Ökosystem Grundwasser verstehen und schützen

Ökosystem Grundwasser verstehen und schützen

Christian Griebler

Beruf:
Promovierter Biologe

Position:
Kommissarischer Leiter des Instituts für Grundwasserökologie (IGOE), Helmholtz-Zentrum München

Christian Griebler, Kommissarischer Leiter des Instituts für Grundwasserökologie (IGOE), Helmholtz-Zentrum München
Vorname
Christian
Nachname
Griebler

Beruf:
Promovierter Biologe

Position:
Kommissarischer Leiter des Instituts für Grundwasserökologie (IGOE), Helmholtz-Zentrum München

Christian Griebler, Kommissarischer Leiter des Instituts für Grundwasserökologie (IGOE), Helmholtz-Zentrum München

Wir alle nutzen Grundwasser. Als Ökosystem wird es aber kaum wahrgenommen. Der Münchner Biologe Christian Griebler will das ändern.

Wir trinken es, bewässern die Feldern damit oder nutzen es als Kühl- oder Lösungsmittel: Grundwasser. Das riesige Wasserreservoir unter unseren Füssen ist lebensnotwendig und seine Nutzung für uns Menschen selbstverständlich. Für den Grundwasserökologen Christian Griebler ist das unsichtbare Wasser weit mehr als nur ein Rohstoff. „Das Grundwasser ist nur deshalb so sauber, weil die ganze Biologie drin ist und das reinigt. Dieser Untergrund ist voll von Mikroorganismen und Krebsen, Würmer, Milben, die dort Kohlenstoff und Nährstoffe umsetzen.“ Grundwasser ist daher wie Boden, Wald, Seen oder das Meer ein Ökosystem mit vielfältigen Lebensgemeinschaften, das zudem wertvolle Dienstleistungen für andere Ökosysteme und für uns Menschen erbringt.

Bewusstsein für Grundwasserökosystem schärfen

Als kommissarischer Leiter des Instituts für Grundwasserökologie am Helmholtz-Zentrum München will der gebürtige Österreicher dem unterirdischen Weltmeer zu mehr Präsenz verhelfen. Sein Ziel: Das gesellschaftliche Bewusstsein für ein Ökosystem schärfen, dass abseits der umsorgten Oberflächengewässer noch immer ein Schattendasein führt.

Das Interesse zur Biologie wurde bei Griebler bereits früh geweckt. In Pfarrkirchen bei Bad Hall in Oberösterreich geboren und aufgewachsen waren es zunächst die Insekten die seine Leidenschaft prägten. Ein Studium der Biologie war naheliegend, konkurrierte aber zeitweise mit seinem Interesse zur Malerei. „Naturwissenschaften, Biologie oder Forschung hat ja auch viel mit Kreativität zu tun. Die Malerei habe ich ausprobiert, mit dem Wissen, die Chance ist gering. Und als das nicht funktionierte, habe ich eben Biologie weitergemacht“, berichtet der heute 47-Jährige.

Begeisterung für ein "exotisches" Thema

Vor allem die Exkursionen ins Donaudelta begeisterten den Insektenliebhaber während seines Studiums von 1988 bis 1996 an der Universität Wien. Gleichzeitig wurde dabei erstmals sein Blick für die Bedeutung der verschiedenen Ökosysteme geschärft. Dass die Hautflügler bei der Suche nach einem Diplomthema plötzlich ins Abseits gerieten, war wohl Schicksal. Am Institut für Limnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Mondsee begegnete Griebler einem Professor, der sich mit einem für ihn damals eher „exotischen“ Thema befasste. „Ich hatte schon vier Jahre Biologie studiert und bis zu diesem Zeitpunkt noch kaum etwas von Grundwasserökologie gehört. Die Erkenntnis, dass das Süßwasser, das wir global zur Verfügung haben, 95 Prozent Grundwasser ist, war für mich ein Schlüsselerlebnis.“

Dieser „Aha-Effekt“, wie Griebler sagt, war Auslöser, dass der angehende Biologe 1993 von heute auf morgen das Thema wechselt und in eine Nische einstieg, die bis dato fernab jeglichen öffentlichen Bewusstseins war. „Es war die Faszination der Erkenntnis, dass es einen Lebensraum gibt, den man als solchen so noch gar nicht wahrgenommen hat. Das bissl Wasser was wir sehen, wird beackert und das ist auch wirklich wichtig. Aber zu diesen Weltmeeren unter unseren Füssen gab es damals ganz wenig.“

Mikrobielles Leben im Grundwasser erforschen

Im Vergleich zu den großen Ökosystemen Boden oder Meer ist der Lebensraum unter unseren Füssen zwar noch nicht ganz so populär. Dank Grieblers Forschungsarbeit ist die Grundwasserökologie heute aber kein Randthema mehr, dass in Limnologie-Lehrbüchern, wie noch zur Grieblers Studienzeiten, kaum Erwähnung fand. Bereits in seiner Doktorarbeit am Institut in Mondsee, die er 1998 abschloss, widmete er sich dem mikrobiellen Leben im Grundwasser. Woher die Winzlinge in tausend Meter Tiefe ihre Energie beziehen, ist nur ein Thema, dass den Grundwasserökologen bis heute antreibt.

