„Wissen und Dialog verbessern die Akzeptanz von Innovationen“

„Wissen und Dialog verbessern die Akzeptanz von Innovationen“

Doris Fuchs

Beruf:
promovierte Politikwissenschaftlerin
Position:
Professorin für Internationale Beziehungen und Nachhaltige Entwicklung, Westfälische Wilhelms-Universität Münster und Sprecherin des Zentrums für Interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung

 

Doris Fuchs
Vorname
Doris
Nachname
Fuchs

Beruf:
promovierte Politikwissenschaftlerin
Position:
Professorin für Internationale Beziehungen und Nachhaltige Entwicklung, Westfälische Wilhelms-Universität Münster und Sprecherin des Zentrums für Interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung

 

Doris Fuchs

Ein Team um die Münsteraner Politikwissenschaftlerin Doris Fuchs hat untersucht, wie Beteiligungsprozesse gestaltet werden müssen, damit bioökonomische Innovationen genutzt und gesellschaftlich akzeptiert werden.

Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Bioökonomie spielt die Biotechnologie eine zentrale Rolle. Schon heute stecken in vielen Produkten und Verfahren des Alltags biotechnologische Innovationen. Das Portfolio reicht vom Waschmittel über Biosprit bis hin zur Abwasserreinigung. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung werden Neuerungen aus der Biotechnologie mitunter kritisch gesehen. Ein Beispiel ist die Gentechnik. Der Transformationsprozess kann aber nur gelingen, wenn solche Innovationen auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern Akzeptanz finden. Doris Fuchs ist überzeugt: Information und Dialog sind der Schlüssel dazu. Die Politikwissenschaftlerin leitete gemeinsam mit dem Mikrobiologen Bodo Philipp das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt BIOCIVIS. Darin untersuchte eine Team der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, wie der Nutzen solcher bioökonomischer Technologien gesellschaftlich gesichert und gleichzeitig die Beteiligung der Bevölkerung realisiert werden kann.

Frage

Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern am Transformationsprozess ist nicht nur wichtig, sondern ausdrücklich erwünscht. Im Projekt BIOCIVIS haben Sie sich mit diesem Thema beschäftigt. Worum ging es in dem Projekt?

Antwort

Wir gehen davon aus, dass Bioökonomie nicht per se nachhaltig ist, aber unter bestimmten Bedingungen zur Nachhaltigkeitstransformation beitragen kann. Um das Nachhaltigkeitspotenzial der Bioökonomie mit Bürger*innen und Interessensvertreter*innen zu diskutieren, haben wir Beteiligungsprozesse – die sogenannten Biodialoge – organisiert, durchgeführt und evaluiert. Auf der einen Seite wollten wir herausfinden, wie entsprechende Partizipationsformate zu technisch komplexen, bioökonomischen Themen gestaltet werden können. Auf der anderen Seite wollten wir untersuchen, unter welchen Bedingungen Bürger*innen bioökonomische, beziehungsweise spezifisch biotechnologische Prozesse als nachhaltig bewerten. Aus den Analyseergebnissen haben wir Handlungsempfehlungen erarbeitet, um auf die Relevanz von Beteiligungsverfahren zur Bioökonomie hinzuweisen und gleichzeitig Hinweise zur praktischen Gestaltung von Bürger*innendialogen zu geben.

Frage

Wie müssen Beteiligungsprozesse gestaltet werden, damit sie erfolgreich sind? Welche Erkenntnisse liefert das Projekt?

