Agri-Photovoltaik – Strom und Obst ernten

Eine Agri-Photovoltaik-Anlage in einer Apfelplantage

Text: Klara Harres

Auf landwirtschaftlichen Flächen Nahrungsmittel produzieren und gleichzeitig Strom erzeugen – dieses Konzept steckt hinter dem Begriff Agri-Photovoltaik. Das Dossier beleuchtet, welches Potenzial Agri-PV für den Klimaschutz und die Bioökonomie hat und welche Ansätze hierzulande erforscht und erprobt werden.

Was ist Agri-Photovoltaik?

Agri-Photovoltaik, kurz Agri-PV, bezeichnet eine Technologie zur kombinierten Nutzung landwirtschaftlicher Flächen und Stromerzeugung durch Photovoltaik. Dadurch wird eine landwirtschaftliche Fläche doppelt genutzt und eine Flächenkonkurrenz zwischen Nahrungs- und Energieerzeugung vermindert.

Hintergrund und Treiber der Technologie

Deutschland will bis 2045 klimaneutral wirtschaften. Dafür soll der Stromsektor bereits bis 2035 weitgehend ohne Treibhausgas-Emissionen arbeiten. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Ausbau erneuerbarer Energien schnell vorangetrieben werden. Auch die Solarenergie trägt einen wichtigen Teil dazu bei, die Klimaschutzziele zu erreichen. Für ein klimaneutrales Energiesystem bis 2045 muss, nach Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE, die Photovoltaik-Kapazität um den Faktor 6 bis 8 erhöht werden.

Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung weiter, was den Bedarf an Nahrungsmitteln steigen lässt und somit auch den Bedarf an Fläche. Der Ausbau von PV-Freiflächenanlagen beansprucht ebenfalls Flächen, was zu einer zunehmenden Konkurrenz um verfügbaren Boden führen kann. Zudem bereiten Wetterextreme und Wasserknappheit der Landwirtschaft schon heute große Probleme.

Photovoltaikanlagen im Vordergrund, rechts die Äste eines Baumes. Im Hintergrund ein gelbes Rapsfeld und eine Industrie mit qualmenden Schornsteinen.
Agri-PV Forschungsanlage in Morschenich-Alt im Rheinischen Revier

Anwendung in der Bioökonomie

In der Bioökonomie spielen nachhaltige Energiegewinnung und effiziente Nutzung biologischer Ressourcen eine zentrale Rolle. Agri-PV vereint diese beiden Aspekte auf innovative Weise und fördert so eine nachhaltigere Landwirtschaft. Wichtige Aspekte dazu hat der Bioökonomierat der Bundesregierung in einem Hintergrundpapier aus dem Jahr 2022 zusammengefasst.

Durch die doppelte Nutzung von Flächen für Landwirtschaft und Energieproduktion kann Agri-PV die Konkurrenz um Flächen verringern, die sogenannte Landnutzungseffizienz wird enorm gesteigert. Dies ist besonders in Regionen mit begrenzten Anbauflächen von großer Bedeutung. Aus Sicht der Stromproduktion ist die Doppelnutzung der landwirtschaftlichen Fläche mit Agri-PV außerdem deutlich effizienter als der Anbau von Energiepflanzen. So kann beispielsweise 32-mal mehr Strom pro Hektar mit Agri-PV gewonnen werden als mit Energiemais. Der Energiepflanzenanbau beansprucht in Deutschland 13% der landwirtschaftlichen Flächen.

Darüber hinaus kann Agri-PV die Resilienz landwirtschaftlicher Betriebe gegenüber den Folgen des Klimawandels erhöhen. Die Module schützen Pflanzen und Boden vor Extremwettereignissen und starker Sonneneinstrahlung. Mehr Informationen zu den Vorteilen von Agri-PV für die Landwirtschaft sind in Kapitel 3 zu finden.

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Agri-PV: Verschiedene Ansätze im Überblick

Die technischen Ansätze zur Integration der Agri-PV in die Landwirtschaft sind vielfältig. Grob unterschieden wird zwischen geschlossenen und offenen Systemen.

Geschlossene Systeme sind im Wesentlichen Gewächshäuser, die mit PV-Modulen ausgestattet werden. Da diese nicht im engeren Sinn zu Agri-PV gezählt werden, fokussiert das Themendossier auf offene Systeme.

