtungsergebnis nach wenigen Monaten an der Qualität der Körner ablesen. Doch eine neue Weinkreuzung muss fünf Jahre wachsen, bis aus ihren Trauben überhaupt der erste Liter Wein erzeugt werden kann. Bewährt diese Probe sich, kann die Kreuzung in größerem Maßstab angebaut werden. Auch diese Pflanzen müssen zunächst fünf Jahre wachsen. Um also zwei, drei Jahrgänge Wein zu haben, die auf unterschiedlichem Boden und bei unterschiedlichem Wetter gewachsen sind, dauert es von der ersten Kreuzungsidee mindestens zwölf Jahre. „Dann erst kann man sagen: Das ist ein guter Wein, den können wir empfehlen, pflanzt diese Rebsorte“, resümiert Fischer.

An diesem Punkt setzt das Projekt SelWineQ an, das bereits in der dritten Förderphase läuft, sieben Jahre hinter sich und zwei noch vor sich hat. „Wir wollen die Zeit von der Züchtung bis zum Anbau halbieren“, sagt der Projektkoordinator. „Wenn ich jede Kreuzung zwölf Jahre im Programm haben muss, bevor ich sagen kann, das ist ein guter Wein, limitiere ich die Feldkapazität.“ Könnte man jedoch schon im ersten Jahr erkennen, ob sie überhaupt das Potenzial hat, später guten Wein zu produzieren, könnte man die schlechte Hälfte der Kreuzungen direkt aussortieren und hätte die halbe Anbaufläche wieder frei für neue Kreuzungsexperimente.

Was sind genetische Kriterien für eine gute Rebe?

„Wir wollen bereits an einer zwei Zentimeter großen Pflanze anhand von genetischen Markern ablesen, ob sie die genetischen Voraussetzungen für eine gute oder eine schwache Qualität ausweist“, sagt Fischer und ist sich bewusst, wie ehrgeizig das Unterfangen ist. Das liegt weniger an der Technik, denn auf die gleiche Weise prüfen Züchter schon heute, ob etwa die Resistenzgene erfolgreich in eine neue Kreuzung übertragen wurden. Die Herausforderung für SelWineQ liegt viel mehr in der Frage: Was macht genetisch einen guten Wein aus?

Dazu arbeiten die Forschenden auf drei Ebenen. Zum einen betrachten sie die Gene, die bestimmte Aromastoffe erzeugen. „Wir kennen die Aromastoffe für blumig, fruchtig oder exotisch“, sagt der Forscher. „Darunter gibt es auch negative Aromanoten wie etwa unreife, grüne Paprika, oder Akazie, mit deren Duft manchmal Klosteine aromatisiert werden.“

Projektüberblick

Das Projekt SelWineQ („Prädikative Züchtung auf Weinqualität“) begann 2016. Die dritte Förderphase läuft von Februar 2023 bis Januar 2026. Das Bundesforschungsministerium stellt für diesen Abschnitt rund 1,65 Mio. Euro zur Verfügung.

Beteiligt sind am Projekt:

  • Das JKI Sibeldingen, das die Züchtungen durchführt und die Reben vermehrt und auspflanzt. Außerdem analysiert das JKI die Inhaltsstoffe der Reben und Trauben und erzeugt die jährlich 200 kleinen Weinpartien. Nicht zuletzt korrelieren die Forschenden Sensorikbeschreibungen mit Genomabschnitten.
  • Das DLR Rheinpfalz erstellt die Weinsensorik und verkostet jährlich mit zwölf Personen 300 Weine – auch die schlechten. Die Forschenden analysieren die Aromastoffe und erstellen die Modelle, um aus sensorischen Daten die Weinqualität vorherzusagen.
  • Das Institut Heidger, ein privates Weinlabor, analysiert die Stoffwechselprodukte der Weinpflanzen. Aus über 6000 Signalen haben die Forschenden rund 20 identifiziert, die für das Prognosemodell hilfreich sind. Das Institut erarbeitet außerdem, welche stofflichen Ursachen das jeweilige Signal hat, damit das Modell am Ende keine Blackbox bleibt.

Auf der zweiten Ebene verkosten 15 Prüfpersonen die Weine. Dabei werden sie nicht gefragt, ob ihnen der Wein gefällt oder nicht. „Da variiert jeder Mensch“, weiß Fischer. Stattdessen bewerten die Prüfpersonen anhand einer Skala Kriterien wie Fruchtigkeit, bitteren oder sauren Geschmack. Damit das einheitlich erfolgt, werden die Testpersonen gewissermaßen kalibriert: Sie erhalten Standardflüssigkeiten, die ihnen Orientierung geben, was eine 1, 5 oder 10 etwa auf der Säureskala bedeuten soll.