Konzepte für nachhaltigen Grundwasserschutz

Nach drei Jahren Postdoc am Zentrum für Angewandte Geowisschenschaften der Universität Tübingen in denen sich Griebler mit dem mikrobiellen Abbau von Ölverbindungen im Grundwasser beschäftigte, übernahm er 2004 die Leitung einer eigenständigen Arbeitsgruppe für „Mikrobielle Ökologie“ und später, 2014, die Leitung des Instituts für Grundwasserökologie am Helmholtz Zentrum München. Hier entwickelt er mit seinen Kollegen vor allem nachhaltige Konzepte zur Überwachung und zum Schutz und Management des unsichtbaren Wasserspeichers. Seit vielen Jahren pendelt der vierfache Familienvater zwischen München und Wien, dem momentanen Lebensraum der Familie.

Grundwasser als Haupt-Trinkwasserquelle

Sauberes und hygienisch einwandfreies Trinkwasser ist in Deutschland Standard. Doch 70% dessen, was wir täglich an Wasser konsumieren, stammt aus dem Grundwasser. Damit ist das unterirdische Wasserreservoir hierzulande die wichtigste Trinkwasserquelle. Griebler macht sich dafür stark, dass dieses unsichtbare Ökosystem mehr Aufmerksamkeit erfährt. Denn als ein Teil der Ökosysteme unserer Erde ist das kostbare Gut inzwischen ebenso durch Verschmutzung gefährdet wie Böden oder Weltmeere, betont Griebler. „Es gibt heute kein Grundwasser mehr, wo nichts drin ist. In jedem Wasser sind Schadstoffe und einzelne Stoffe tauchen immer wieder auch im Trinkwasser auf.“ Griebler zufolge sind in den oberflächennahen Grundwasserschichten schon heute Pestizide, Pharmazeutika oder Antibiotika zu finden, wobei Nitrat seit Jahrzehnten unser Grundwasserproblem Nummer Eins ist.

Selbstreinigungsprozesse ankurbeln

„Alles was oben ankommt, kommt früher oder später auch unten an; also ins Grundwasser. Die Frage ist nur, wie schnell und in welchem Umfang“, betont der Forscher. Am IGÖ wird daher untersucht, wie belastbar das unterirdische Ökosystem ist, wie und in welchem Umfang Mikroorganismen Schadstoffe umsetzen können und ob und wie durch Nährstoffzugabe der Selbstreinigungsprozess an schwer belasteten Orten angekurbelt werden kann. „Es gibt viele schwer kontaminierte Grundwässer. Hier kann man selektiv Mikroorganismen vor Ort stimulieren, in dem man ihnen Sauerstoff oder spezifische Nährstoffe wie Stickstoff, Schwefel oder Vitamine gibt und so den Selbstreinigungsprozess anregt“, erklärt Griebler.

Ökologische Folgen neuer Technologien beachten

Darüber hinaus wird am IGÖ auch an Strategien geforscht, um zu verhindern, dass weitere Schadstoffe überhaupt ins Grundwasser gelangen, und welche Auswirkungen veränderte Land- und Wassernutzungsverhältnisse auf das unterirdische Reservoir haben. Hier untersucht Griebler,  welche Auswirkungen beispielsweise der Trend zur Nutzung von oberflächennaher Geothermie durch Erdwärmepumpen zur Klimatisierung von Gebäuden und Kühlprozessen in der Industrie hat. „Das Grundwasser hat das ganze Jahr über die gleich Temperatur. Mit Einleitung oder Entzug von Wärme wird plötzlich eine Saisonalität in das System gebracht. Man muss bei neuen technologischen Entwicklungen immer auch die Auswirkungen auf die Ökosysteme betrachten und verstehen. Hier hinkt das Verständnis um die ökologischen Folgen, der Technologieanwendung leider immer hinterher“.

Spuren längst verbotener Pestizide noch messbar

Wirtschaft und Politik für das Thema Grundwasser zu sensibilisieren, ist daher ein Hauptanliegen des Biologen. „Wir müssen uns darüber klar sei, dass Grundwasser eine sehr lange Verweildauer im Boden hat. Wenn wir hier einmal ein Problem haben, ist es für lange Zeit da und nicht so schnell wieder rauszubekommen.“ Griebler erinnert hier an das Herbizid Atrazin. Das Pflanzenschutzmittel ist seit 25 Jahren in Deutschland und seit 20 Jahren in Österreich verboten. Obwohl es nicht mehr eingesetzt wird, sind Spuren davon bis heute im Grundwasser messbar, wie aktuelle Forschungsarbeiten zeigen.

Gleichberechtigung der Grundwasserökosysteme vor dem Gesetz

Das Beispiel führt klar vor Augen: Das Ökosystem Grundwasser hat an den Fehlern der Vergangenheit noch zu knapsen, wenn die Schadstoffe aus dem Boden längst verschwunden und somit unsichtbar sind. Christian Griebler weiß um die Hürden des „trägen Systems“ und versucht geduldig, mit Worten und Taten gegenzusteuern. Seine Mission ist klar: „Es geht um eine Gleichberechtigung der Grundwasserökosysteme auch vor dem Gesetz. Wir müssen das Grundwasser endlich als Lebensraum und nicht nur als Ressource betrachten und das Grundwasser-Ökosystem wie Oberflächengewässer gleichermaßen schützen und überwachen.“

Autorin: Beatrix Boldt