Offene Agri-PV-Anlagen werden bodennah und hoch aufgeständert gegliedert. Bodennahe Anlagen ermöglichen die landwirtschaftliche Bewirtschaftung zwischen den Modulen, sind in der Regel kostengünstiger und beeinträchtigen das Landschaftsbild weniger stark. Im Gegensatz dazu sind hoch aufgeständerte Anlagen auffälliger, nutzen die Landfläche jedoch effizienter und können Pflanzenkulturen Schutz vor negativen Umwelteinflüssen bieten. Die landwirtschaftliche Nutzung findet unter den Modulen statt.

Es gibt auch Anlagen mit ein- oder zweiachsigen Nachführsystemen. Damit kann die Ausrichtung der Module am Stand der Sonne ausgerichtet und folglich ein höherer Stromertrag erzielt werden. Die Wahl der Technologie und Bauform muss den standortspezifischen Anforderungen und der Bepflanzung angepasst werden. 

Verschiedene Anlagenkonstruktionen im Überblick
Abbildung verschiedener Agri-PV-Anlagenkonstruktionen. A: hoch aufgeständerte, bewegliche Module; B: bodennahe Aufständerung; C: bodennahe Aufständerung, senkrechte und horizontal bewegliche Module.

Pflanzenauswahl: Sonderkulturen mit großem Potenzial

Im Prinzip können alle Kulturpflanzen unter Agri-PV angebaut und geerntet werden, allerdings variieren die Auswirkungen auf den Ertrag. Besonders geeignet sind schattenverträgliche Pflanzen wie

  •     Blattgemüse,
  •     Futterpflanzen,
  •     verschiedene Obst- und Beerensorten sowie
  •     spezialisierte Kulturen wie Bärlauch, Spargel und Hopfen.

Agri-PV bietet besonders bei Sonderkulturen aus dem Wein-, Obst- und Gemüsebau ein großes Potenzial für Synergieeffekte. Diese Kulturen, die oft eine hohe Wertschöpfung pro Fläche haben und zudem sehr empfindlich sind, benötigen einen hohen Schutz. Im Weinbau zum Beispiel wirkt sich die Teilbeschattung positiv auf das Wachstum und die Qualität der Beeren aus und verhindert vorzeitiges Reifen. Außerdem kann die Unterkonstruktion als Rankhilfe genutzt werden und kostspielige Schutzsysteme ersetzen.

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts APV-RESOLA in Heggelbach (mehr dazu im Kapitel 4) zeigen, dass es in niederschlagsreichen Jahren bei einigen Kulturen (zum Beispiel Kartoffeln, Weizen, Gerste) zu Ertragseinbußen kommen kann. Mais ist aufgrund seines hohen Licht- und Wärmebedarfs nicht geeignet.

Anlagenkonstruktion und Pflanzenwahl gut aufeinander abstimmen

Die Verschattung von Kulturpflanzen durch PV-Module bewirkt ein verändertes Mikroklima auf dem Acker. Das Projekt APV-RESOLA zeigte, dass je nach Standort und Anlagendesign weitere Effekte auftreten können, die das Mikroklima beeinflussen.

Besonders stark verändert sich das Mikroklima, wenn die Aufständerung niedrig ist. An heißen Tagen reduziert sich die Bodentemperatur und in geringerem Maße auch die Lufttemperatur. Dadurch geht in einer Agri-PV-Anlage weniger Bodenwasser verloren. Je heißer und trockener die Witterung, desto stärker steigt tendenziell die Bodenfeuchte. Außerdem kann durch die Ausrichtung und das Design der Anlage die Windgeschwindigkeit verringert oder erhöht werden.

Ein durchdachtes Licht- und Wassermanagement ist entscheidend, um gleichmäßige Erträge zu sichern. Deswegen müssen Anlagenkonstruktion und Sortenauswahl gut aufeinander abgestimmt werden. Die Vielfältigkeit der PV-Module bieten die Möglichkeit, das Lichtangebot spezifisch an die Pflanzen anzupassen. Außerdem sorgen vergrößerte Reihenabstände zwischen den Modulen dafür, dass Pflanzen ausreichend Licht und Niederschlag erhalten.