Die dritte Ebene erfolgte außerhalb des Forschungsprojekts. Hier sagen Konsumentinnen und Konsumenten, welche Weine ihnen gefallen. Dabei zeigte sich, dass PIWIs genauso gut und manchmal auch besser ankommen als etwa Riesling, Sauvignon Blanc oder Muskateller. „Wir haben über sieben Jahrgänge Weine aus demselben Feld gemacht“, schildert Fischer. Schließlich suchten die Forschenden nicht nach Zufallstreffern, sondern nach Weinen mit stabiler Qualitätsbewertung. Die Grundlage bildete dabei das Bewertungsschema der Internationalen Organisation für Rebe und Wein OIV.

Merkmale sollen unabhängig von Klima und Boden sein

Der Aufbau des Versuchsanbaus ist dabei weltweit wohl einzigartig. Auf zwei Feldern – in der Südpfalz und an der Pfälzer Mittelhaardt – wachsen jeweils fünf Reben der Elternpflanzen und fünf Reben von 150 „Kindern“ dieser Eltern. Dadurch erfahren die Reben unterschiedliche Wetterbedingungen und Böden. Schließlich sollen die Ergebnisse des Projekts zu Züchtungen führen, die nicht nur auf einem Weinberg in der Pfalz, sondern auch in Frankreich oder Italien funktionieren. Ein drittes Feld dient dazu, gefundene Zusammenhänge noch einmal unter anderen Bedingungen zu validieren.

Raum mit Einzelkabinen, in denen Menschen Wein prüfen
Sensorische Prüfung der neuen Weine

Erweisen sich einige Kreuzungen über die Jahre stabil als besonders gute, und andere stabil als besonders schlechte Reben, geht es für die Forschenden an die Genomarbeit. Welche Genomabschnitte haben die guten Reben gemeinsam, welche die schlechten? Wo unterscheiden sich gute und schlechte Weine? „Uns ist es gelungen, entsprechende Marker zu finden“, berichtet Fischer. Gute Weine haben demnach nicht nur andere Aromastoffe, sondern diese auch in anderen Konzentrationen. Damit lassen sich zwar nicht Silber- oder Gold-Weine prognostizieren, aber es lässt sich die bessere von der schlechteren Hälfte trennen. Sehr detaillierte genetische Karten der 19 Chromosomen jeder Kreuzung erleichtern es zudem, später mit dem Material züchterisch zu arbeiten, um weitere Resistenzen einzukreuzen.

Gute Weine an ihren Metaboliten erkennen

Maschinelles Lernen und statistische Modelle sollen zudem anhand der Metabolitkomposition eines Weins dessen Qualität vorhersagen und so den sensorischen Test durch Verkostungen einsparen und biochemische Einblicke liefern. „Unsere Modelle sind so gut, dass sie bei 60 Weinen, die mit Worst- und Best-Case klassifiziert werden sollen, bis auf zwei alle korrekt klassifizieren“, berichtet Fischer. Das gelte selbst für neue Weine, mit denen das Modell nicht trainiert worden sei.

Im weiteren Verlauf des Projekts wollen die Forschenden noch herausfinden, welche Enzyme und Prozesse etwa mit den Markergenen zusammenhängen. „Aber das ist mehr was für die Wissenschaft als für die Produktion“, sagt Fischer.

Valide Marker für gute Rotweine identifiziert

„Wir überschreiten im Projekt viele Systemgrenzen“, betont der Koordinator. Damit meint er den weiten Weg von genetischen Markern bis zum zufriedenstellenden Weingenuss. „Ein Wein für 300 Euro und einer für 3 Euro kann exakt das gleiche Zuckergewicht haben oder als Rebe den gleichen Ertrag erbringen.“ Im Erbgut einer Pflanze dennoch Merkmale zu identifizieren, anhand derer ein guter Wein beschrieben werden kann, war ein gewagtes Ziel. „Wir sind entsprechend stolz, valide und stabile Marker gefunden zu haben“, freut sich Fischer. Zwar beziehe sich die Arbeit zunächst nur auf Weißweine, „aber wir haben die Blaupause auch für Rotweine geliefert“.

Autor: Björn Lohmann