Biodiversität im Museum erschließen
Jörg FreyhofBeruf:
promovierter Süßwasserökologe, Zoologe
Position:
am Berliner Museum für Naturkunde zuständig für den Bereich Biodiversität & Bioökonomie
Beruf:
promovierter Süßwasserökologe, Zoologe
Position:
am Berliner Museum für Naturkunde zuständig für den Bereich Biodiversität & Bioökonomie
Am Berliner Naturkundemuseum beschäftigt sich Jörg Freyhof mit dem Potenzial der biologischen Vielfalt für ein biobasiertes Wirtschaften.
Biodiversität und Bioökonomie sind für Jörg Freyhof zwei Seiten einer Medaille. Seine Arbeitsstelle am Berliner Naturkundemuseum ist eines der größten Archive der globalen Artenvielfalt. Der Fischkenner ist überzeugt, dass noch viele unbekannte Arten mit Potenzial für eine wirtschaftliche Nutzung auf ihre Entdeckung warten.
Biodiversität ist eine wertvolle Ressource. Können Sie skizzieren, welche Bedeutung biologische Vielfalt für eine Nutzung durch den Menschen hat?
Wir bauen unser gesamtes Leben und Wirtschaften auf Biodiversität auf. Allerdings werden viele Funktionen von nur wenigen Arten und Kultursorten zur Verfügung gestellt. Die Arten, die wir nutzen, sind nur ein winziger Bruchteil der Arten, die diesen Planeten mit uns teilen. Vor allem bei den nahezu unerforschten Mikroorganismen gibt es noch viel zu entdecken, was unser Leben revolutionieren wird. Indem wir auch immer mehr über den genetischen Code von immer mehr Organismen wissen, wird die gesamte Biodiversität auch zu einer erschließbaren Bibliothek der Lösungen.
Welchen Beitrag können die Archive und die Biodiversitätsforschung in Museen für eine biobasierte Wirtschaft leisten?
Ich denke, das können wir heute noch kaum abschätzen. Naturkundemuseen so wie wir sind die globalen Hotspots der Biodiversität. Nur in den Museen finden Sie so viele Arten, aus so großen Zeiträumen und gleichfalls Experten für Biodiversität, deren Funktion und Entstehung, an einem Fleck. Auch sequenzieren wir immer mehr Genome von immer mehr Organismen, und wir lernen immer mehr über den genetischen Code und die bestehenden Lösungsmöglichkeiten. Wir warten auf Ihre Fragen, Herausforderungen gibt es ja genug – da kann eine Bibliothek der Diversität von Lösungen nie groß genug sein.
Wie wollen Sie das Thema Bioökonomie im Naturkundemuseum fortan stärker beleuchten ?
Bioökonomie und Biodiversität werden bei uns immer stärker zusammengedacht und deshalb haben wir dafür auch eine eigene Stelle geschaffen. Die großen Chancen und Möglichkeiten, die sich aus der Biodiversitätsentdeckung ergeben, sei es im genomischen Bereich oder durch neue Arten und Funktionen, stehen für uns im Vordergrund. Unsere Sammlungen und unsere Wissenschaftler tragen immer mehr dazu bei, gesellschaftliche und vermehrt auch wirtschaftliche Herausforderungen anzugehen. Aber wir sind auch ein Ort hohen Vertrauens, wenn es um gesellschaftliche Fragen geht. Mit mehr als 700.000 Besuchern jährlich erreichen wir ein sehr breites Publikum, welches sich für Natur und damit auch Bioökonomie interessiert. Zusammen mit Partnern werden wir uns auch im Wissenschaftsjahr 2020 stark zum Thema Bioökonomie einbringen. Hier sind eine Reihe von interessanten Veranstaltungen geplant.
Der Umgang mit genetischen Ressourcen und ihre Nutzung wird international durch das Nagoya-Protokoll geregelt. Wie relevant ist es für Ihre Arbeit im Naturkundemuseum?
Das Nagoya-Protokoll ist für unsere Arbeit hochrelevant. Allerdings ist es nicht unser Ziel, mit Biodiversität Geld zu verdienen und wir haben daher weniger Probleme als manch andere Institute. Auch setzen wir schon seit vielen Jahren strikt auf faire Kooperationen und arbeiten schon lange und vertrauensvoll mit vielen internationalen Partnerinstituten zusammen. Leider sind es oft unsere internationalen Partner, die viel bürokratischen Mehraufwand bewältigen müssen, um ihr Material mit unseren Sammlungen zu vergleichen oder unsere Hilfe bei der Feldforschung in Anspruch nehmen.
Zum Beispiel vertikale Landwirtschaft/Aquaponik – wie können Agrarsysteme der Zukunft von Biodiversitätsforschung profitieren?
Neue Agrarsysteme müssen viel nachhaltiger und ressourcenschonender sein, dürfen die Umwelt weniger belasten, keine Klimagase ausstoßen und sie müssen gleichzeitig gesunde, schadstofffreie und für jeden Kunden bezahlbare Nahrungsmittel auf viel weniger Flächen produzieren. Natürlich muss diese Landwirtschaft der Zukunft auch die Ernährungsgewohnheiten der Vergangenheit bedienen. Sicher eine wirkliche Herausforderung, die vertikale Landwirtschaft und Aquaponik schon heute im Blick haben. Wir als Biodiversitätsexperten wissen natürlich über die enorme Diversität von Arten und Formen von Tieren und Pflanzen. Zum Beispiel erleben wir die Neu-Domestikation vor allem von Fischen für die Aquakultur. Fischexperten suchen gezielt nach neuen Arten und Varietäten. Viele davon kann man in Aquaponik-Anlagen züchten und dann nicht nur mit Waffenfliegen füttern, sondern in Zukunft vielleicht mit neu domestizierten Superinsekten, oder vielleicht mit etwas ganz anderem. Von den großen Chancen von Nebennutzungen in der Kreislaufwirtschaft wollen wir hier gar nicht reden.
Interview: Philipp Graf