In Abhängigkeit der Anwendung werden aufgeständerte Anlagen zwei bis fünf Meter über dem Feld installiert. Dabei sollten die Abstände zwischen den Stützen der Unterkonstruktion zur Breite und Höhe der eingesetzten Maschinen passen.

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Potenzial für nachhaltige Energie-Gewinnung und Landwirtschaft

Potenzieller Beitrag für den Energiesektor

Die gesamte elektrische Leistung aller netzgekoppelten Photovoltaikanlagen in Deutschland betrug im Jahr 2023 laut Statista rund 82 GWp. Die Maßeinheit Gigawatt Peak bezeichnet die maximale Leistung von Photovoltaikmodulen unter Standardbedingungen. Um Klimaneutralität nach dem Klimaschutzgesetz zu erreichen, wird jedoch deutlich mehr benötigt. Das Fraunhofer ISE hat einen Bedarf von 300 bis 450 GWp installierter Leistung bis 2045 berechnet.

Unter allen integrierten Photovoltaikanwendungen birgt die Agri-PV besonders große Chancen. Nur rund 4% der deutschen Agrarflächen würden ausreichen, um mit hoch aufgeständerter Agri-PV bilanziell den gesamten aktuellen Strombedarf in Deutschland zu decken. In einer Potenzialabschätzung des Fraunhofer ISE entspricht das in Deutschland rund 1.700 GW.

Klimaresilienz und Wassermanagement

Agri-PV bietet der Landwirtschaft Vorteile, die weit über die reine Stromerzeugung hinausgehen. Durch die innovative Kombination von Solarmodulen und Landwirtschaft können Landwirtinnen und Landwirte die Klimaresilienz in ihren Betrieben stärken und gleichzeitig ihren Ertrag sichern.

Wie bereits erwähnt fungieren insbesondere die aufgeständerten Module der Agri-PV-Anlagen als Schutzschild für Pflanzen. Sie beschatten die Kulturen vor extremer Sonneneinstrahlung und schützen zum Beispiel vor Starkregen und Hagel, die durch den Klimawandel zunehmen. So werden Ertragseinbußen durch Wetterextreme minimiert.

Darüber hinaus trägt die Beschattung zu einem effizienteren Wassermanagement bei. Der Wasserbedarf der Pflanzen sinkt, Verdunstungsprozesse werden reduziert. Regenwasser, das an den Modulen herunterläuft, kann in Sammelsystemen aufgefangen und für die Bewässerung genutzt werden.
Stabile Einkommensquellen und dezentrale Energieversorgung

Außerdem ermöglicht Agri-PV, das Einkommen von Landwirtinnen und Landwirten zu diversifizieren. Der selbst erzeugte Solarstrom kann zum Beispiel für die Weiterverarbeitung und Verpackung landwirtschaftlicher Erzeugnisse direkt auf dem Hof verwendet oder ins Stromnetz eingespeist werden. Das stärkt die finanzielle Unabhängigkeit der Betriebe.

Besonders in sonnenreichen (semi)ariden Regionen der Welt bietet Agri-PV enorme Vorteile. Die Stromgewinnung kann zur Wasseraufbereitung und -versorgung genutzt werden, was der Wüstenbildung und Bodendegradation entgegenwirkt. So kann der Anbau von Kulturen ermöglicht werden, die sonst in diesen Klimazonen nicht angebaut werden können.

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Wissenschaft trifft Praxis: Forschungsprojekte und Demoanlagen

Laut dem Agri-PV-Leitfaden, den das Fraunhofer ISE in Freiburg erstellt hat, wurden in Deutschland bis 2023 mindestens elf Agri-PV-Pilotanlagen in Betrieb genommen. Im Folgenden werden einige öffentlich geförderte Forschungsprojekte und Demonstrationsanlagen vorgestellt.

APV-RESOLA

Die Pilotanlage in Heggelbach am Bodensee, errichtet im Rahmen des BMBF-geförderten Forschungsprojekts Agrophotovoltaik: Beitrag zur ressourceneffizienten Landnutzung, dient als eindrucksvolles Beispiel für das Potenzial der Agri-PV.

