Extreme Witterung und intensive Landwirtschaft setzen der Ressource Boden teils heftig zu. Besonders in heißen, trockenen Sommermonaten mangelt es an ausreichend Nährstoffen und Wasser, damit Pflanzen gedeihen können. Mit Blick auf eine wachsende Weltbevölkerung steht die Landwirtschaft damit schon heute vor der Herausforderung, mit einem nachhaltigen Bodenmanagment die Ernährung der Zukunft zu sichern.
Unterboden für Pflanzenwurzeln nutzbar machen
Die Bundesregierung unterstützt daher mit einer Reihe von Fördermaßnahmen wie etwa „BonaRes – Boden als nachhaltige Ressource für die Bioökonomie“ Entwicklungen, die auf eine nachhaltige Nutzung der knappen Ressource Boden hinzielen. Im BonaRes-Verbundprojekt „Soil3“ widmen sich Forscher seit drei Jahren einer Wasser- und Nährstoffquelle, die bisher kaum beachtet wurde: dem Unterboden. Unter der Leitung der Universität Bonn arbeitet ein interdisziplinäres Forscherteam an einer Strategie, Nährstoff- und Wasserreservoirs unterhalb des Oberbodens für Pflanzen besser nutzbar zu machen und gleichzeitig ein nachhaltiges Unterbodenmanagment zu etablieren. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt 4,7 Mio. Euro gefördert.
Versicherungssystem für Pflanzen schaffen
„Wir wollen den Pflanzen eine Art Versicherungssystem anbieten, bei schlechten Bedingungen auf den Unterboden zuzugreifen. Wenn es beispielsweise eine Sommertrockenheit gibt, die Ertragsausfälle zur Folge hätte, könnte die Pflanze im Unterboden Nährstoffe und Wasser aufnehmen“, erläutert Projektleiter Wulf Amelung vom Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn.
Zugang zum Unterboden für Wurzeln optimieren
Als Unterboden wird jener Bereich definiert, der sich etwa 30 Zentimeter unterhalb der landwirtschaftlich genutzten Oberfläche befindet. Auch hier tummeln sich unzählige Organismen, welche die Beschaffenheit des Unterbodens beeinflussen. Frühere Untersuchungen ergaben, dass zwei Drittel aller Nährstoff- und Wasservorräte in dieser Sphäre gespeichert sind. Bisher wurde das unterirdische Depot aber nur bedingt von Pflanzen genutzt. Um das zu ändern, will das Team um Amelung den Zugang der Pflanzenwurzeln zum Unterboden optimieren. „Das ist insofern schwierig, weil die Pflanze nicht zuviel in die Wurzel investieren darf, denn sie braucht dafür Kohlenstoff fürs Wurzelwachstum, und der darf dem Ertrag nicht fehlen. Wir müssen daher das Wurzelwachstum so beeinflussen, dass die Wurzel auf den Unterboden zugreift, ohne aber den Ertrag zu beeinflussen“, sagt der Geoökologe.
Die Wurzel sollte demnach ohne großen Energieverlust in den Unterboden wachsen, um die dortigen Ressourcen anzapfen zu können. Dafür galt es im Projekt eine Methode zu entwickeln, um die sogenannten physikalischen Widerstände, die den Pflanzenwurzeln den Weg in den Unterboden erschweren, so gering wie möglich zu halten. „Wir wissen, dass Pflanzen mit wenig Energie in den Unterboden einwachsen, wenn sie beispielsweise eine alte Regenwurmbahn im Boden nutzen können. Wir wissen aber auch, dass eine Lockerung des Unterbodens in der Regel zur Ertragssteigerung führt“, erläutert der Forscher.
Steigerung der Biomasse durch das Bonner Unterbodenmeliorationssystem mit Kompost (mittlerer Streifen)
Da der Anbau von Hülsenfrüchten (Leguminosen) teuer und nicht überall geeignet ist sowie die Unterbodenlockerung nur zeitweise funktioniert, hat das Soil3-Team eine Methode favorisiert, die im Ansatz beide Optionen bedient. „Wir versuchen diese Kenntnisse zu verbinden, in dem wir den Unterboden aufbrechen, dann aber organisches Material einbauen, um eine biologische Stabilisierung des Unterbodens zu erreichen, sodass dieser Effekt nachhaltiger ist“, erläutert Amelung.
