Trinkwasser ist ein Naturprodukt und wird zu 80 Prozent aus Grund- und Quellwasser gewonnen. An die Qualität des Trinkwassers werden hohe Anforderungen gestellt. Feinmaschige Analysen geben Auskunft über die Wasserqualität und verraten, ob die Infrastruktur der Wasserversorgung einwandfrei funktioniert. Für die Wasserbetriebe wird es zudem immer wichtiger, die eigenen Wassereinzugsgebiete genau zu kennen, um darin etwa Schutzgebiete exakt definieren und abgrenzen zu können. Die neue EU-Trinkwasserrichtlinie setzt zudem auf die Risikobewertung der Fördergebiete. Hierfür müssen geeignete Messmethoden zur Verfügung stehen.
Wasserbewohner als Indikatoren
Äußerst aufschlussreich für solche hydrologischen Fragestellungen und Umweltbewertungen sind biologische Indikatoren: denn Trinkwasserversorgungsanlagen – vom Brunnen über die Wasserwerke bis hin zu den Leitungen – sind von einer artenreichen Tierwelt besiedelt. Während einige Arten zur natürlichen Grundausstattung gehören, sind andere Tiere hingegen unerwünscht. Zu den problematischen Arten gehört die Wasserassel Asellus aquaticus, die insbesondere in Nord- und Westeuropas weit verbreitet ist. Mancherorts können sich die kleinen Krebstiere massenhaft ausbreiten – sie sind weniger ein hygienisches denn ein ästhetisches Problem. Ihre Bekämpfung ist mühsam, aufwendig und oft nicht von langer Dauer.
Genetischer Fingerabdruck erlaubt Herkunftsanalyse
Um dem Verbreitungsmuster der Asseln im Detail auf die Spur zu kommen, haben Experten vom Institut für Grundwasserökologie IGÖ GmbH an der Universität Koblenz-Landau ein Testverfahren entwickelt, das wie ein genetischer Fingerabdruck funktioniert. Mit dem sogenannten StygoTracing lassen sich die Herkunft und die Abstammungsverhältnisse der Asseln per DNA-Check analysieren.
Jedes einzelne Tier wird zu einem biologischen Tracer, mit dem sich ein klares Bild über die Herkunft und die Verwandtschaftsbeziehungen verschiedener Wasserasselpopulationen gewinnen lässt. Darüber hinaus lassen sich so auch Erkenntnisse zum Fließverhalten von Wasser und den Zusammenhängen von unterirdischen Wassersystemen gewinnen. „Am Beispiel der Wasserassel hat unser Test hervorragend funktioniert“, sagt IGÖ-Geschäftsführer Hans Jürgen Hahn.
Dienstleistung für die Wasserwirtschaft
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt die Forscher seit 2014 bei der Entwicklung des molekularbiologischen Tests im Rahmen der Förderinitiative „KMU-innovativ: Biotechnologie“ mit 580.000 Euro. Der DNA-Test legt die Grundlage für effizientere, zielgerichtete und kostengünstige Bekämpfungsstrategien im Umgang mit der Wasserassel in Trinkwassernetzen. Das IGÖ bietet den DNA-Check für die Wasserfauna als Dienstleistung für die Wasserwirtschaft und die akademische Forschung an und sieht sich als Pionier: „Weltweit zählen wir zu den ersten, die ein solches Testsystem in die Anwendung gebracht haben“, betont Hahn.
Mikrokosmos Grundwasser ergründen
In einem weiteren KMU-innovativ-Projekt geht es nun darum, das Stygotracing auf weitere Tierarten des Grundwassers und des Oberflächenwassers auszuweiten. „Das Grundwasser ist noch ein weitgehend unerforschter Mikrokosmos“, sagt Hahn. Bundesweit wurden derweil sechs Pilotregionen identifiziert. Mittlerweile haben sich drei Arten herauskristallisiert, die die Forscher als biologische „Tracerorganismen“ weiter untersuchen wollen. Wie Hahn berichtet, ist den Forschern bei den Außeneinsätzen im Freiland dabei als Nebeneffekt sogar eine neue Tierart ins Netz gegangen, die in der Literatur noch nicht beschrieben ist. Damit liefert die angewandte Forschung an Testmethoden für die Wasserwirtschaft sogar relevantes Grundlagenwissen zur Biodiversität im Ökosystem Wasser.
Autor: Philipp Graf