Unter der Leitung des Fraunhofer ISE wurde die technische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Tragfähigkeit der Agri-PV erforscht. Zu den Kooperationspartnern gehören die Universität Hohenheim und das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Institut für Technik. Die Anlage, bestehend aus 720 bifazialen Doppelglas-PV-Modulen mit einer Gesamtleistung von 194 kWp, ist in fünf Meter Höhe aufgeständert und bietet ausreichend Raum für den Anbau verschiedener Kulturen wie Winterweizen, Kartoffeln, Sellerie und Kleegras.

Landnutzungsrate

Zur Bewertung der Doppelnutzungseffizienz wird oft die Landnutzungsrate (LNR) verwendet. Diese setzt die kombinierten Erträge einer Agri-PV-Anlage (Strom und Biomasse) in Relation zu den Erträgen, die bei reiner landwirtschaftlicher Nutzung oder Freiflächen-PV erzielt werden. Eine LNR von 1,5 zeigt, dass ein Hektar Agri-PV dieselbe Menge Elektrizität und Ertrag wie 1,5 Hektar reine Landwirtschaft oder PV-Nutzung liefert. Die LNR misst nur die Flächennutzungseffizienz und sagt nichts über die Wirtschaftlichkeit aus.

Bereits im ersten Projektjahr 2017 konnte die Agri-PV-Anlage ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Die Landnutzungsrate stieg um bis zu 160%, während die Ernteerträge unter den Modulen über der kritischen Marke von 80% im Vergleich zur Referenzfläche ohne Photovoltaik (PV)-Module blieben.

Ein weiterer Vorteil der Agri-PV-Technologie offenbarte sich im Hitzesommer 2018. Die Verschattung durch die Module wirkte sich positiv auf die Ernteerträge aus, insbesondere bei Kartoffeln, wo eine Steigerung der Landnutzungseffizienz um 86% erreicht wurde. Die Pflanzen konnten den fehlenden Regen vermutlich durch die zusätzliche Beschattung besser kompensieren. Das Projekt APV-RESOLA wurde im Jahr 2021 erfolgreich abgeschlossen.

Agri-PV Anlage, darunter Feld mit Mähdrescher
APV-RESOLA Pilotanlage in Heggelbach am Bodensee

Innovationslabor Agri Food-Energy-Park (AgriFEe)

Im Rahmen der Modellregion Bioökonomie im Rheinischen Revier wurde unter Federführung des Forschungszentrums Jülich das Innovationslabor Agri Food-Energy-Park (AgriFEe) ins Leben gerufen. Die Demonstrationsanlage in Morschenich-Alt umfasst etwa zwei Hektar, auf denen verschiedene hochwertige Pflanzen wie Beerensträucher sowie Medizinal- und Aromapflanzen unter rund tausend PV-Modulen angepflanzt werden. Die Forschenden wollen unter anderem geeignete Nutzpflanzen für verschiedene PV-Anlagen identifizieren und eine Software entwickeln, die den Abstand zwischen den Modulen für eine optimale Beschattung berechnen kann. Außerdem wird mithilfe einer selbst entwickelten Sonde das Pflanzenwachstum unter PV-Anlagen kontinuierlich erfasst. Zusätzlich werden Regenwasser-Auffangsysteme und intelligente Bewässerungsstrategien entwickelt.

Doppelt ernten
Bildliche Darstellung des Forschungsprojekts AgriFEe

SynAgri-PV

Das Forschungsprojekt „SynAgri-PV: Synergetische Integration der Photovoltaik in die Landwirtschaft als Beitrag zu einer erfolgreichen Energiewende – Vernetzung und Begleitung des Markthochlaufs der Agri-PV in Deutschland“ verfolgt das übergeordnete Ziel, zentrale technische, juristische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für die Etablierung der Agri-PV auf dem deutschen Markt zu beschreiben, zu bewerten und Vorschläge für eine breite Etablierung von Agri-PV zu entwickeln.

Unter Förderung des BMBF und Koordination des Fraunhofer ISE arbeiten neun Partner aus Forschung, Praxis und Industrie gemeinsam an der Entwicklung einer Roadmap für den Einsatz von Agri-PV in Deutschland. Beteiligt sind neben anderen das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) und die Universität Hohenheim.