Antwort

Zunächst muss das Interesse von Bürgerinnen und Bürgern am Thema geweckt werden, um sie zur Teilnahme am Beteiligungsverfahren zu motivieren, was besonders bei komplexen Themen wie der Bioökonomie herausfordernd ist. Gleichzeitig ist es wichtig, Beteiligungsverfahren hinsichtlich der Teilnehmenden möglichst inklusiv und divers zu gestalten, wozu etwa der Abbau von Beteiligungshürden über finanzielle Kompensation, die Übernahme von Reise- und Unterbringungskosten, Betreuungsangebote für Kinder sowie attraktive Rahmenbedingungen beitragen können. Um allen Teilnehmenden Diskussionen auf Augenhöhe zu ermöglichen, muss eine gemeinsame, fundierten Wissensbasis geschaffen werden. Somit kommt der Informationsvermittlung eine besondere Rolle zu, wobei die Inhalte zugänglich, also alltagsnah und leicht verständlich sein und gleichzeitig vielfältige Perspektiven abbilden müssen. Hier hat sich ein Methodenmix bewährt, wie Kurzvorträge, (Klein-)Gruppenarbeiten, Fragerunden mit Expertinnen und Experten, spielerische Elemente wie Memories oder eine Ausstellung bioökonomischer Alltagsprodukte. Darüber hinaus ist es wichtig, dass sich Bürgerinnen und Bürger mit anderen Stakeholdern austauschen können, aber auch eigene Diskussionsräume erhalten. Schließlich ist für den Erfolg von Beteiligungsprojekten Transparenz über den Umgang mit ihren Ergebnissen, beziehungsweise idealerweise deren direkte Einbindung in politische Prozesse notwendig, damit Bürgerinnen und Bürger nicht den Eindruck einer Alibibeteiligung erhalten und sich aus entsprechendem Engagement zurückziehen.

Frage

Warum haben Sie sich im Projekt explizit mit partizipativen Formaten für Verfahren der mikrobiellen Biotechnologie befasst?

Antwort

Das Projekt steht für einen interdisziplinären Forschungsansatz und wurde von Anfang an als gemeinsames Projekt von Politikwissenschaften und Biotechnologie konzipiert. Die mikrobielle Biotechnologie ist ein wichtiger Aspekt der Bioökonomie und bietet darüber hinaus als sehr vielfältige Technologie auch viel Diskussionsmaterial. Von der Produktion von Biogas, über die Abwasserreinigung bis hin zur Produktion biobasierter Kunststoffe, Aromen oder Medikamente – alle diese bioökonomischen Prozesse wären ohne Mikroorganismen nicht möglich. Diese Rolle der mikrobiellen Biotechnologie ist in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannt und Bürgerinnen und Bürger sollten nachvollziehen und diskutieren können, inwiefern die Biotechnologie als Aspekt der Bioökonomie zur Nachhaltigkeitstransformation beitragen kann. Zusätzlich ist der Einsatz von Gentechnik, etwa für die Herstellung von Impfstoffen oder im Zusammenhang mit der Entwicklung bio-abbaubarer Kunststoffe, Hintergrund für gesellschaftliche Kontroversen, die im Rahmen unserer Biodialoge ebenfalls aufgegriffen wurden.

Frage

Welche Formate wurden entwickelt, um die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber biotechnologischen Innovationen wie der Gentechnik zu verbessern und welche Erfahrungen nehmen Sie aus dem Diskurs mit?

Antwort

Es hat sich gezeigt, dass die technisch und inhaltlich anspruchsvollen Themen Bioökonomie und mikrobielle Biotechnologie bevorzugt in Präsenzformaten diskutiert werden sollten, da hier auf eine größere Bandbreite an Methoden für die Wissensvermittlung und beim Austausch zwischen Bürgerinnen und Bürgern zurückgegriffen werden kann. Im Rahmen der Informationsvermittlung sind Alltagsbezüge für das Verständnis des Themas ebenso wichtig wie der Austausch mit Expertinnen und Experten sowie eine ausgewogene Darstellung wie etwa der Vor- und Nachteile einer Technologie. In unseren Biodialogen ging es jedoch nicht darum, Akzeptanz für biotechnologische Innovationen herzustellen; stattdessen wollten wir den Teilnehmenden die Möglichkeit bieten, miteinander zu diskutieren und dabei auch ihre Bedenken etwa gegenüber Gentechnik zum Ausdruck zu bringen. Es zeigte sich, dass die Elemente Wissen und Dialog zu einer größeren Akzeptanz, aber auch einer differenzierten und mitunter kritischen Bewertung von Biotechnologie führten. Insgesamt waren die Bürgerinnen und Bürger offen, interessiert, lernbereit und durchaus positiv gegenüber Technologien eingestellt, wie beispielsweise der Erzeugung von Biogas aus organischen Abfällen.

