Mit Bioökonomie zum Vanille-Aroma

Vanille Dossier Visual

Text: Björn Lohmann

Vanillin ist der wohl bedeutendste Aromastoff der Welt. Die biobasierte Wirtschaft kann auf unterschiedliche Weise dazu beitragen, Vanillin nachhaltig, zuverlässig und hochwertig bereitzustellen. Dieses Dossier beschreibt Indoor-Farming-Methoden für den Vanille-Anbau und beleuchtet biotechnologische und chemische Ansätze auf dem Weg zum Vanille-Aroma.

Vanille – eine Orchidee als Nutzpflanze

Vanille ist ein Gewürz, das aus mehreren Arten der Orchideen-Gattung Vanilla gewonnen wird. Dazu werden deren bis zu 30 Zentimeter lange grüne Kapseln – umgangssprachlich oft als Schoten bezeichnet – zunächst in 60 Grad Celsius heißen Öfen einer Schwarzbräunung unterzogen, getrocknet und in verschlossenen Körben zum Fermentieren gelagert.

Die wichtigste Art ist Vanilla planifolia, auf der 95 % des weltweiten Vanilleanbaus beruhen. Die ursprüngliche Heimat der Vanille ist Mexiko und Mittelamerika, wo schon die Azteken das Gewürz nutzten, insbesondere als Kakaozusatz.

Anbaugebiete auf Inseln im Indischen Ozean

Heute konzentriert sich der Anbau vor allem auf Madagaskar und Réunion sowie weitere Inseln im Indischen Ozean. Réunions früherer Name Île Bourbon war namensgebend für die Bourbon-Vanille. Daneben gibt es noch die mexikanische Vanille, die Tahiti-Vanille sowie die Guadeloupe-Vanille. Letztere dient vornehmlich der Gewinnung von Duftstoffen für die Parfümindustrie, während die anderen Sorten primär als Gewürze verwendet werden.

Geht es nach den Vorstellungen des Start-ups Dutch Vanilla Growers, könnte in Zukunft eine weitere Region in großem Maßstab Vanille anbauen: die Niederlande, allerdings im Treibhaus. Forschung und Entwicklung erfolgten an der Universität Wageningen. 2017 begann der erste Anbau in der Nähe von Rotterdam auf 6.000 Quadratmetern. 2022 wurde in den Niederlanden erstmals durch das Unternehmen Koppert Cress Vanille aus dem Gewächshaus vermarktet.

Vanille im Begriffsdschungel

Vanille, Vanilla oder Vanillin, Gewürz, Aroma, natürliches Aroma und natürliches Vanille-Aroma: Die Begriffe rund um die Vanille sind verwirrend. Zunächst einmal: Den Begriff Vanilla – den Namen der Orchideengattung – gibt es in der Botanik, aber nicht im Lebensmittelrecht. Der Begriff Vanille selbst beschreibt ein Gewürz. Vanillin hingegen ist das eigentliche Aromamolekül der Vanilla-Orchidee.
Spricht die Zutatenliste von gemahlenen Vanille-Schoten, Vanilleextrakt oder natürlichem
Vanille-Aroma, müssen Bestandteile echter Vanille enthalten sein.
Vanille-Extrakt besteht neben Vanillin aus mehr als 100 weiteren Pflanzen-Inhaltsstoffen und darf auch als natürliches Vanille-Aroma bezeichnet werden.

  • Natürliches Vanille-Aroma muss zu mindestens 95 % aus echten Vanilla-Pflanzen gewonnen worden sein, im Gegensatz zu Aroma und natürlichem Aroma.
  • Natürliches Aroma kann beispielsweise aus anderen Naturstoffen gewonnen worden sein,
  • (Vanille-)Aroma kann chemisch-synthetisch hergestellt werden.

In den USA herrschen zudem noch einmal andere, weiter gefasste Definitionen, was als natürliches Vanillin deklariert werden darf.

Orchideen werden aufwendig per Hand bestäubt

Da in den meisten Anbauregionen die natürlichen Bestäuber der Vanilla-Orchideen – die Kolibris – fehlen, ist der Anbau von Vanille mit viel Handarbeit verbunden. Obendrein steht für die Bestäubung nur ein Zeitfenster von etwa zwölf Stunden zur Verfügung, bevor die Blüten verwelken und die nächste Chance zur Bestäubung erst ein Jahr später wieder besteht. Zusammen mit der rund acht Monate dauernden Fermentierung und schwankenden Ernten führt das zu einem hohen Wert der Vanille, aber auch zu stark schwankenden Preisen am Weltmarkt, die sich zwischen 40 US-Dollar pro Kilo im Jahr 2005 und mehr als 700 US-Dollar im Jahr 2019 bewegen.
Nachfrage kann nicht aus natürlichen Quellen gedeckt werden

Auch dass der Aromastoff der Vanille, das Vanillin, seit 1874 chemisch synthetisiert werden kann, hat an dessen Wert nichts geändert. Denn die Nachfrage ist mit rund 37.000 Tonnen pro Jahr so groß, dass Vanillin aus natürlichem Vanille-Anbau sie nicht annähernd decken kann. Gut 90 % des weltweit genutzten Vanillins stammt deshalb aus der synthetischen Herstellung, manche Quellen wie das Branchenmagazin Food Ingredients First sprechen inzwischen sogar von 99 %.