Im Rahmen dieses Projekts wurden außerdem mehrere Agri-PV-Nutzungskonzepte in das digitale Agrarlandschaftslabor „digi.farming.lab“ eingebaut. Auf der virtuellen Plattform wird das bekannte Computerspiel „Landwirtschaftssimulator“ genutzt, um Forschungsthemen in einer 3D-Welt erlebbar zu machen. Insgesamt wurden vier Best-Practice-Beispiele von Agri-PV-Systemen integriert.

SynAgri
Agri-PV Simulator. Screenshot aus dem „digi.farming.lab“, welches auf dem Computerspiel „Landwirtschaftssimulator 22“ basiert.

APV-Obstbau

Das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderte Projekt „APV-Obstbau“ erforscht Agri-PV im Apfelanbau, um Resilienz zu erhöhen und Land effizient zu nutzen. Die Anlage ersetzt Schutzkonstruktionen wie Hagelschutznetze und nutzt die erzeugte Energie in der Apfelproduktion. Die Anlage in Gelsdorf im Rheinland analysiert das Konzept unter realen Bedingungen und untersucht verschiedene Apfelsorten. Ein Leitfaden für Obstbau-Betriebe wird erarbeitet und die Integration in den Klimaschutzplan geprüft.

VAckerPower

Die Forschungsprojekte „VAckerPower“, gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), und „VAckerBio“, gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), untersuchen vertikale Agri-PV-Systeme im Ackerbau. „VAckerPower“ analysiert hoch aufgeständerte und bodennahe Systeme sowie verschiedene PV-Module hinsichtlich Leistungsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Akzeptanz. Ökobilanzen und Strategien zur Verbesserung der Technologie werden erstellt.

Modellregion Agri-PV BaWü

Baden-Württemberg fördert die Errichtung von fünf Agri-PV-Anlagen im Rahmen des Projekts „Modellregion Agri-PV BaWü“. Die erste Phase konzentriert sich auf Kern- und Beerenobst. Verschiedene PV-Modultypen werden getestet und das Pflanzenwachstum unter den PV-Modulen analysiert. Zusätzlich informiert eine Projektwebseite die Öffentlichkeit und Landwirte über den Prozess der Errichtung einer Agri-PV-Anlage.

Obstbäume mit PV
Agri-PV-Anlage auf dem Obsthof Bernhard im Rahmen des Projekts Modellregion Agri-PV BaWü

VitiVoltaic und VitiCult-PVmobil

Die Hochschule Geisenheim hat in Kooperation mit Sbp Sonne und dem Fraunhofer ISE zwei innovative Typen von Agri-PV-Anlage für Weinreben entwickelt. Seit März 2023 wird in dem Projekt „VitiVoltaic“ eine Agri-PV-Anlage mit beweglichen, semi-transparenten Modulen getestet. In dem Projekt „VitiCult-PVmobil“ wird seit Juni 2024 ein Prototyp einer mobilen, ausfahrbaren Agri-PV-Anlage für Rebenneuanpflanzungen untersucht.

Internationale Forschungsaktivitäten zu Agri-PV

  • Chile: In Chile wurden in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Chile die ersten Agri-PV-Pilotanlagen Lateinamerikas errichtet, deren positive Ergebnisse den Ausbau der Technik weiter vorantreiben. Zudem wurde ein Policy Brief veröffentlicht, der Chancen, Herausforderungen und Politikempfehlungen für Agri-PV in Chile beleuchtet.

  • Brasilien: In Minas Gerais, Brasilien, wurden Agri-PV-Pilotanlagen in einer Region mit semi-aridem Klima und hoher Sonneneinstrahlung errichtet. Ziel ist es, die technische und ökonomische Machbarkeit von Agri-PV im lokalen Kontext zu prüfen.

  • USA: In mehreren Staaten der USA stehen Agri-PV-Anlagen mit Fokus auf Biodiversität. Forschende arbeiten daran, Agri-PV in Kombination mit landwirtschaftlicher Nutzung wirtschaftlich attraktiver zu machen. 