Frage

Ein Schwerpunkt Ihrer Forschungsarbeit ist auch das Thema nachhaltiger Konsum.
Lässt sich nachhaltiger Konsum mit einem „guten Leben“ aus heutiger Sicht überhaupt vereinbaren?

Antwort

Nachhaltigkeit und ein „gutes Leben“ müssen kein Nullsummenspiel sein, im Gegenteil. Ein gutes Leben ist die Voraussetzung für einen Konsum, den ich nachhaltig nenne. Natürlich müssen wir uns an Maximalgrenzen der Ressourcenausstattung orientieren – wann konsumieren wir zu viel – doch der Maßstab, um diese Grenzen festzulegen, sollte sich nicht ausschließlich am CO2-Budget orientieren. Wir müssen uns fragen: wann bedrohen Konsumpraktiken die Chancen anderer, ein selbstbestimmtes, gutes Leben zu führen? Doch dafür müssen wir uns zunächst darüber austauschen, was wir eigentlich mit einem „guten Leben“ meinen. Etwa, welche Bedürfnisse sind so zentral, dass wir sie allen Menschen garantieren sollten oder welche Wünsche beschneiden wiederum die Bedürfnisse anderer? Anhand dieser Fragen wird ebenso deutlich, dass wir auch festlegen müssen, was wir allen Menschen zugestehen müssen, um ihnen die Verwirklichung eines „guten Lebens“ zu ermöglichen. Ein Konsum, der sich in diesem Korridor aus Minimal- und Maximalgrenzen bewegt, ist folglich ein nachhaltiger Konsum, weil er die Bedürfnisse heutiger und zukünftiger Generationen schützt und es allen Menschen ermöglicht, sich innerhalb dieser Grenzen frei und selbstbestimmt zu entfalten. Dieser Prozess ist alles andere als leicht. Doch ohne den politischen Versuch, den gesellschaftlichen Konsum in gesicherten Bahnen zu lenken, steuern wir sehenden Auges in noch größere, sich bereits heute abzeichnende Konflikte hinein.

Frage

Was muss aus Ihrer Sicht getan werden, damit notwenige Veränderungen wie die Reduzierung des Fleischkonsums nicht als Verzicht angesehen werden und alternative Lebensmittel wie Fleischersatzprodukte Akzeptanz finden?

Antwort

Nicht-nachhaltiger Fleischkonsum basiert auf globaler und lokaler Macht- und Ressourcenungleichheit. Daher müssen Maßnahmen zur Verringerung des Fleischkonsums wirksame Strategien beinhalten, um diese Rahmenbedingungen zu ändern, anstatt sich nur auf Kampagnen zu verlassen, die versuchen, einzelne Verbraucherinnen und Verbraucher von einer Änderung ihrer Ernährungsgewohnheiten zu überzeugen. Unlängst haben Kolleginnen und Kollegen ein Modell entwickelt, wie Fleischkonsum entlang der Idee von Minimal- und Maximalgrenzen nachhaltiger gestaltet werden könnte. Dabei haben sie Umweltfaktoren, Gesundheits- und Ernährungsaspekte sowie die Lebensgrundlage von Bauern und Landwirten miteinkalkuliert und zudem einen Vorschlag unterbreitet, welche Akteure an der Formulierung solcher Grenzen beteiligt werden müssten, um einen fairen und demokratisch legitimen Prozess zu gewährleisten. Hier zeigte sich, dass bei der Transformation des Konsums das Gesamtsystem stehts mitgedacht werden muss. Ein solcher Prozess ist wesentlich umfangreicher, zeitaufwendiger und kostenintensiver als Kampagnen zur Ansprache von individuellen Konsumentinnen und Konsumenten. Auch hinsichtlich des Fleischkonsums können uns Konsumkorridore helfen, politische und vor allem demokratischere Transformationspfade hin zu einem substanziell nachhaltigeren Konsum zu finden.

Interview: Beatrix Boldt