Unterboden mit Kompost aufbereiten
Dafür entwickelten die Forscher im Rahmen des Projektes eine Technik, die von einem Traktor über den Acker gezogen wird. Mithilfe dieses Gerätes werden in einem Arbeitsgang zunächst der Oberboden beiseite geschoben, dann mittels neu entwickelter Injektions- und Mischzinken organisches Material bis zu 60 cm in den Unterboden eingebracht. Schließlich wird der Oberboden wieder aufgeschoben. Bei ihren Versuchen nutzte das Team primär Kompost. „Aber auch stickstoffärmere Stoffe wurden getestet, weil unklar ist, ob in anderen Regionen eine Stickstofffreisetzung im Unterboden ein zu hohes Risiko fürs Grundwasser darstellt“, sagt Amelung.
Oberbodenmanagment berücksichtigen
Neben der technischen Entwicklung des Geräts ging es den Verbundpartnern aber gleichfalls um ein besseres Verständnis des Oberbodens und deren Einfluss auf das darunter liegende Wasser- und Nährstoffdepot. „Wir arbeiten mit mehreren Dauerversuchsbetreibern in Deutschland zusammen, um zu verstehen, wie der Oberboden zu managen ist, damit wir den Zugang zum Unterboden beeinflussen können. Das sind Flächen, wo Jahre lang nur mit Stickstoff oder organisch gedüngt wurde“.
Spezialverfahren zur Isotopenanalyse entwickelt
Um zu erkunden, woher die Pflanze Wasser- und Nährstoffe bezieht, entwickelte das Soil3-Team ein neues chemisches Spezialanalyseverfahren auf Basis der Isotopenanalyse. Isotopen sind unterschiedlich schwere Varianten chemischer Elemente. „Wir bestimmen die Isotopie der Nährstoffe im Boden. Damit können wir unterscheiden, ob die Pflanze Wasser oder Nährstoffe aus dem Ober- oder Unterboden bezieht“. Derzeit sind die Forscher dabei, das neue Werkzeug auf Versuchsfeldern zu testen und so auch mehr darüber zu erfahren, wie sich Pflanzen generell den Zugang zum Unterboden verschaffen.
Verbundprojekt „Soil3“
Projektleitung:
Universität Bonn erprobt die Versuchstechnik und untersucht den Nährstoff- und Wassertransfer vom Unter- in den Oberboden, die Entstehung der Zugangswege des Regenwurms und die Auswirkungen auf die Erträge
Projektpartner:
TU München untersucht die bakteriellen Gemeinschaften sowie die Kohlenstoff-Speicherung und Heterogenität des Unterbodens
Forschungszentrum Jülich entwickelt gemeinsam mit der Universität Bonn ein chemisches Verfahren, um zu identifizieren, ob die Pflanze ihre Nährstoffe aus dem Ober- oder Unterboden bezieht, und integriert diese Ergebnisse in mathematische Modelle
Freie Universität Berlin untersucht, wie Mykorhizza-Pilze die Wasser- und Nährstoffaufnahme erleichtern können.
Thünen-Institut liefert Daten zu Kohlenstoffvorräten im Boden, um Standorteigenschaften für die neue Technik zu bestimmen.
Ecologic Institute analysiert, in welchen Regionen die neue Technik auf Akzeptanz stoßen würde.
Bis Ende der Projektlaufzeit im September gibt es für das Soil3-Team noch einiges zu tun. Aktuell arbeitet das Team an einem Demonstrationsgerät zur Unterbodenbearbeitung, das genauso wie der Prototyp funktioniert. In wenigen Monaten wollen die Forscher auch sagen können, welche Getreidesorte sich für diese Art der Unterbodenbearbeitung am besten eignet, um gut gerüstet in die nächste Entwicklungsetappe zu gehen. „In der zweiten Phase wollen wir herausfinden, wie wir das Prinzip für verschiedene Böden und Regionen umsetzen können. Dafür wollen wir die Zusammenarbeit mit den Praxispartnern intensivieren und gleichzeitig mit neuen Partnern aus Brandenburg eine zweite Testfläche anlegen“, sagt Amelung.
Neue Option für Pflanzenzüchtung
Bei vielen Landwirten stößt das neuartige Unterbodenmanagment schon heute auf großes Interesse. Amelung ist überzeugt, dass auch der Fokus der Pflanzenzüchter damit eine neue Ausrichtung erfahren könnte: „Wir vermuten, dass tief wurzelnde Pflanzen in Kombination mit unserer Technik einen Vorteil bieten. Es ist daher für die Pflanzenzüchtung eine Option, bei der Züchtung nicht direkt auf die Ertragsoptimierung, sondern auf die Wurzeln zu achten.“
Autorin: Beatrix Boldt