  • Mali und Gambia: Ein internationales Konsortium aus Mali, Gambia und Deutschland erforschte in dem Projekt „APV-MaGa“, inwieweit Agri-PV mit einer integrierten Regenwassergewinnung zu mehr Resilienz in der Landwirtschaft beitragen kann.

  • Türkei: Das Projekt „SusMedHouse“ hat zum Ziel, Gewächshäuser im Mittelmeerraum in ihrer Produktivität, Effizienz und Nachhaltigkeit zu verbessern. Eine Komponente ist auch der Einsatz von Agri-PV zum Schutz der Pflanzen und Erzeugung von Strom. 

Wir danken den Agri-PV-Experten Frederik Schöneberger vom Fraunhofer Chile und Moritz Gajewski vom Fraunhofer ISE für die gute Kommunikation und Bereitstellung von Informationen.

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Auf dem Weg zur Marktreife

Noch steckt der Ausbau der Agri-PV in Deutschland in den Kinderschuhen. Um die Herausforderungen bei der Entwicklung hin zur Marktreife anzugehen, müssen politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte betrachtet werden.

Die Rolle der Politik

Landwirtinnen und Landwirte haben immer wieder die rechtlichen Rahmenbedingungen für Agri-PV kritisiert, insbesondere die komplexen Genehmigungsverfahren und unzureichende Subventionszahlungen. Hier setzt unter anderem das Solarpaket I der Bundesregierung an, das Änderungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zur Beschleunigung des Photovoltaik-Ausbaus enthält.

Das EEG 2023 unterstützt gezielt Agri-PV-Anlagen auf verschiedenen landwirtschaftlichen Flächen, darunter Acker-, Kulturen- und Grünland. Acker-Agri-PV umfasst hier Photovoltaik-Anlagen auf Ackerflächen mit gleichzeitiger Nutzung für Nutzpflanzenanbau, während Kulturen-Agri-PV für Anlagen auf Flächen mit mehrjährigen oder Dauerkulturen gilt. Grünland-Agri-PV schließt Anlagen auf Dauergrünlandflächen ein, sofern diese nicht in Natura 2000-Gebieten liegen.

Höherer Fördersatz und eigene Kategorie für Agri-PV

Mit dem im Mai 2024 verabschiedeten Solarpaket I soll das EEG nun weiter ausgebaut und besser für die Belange von Agri-PV angepasst werden. Ein zentraler Punkt des Solarpakets ist die höhere Förderung von Agri-PV und weiteren speziellen Solaranlagen wie Floating-, Moor- und Parkplatzanlagen. Hierfür wird ein eigenes Untersegment mit einem Höchstwert von 9,5 Cent pro kWh eingeführt. Somit ist Agri-PV höher vergütet als PV-Freiflächenanlagen. Diese Maßnahme soll dazu beitragen, dass Agri-PV aus ihrer bisherigen Nischenrolle herauswächst.

Zusätzliche Bonusmöglichkeiten für extensiv bewirtschaftete Anlagen

Der Ausbau von Photovoltaik auf landwirtschaftlichen Flächen wird auf 80 Gigawatt bis 2030 beschränkt. Spezielle, extensiv bewirtschaftete Agri-PV-Anlagen erhalten einen Bonus bei Nachweis von Kriterien wie Herbizidverzicht. Durch diese politischen Maßnahmen wird der Anreiz für Landwirte erhöht, in Agri-PV zu investieren, was zur Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit der Landwirtschaft beiträgt.

Landwirtschaftliche Perspektiven – Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz

Ob sich die Investition in eine Agri-PV-Anlage für Landwirtinnen und Landwirte lohnt, hängt neben den rechtlichen Rahmenbedingungen von weiteren Faktoren ab und verlangt eine gründliche Beurteilung. Ausschlaggebende Faktoren für den Erfolg sind Investitions- und Betriebskosten, Pflanzen- und Stromertrag sowie die individuellen Betriebsbedingungen.

