Mit Bakterien Plastikmüll recyceln

Mit Bakterien Plastikmüll recyceln

Jedes Jahr fallen nicht nur in Deutschland Millionen an Tonnen Kunststoffabfälle an. Mit Hilfe der Synthetischen Biologie sollen nun Bakterien dazu gebracht werden, diesen Müll in biologisch abbaubare Plastik zu recyceln.

Ein europäisches Konsortium unter deutscher Federführung will Bakterien dazu bringen, Kunststoffabfällen in Bioplastik zu verwandeln.
Ein europäisches Konsortium unter deutscher Federführung will Bakterien dazu bringen, Kunststoffabfällen in Bioplastik zu verwande

Jedes Jahr fallen in Deutschland Millionen Tonnen an Kunststoffabfällen an. Der größte Teil davon wird bisher verbrannt. Ein von der Europäischen Kommission gefördertes Konsortium unter deutscher Federführung der RWTH Aachen will nun einen neuen Weg etablieren: Mit Hilfe der Synthetischen Biologie sollen Bakterien dazu gebracht werden, den Plastikmüll in biologisch abbaubares Plastik umzuwandeln. Dadurch könnte ein ganz neuer Verwertungskreislauf entstehen. Insgesamt 7 Millionen Euro stehen in den nächsten vier Jahren zur Verfügung.

Insgesamt elf Partner aus Deutschland, Spanien, Irland, Großbritannien und Frankreich sind an dem Horizon 2020-Projekt „From Plastic waste to Plastic value using Pseudomonas putida Synthetic Biology“ (P4SB) beteiligt. Koordiniert wird das jetzt gestartete Projekt von Lars Blank, Nick Wierckx und Christine Kempchen. Lars Blank, Professor am Institut für Angewandte Mikrobiologie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, ist Experte in Sachen Metabolic Engineering und Genome Engineering. So nennen Experten der Synthetischen Biologie die Möglichkeit, Stoffwechselwege und genetische Schaltkreise von Mikroorganismen für ganz bestimmte Zwecke gezielt maßzuschneidern. Wie Ingenieure gehen sie daran, Zellen und biologische Systeme umzuprogrammieren oder von Grund auf neu zu gestalten. (Mehr Infos zur Synthetischen Biologie: ) Blank will dieses noch junge Forschungsfeld an der RWTH weiter etablieren. Seit 2007 gibt es bereits den durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanzierten Exzellenzcluster „Maßgeschneiderte Kraftstoffe aus Biomasse“, der sich ebenfalls aus dem Werkzeugkasten der Synthetischen Biologie bedient. Hier liegt der Schwerpunkt auf Biokraftstoffen der neuesten Generation. 

Alternative Recyclingwege für Plastikabfall 

Im neuen EU-Konsortium geht es nun darum, biobasierte Recyclingprozesse für die Industrie zu entwickeln. Das Ziel ist ambitioniert: Die Forscher wollen Bakterien dazu bringen, mit biokatalytischen Werkzeugen erdölbasierte Kunststoffabfälle in vollständig biologisch abbaubare Stoffe umzuwandeln. Aus ihrer Sicht ein wichtiger Beitrag, um die von der EU geforderten Recyclingquoten zu erreichen. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann werden wir die Vorgaben nicht erfüllen können. Alternativen werden dringend gebraucht“, betont RWTH-Professor Blank. Denn Plastikmüll ist für die Umwelt ein großes Problem. Rund ein Drittel der weltweit jährlich produzierten knapp 300 Millionen Tonnen Kunststoffe werden für Verpackungen eingesetzt. Viele dieser Kunststoffe überdauern Schätzungen zufolge für mindestens 500 Jahre in der Umwelt – und richten zum Beispiel auf dem Meeresgrund unwiderrufliche Schäden an. Der größte Teil des Plastikmülls wird derzeit verbrannt.

Tüchtige Abfallverwerter aus der Natur nutzen

Diesen Ablauf wollen die Forscher unterbrechen und sich dabei zunutze machen, dass es in der Natur tüchtige Abfallverwerter gibt. Im Fokus des P4SB-Konsortiums stehen dabei Bakterien der Art Pseudomonas putida. Pseudomonaden sind Bakterien, die überall in unserer Umgebung vorkommen. Ihr wandelbarer und flexibler Stoffwechsel ermöglicht es ihnen, in unterschiedlichen Lebensräumen im Wasser, im Boden, an Pflanzen und in Tieren zu leben. Unter den Pseudomonaden gibt es Vertreter, die schon heute von Biotechnologen für industrielle Zwecke eingespannt werden. Dazu gehört Pseudomonas putida: Diese Bakterien produzieren Chemikalien und pharmazeutische Produkte, sie bauen Abfall- und Giftstoffe ab. Die Aachener Forscher wollen diese Fähigkeiten nun gezielt für das Recycling von erdölbasierten Kunststoffen nutzen. Am Ende soll zum Beispiel aus erdölbasierten Polymeren wie Polyethylenterephthalat (PET) Biopolymere wie Polyhydroxyalkanoate (PHA) entstehen, aus denen sich wieder neue Produkte herstellen lassen. „Wenn wir es schaffen, dass die Bakterien den Abfall so verwerten, dass sie Bioplastik in großen Mengen produzieren, dann könnten wir einen ganz neuen Recyclingprozess anstoßen“, ist sich Blank sicher.

Partner aus der Industrie an Bord

Noch stehen die Forscher allerdings am Anfang, selbst der Pilotmaßstab ist noch in weiter Ferne. Innerhalb der vier Jahre soll allerdings das übergreifende Konzept dargestellt werden. Das Interesse an neuen Recycling-Möglichkeiten für Plastikmüll ist jedenfalls groß. Insgesamt sieben Millionen Euro investiert die Europäische Kommission über Horizon 2020, dem Rahmenprogramm der Europäischen Union für Forschung und Innovation, in das Konsortium. Als einer von vier Industriepartnern ist der französische Abdichtungshersteller Soprema im Verbund vertreten. Allein 1,4 Millionen Euro sind für die RWTH Aachen vorgesehen. Aus Deutschland sind darüber hinaus Forscher um Wolfgang Zimmermann vom Institut für Biochemie der Universität Leipzig sowie Umweltbiotechnologen um Hermann Heipieper vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig beteiligt. Aus der Wirtschaft ist zudem die Biotech-Firma Bioplastech Ltd. aus Irland an Bord. Das Unternehmen wurde 2008 aus dem University College Dublin ausgegründet – Forscher um  Kevin O’Connor hatten damals ein Verfahren entwickelt, mit dem sich aus Abfall verschiedenster Art PHA herstellen lässt. Diese Expertise bringen sie nun in das Konsortium ein. Ebenfalls als Partner mit dabei ist die spanische Biotech-Firma Bacmine. Das 2011 gegründete Startup hat sich auf Technologien der Synthetischen Biologie spezialisiert.

Die Forscher sind sich sicher: Bei Erfolg von P4SB wird es möglich sein, Plastikabfall als alternatives Substrat in der industriellen Biotechnologie zu verwenden, um damit biologisch abbaubare Äquivalente herzustellen. Auf diesem Weg will das Konsortium einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die europäische Bioökonomie voranzutreiben und die Umweltverschmutzung durch Plastikabfall zu reduzieren.