Agri-PV-Anlagen sind in der Regel teurer als Freiflächenanlagen, da die Unterkonstruktion aufwendiger ist und die PV-Module häufig Sonderanfertigungen sind. Außerdem fallen höhere Kosten für Reparaturen und Reinigung an. Zu beachten ist außerdem die in Kapitel 2 erläuterte Veränderung des Mikroklimas durch die Aufständerung der Anlage, welche Einfluss auf den Ertrag haben kann. Mit zunehmender Dichte der Module sinkt außerdem auch die Lichtverfügbarkeit für Pflanzen, was zu Einbußen führen kann. Zudem reduziert sich die landwirtschaftlich nutzbare Fläche je nach Anlagendesign und Bewirtschaftung um 10 bis 15%. Dafür können durch die Nutzung der Fläche unter den Modulen Einsparungen bei der Flächenpflege erwartet werden.

Strom aus einem Agri-PV-Kraftwerk ist meistens dann am lukrativsten, wenn er für den Eigenverbrauch genutzt wird und so den externen Strombezug verringert. Zusätzliche Einnahmen entstehen durch Einspeisung des überschüssigen Stroms, abhängig von der aktuellen Einspeisevergütung.

Zusammenfassend kann Agri-PV für Landwirtinnen und Landwirte eine lohnende Investition sein, erfordert jedoch eine sorgfältige Planung und Anpassung an individuelle Gegebenheiten. Die Rentabilität variiert je nach Pflanzenauswahl, Standort und System. Dennoch kann die duale Nutzung von Flächen stabile Einkommensquellen für Landwirtschaftsbetriebe schaffen und die Resilienz gegenüber Ernteausfällen erhöhen.

Bürgerbeteiligung mitdenken

Neben der Wirtschaftlichkeit von Agri-PV-Anlagen kann auch die gesellschaftliche Akzeptanz eine Hürde im Ausbau der Technologie sein. Ein relevanter Zielkonflikt liegt in der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch Agri-PV und der damit verbundenen Ablehnung durch die Anwohnenden. Es ist daher von großer Bedeutung, die Bevölkerung sowie Interessensgruppen frühzeitig zu informieren und in die Planung einer Agri-PV-Anlage einzubeziehen.

Das APV-RESOLA Projekt erfasste die Meinung der Bevölkerung zu Agri-PV und identifizierte Hindernisse und Erfolgsfaktoren durch einen mehrstufigen Beteiligungsprozess mit Informationsveranstaltungen, Bürgerwerkstätten und Workshops. Die Befragten unterstützen die Energiewende, äußerten jedoch Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen von Agri-PV auf Landschaft und Landwirtschaft. Gefordert wurden kriterienorientierte Standortfindung, frühzeitige Bürgerbeteiligung und die Berücksichtigung von Naturschutz.

Agrarökologische Perspektiven

Agri-PV beeinflusst die Umwelt, weshalb mögliche Auswirkungen auf Flora und Fauna berücksichtigt werden sollten. Es gibt Hinweise darauf, dass Agri-PV die Biodiversität positiv beeinflussen kann, wenn die Anlagen extensiv bewirtschaftet werden.

Extensive Agri-PV-Anlagen sind PV-Freiflächenanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen, die durch ihre Bauweise und Bewirtschaftung der Fläche nachweislich die Artenvielfalt fördern. Sie verfügen beispielsweise über breite besonnte Streifen, eine homogene Wasserverteilung mittels Abtropfkanten zwischen den Modulen sowie eine auf Biodiversität ausgerichtete Nutzung, etwa durch insektenschonende Mahd und den Verzicht auf Düngung und Pflanzenschutzmittel.

Im Falle von Nutztierhaltung unter Agri-PV kann durch die Beschattung der Hitzestress der Tiere gelindert werden. Forschungsprojekte zu den Auswirkungen von Agri-PV auf die Umwelt sind weiterhin von zentraler Bedeutung, um sicherzustellen, dass die Technologie nachhaltig eingesetzt werden kann.

Blühende Pflanzen im Vordergrund, oben im Bild eine PV Anlage
Blühender Zwischenstreifen bei einer Agri-PV-Anlage

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Weitere Informationen und Quellen

Hauptquellen für die Recherche

Agri-Photovoltaik: Chance für Landwirtschaft und Energiewende; Ein Leitfaden für Deutschland. Hrsg.: Fraunhofer ISE im Auftrag des BMBF (2024): PDF-Download

Hintergrundpapier Agri-Photovoltaik (Agri-PV): Hrsg: Bioökonomierat (2022): PDF-Download