Nach Prognosen soll der Markt weiter wachsen, getrieben durch Produkte wie Eiscreme, Schokolade, Getränke und Backwaren. Allein das Segment der alkoholischen Getränke mit Vanille-Aroma ist laut dem zum niederländischen Außenministerium gehörenden Centre for the Promotion of Imports from developing countries (CBI) in Europa zwischen 2018 und 2022 um 44 % gewachsen.

Deutschland ist drittgrößter Importeur der Welt

2021 importierte Deutschland 695 Tonnen Vanille und war damit der drittgrößte Importeur der Welt. Knapp zwei Drittel der Importe kamen auf direktem Wege aus den Produktionsländern. 450 Tonnen Vanille wurden im Land konsumiert, der Rest in Form von Lebensmittelzutaten oder Verbraucherprodukten exportiert. In Europa ist Deutschland neben Frankreich und den Niederlanden der wichtigste Markt für Vanille.

75 % der EU-weiten Importe und damit ein Drittel aller weltweiten Importe landen in diesen drei Ländern. Unter den weltweiten Importen gehen 42 % in die USA. Heruntergebrochen auf einzelne Konzerne ragt Coca-Cola heraus: Das Unternehmen bezieht ein Zehntel der weltweiten Vanilleproduktion. Für Deutschland gehen Fachleute davon aus, dass Dr. Oetker der größte Vanille-Verarbeiter sein dürfte.
Anbau mit Wetterrisiken

Die große und weiter steigende Nachfrage bringt jedoch einige Herausforderungen für den Anbau mit sich. Neben der Bestäubung von Hand sind das vor allem extreme Wettereinflüsse. Die Anbauregionen werden immer mal wieder von tropischen Wirbelstürmen getroffen. In den vergangenen Jahren litt Madagaskar, das Hauptanbaugebiet für Vanille, zudem wiederholt unter Dürren. Die hohen Preise im Jahr 2017 gingen zurück auf eine Dürre-geprägte Saison, auf die kurz vor der Ernte ein Zyklon folgte und noch einmal ein Fünftel der Ernte zerstörte. Weitere schlechte Ernten in den Folgejahren führten dazu, dass Vanille sich vorübergehend auf den Wert echten Silbers verteuerte.

Das führte auch zu mehr Betrugsfällen, in denen natürliches Vanillin durch synthetisches Vanillin oder andere Zusatzstoffe gestreckt wurde. Mittels einer sogenannten Stabilisotopen-Analyse lässt sich jedoch die Qualität der Vanille ebenso prüfen wie deren Herkunftsangabe.

Ein weiteres Thema beim Vanille-Anbau sind Dumpinglöhne. Vanille-Bauern erhalten oftmals weniger als zehn Euro pro Kilogramm Vanille. Allerdings verpflichten sich immer mehr große Abnehmer dazu, Vanille-Produzenten dabei zu unterstützen, sozial und ökologisch nachhaltig zu erzeugen. Auch die Transparenz der Lieferkette gewinnt an Bedeutung. Auf der anderen Seite wächst aufgrund der Schwierigkeiten beim Anbau vor allem die synthetische Herstellung von Vanillin.

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Nachhaltiger Anbau der Vanilla-Orchideen

Die Nachfrage nach natürlicher Vanille ist ungebrochen. Ähnlich wie beim Anbau von Kakao gibt es auch hier Probleme wie schlechte Bezahlung, Kinderarbeit, Korruption und Raubüberfälle. Deshalb ist es ein wichtiges Ziel, den Vanille-Anbau nachhaltiger zu gestalten. Beiträge dazu leisten etablierte Zertifikate wie das Fairtrade-Siegel und das EU-Bio-Siegel.

Nachhaltige Arbeitsbedingungen

Da immer mehr Verbraucher Nachhaltigkeit erwarten, haben einige Lebensmittelkonzerne sich zusammengeschlossen, um einen ethischen und nachhaltigen Vanille-Anbau zu fördern. Das bekannteste Beispiel ist der Livelihoods Fund for Family Farming (Livelihoods 3F). Dessen Ziele bestehen darin, die einzigartige Natur Madagaskars zu bewahren, die Ernährungssicherheit der Menschen zu verbessern, das Einkommen der Bauern zu verdreifachen und letztlich eine hohe Qualität der Vanille zu sichern. Gründungspartner waren Danone, Firmenich, Mars und Veolia.

Auch der Duftstoff- und Aromahersteller Symrise will bessere Arbeitsbedingungen und eine stabil hohe Produktqualität fördern. Schon seit 2018 untersucht das Unternehmen gemeinsam mit rund 7.000 Kleinbauern unterschiedliche Anbauweisen – von Agroforsten bis zu verschatteten Gewächshäusern. Gemeinsam werden Bodenstruktur, optimale Bewässerung und weitere Faktoren analysiert und dieses Wissen unter den Kleinbauern verbreitet. Erzeugen diese besonders hochwertige Vanille, erhalten sie für den damit verbundenen Aufwand eine Bonuszahlung.

Umstellung auf Ökolandbau

Doch nicht nur die Arbeits- und Lebensbedingungen müssen sich verbessern. Bei neu vermarkteten Produkten auf Vanille-Basis stammt die Vanille schon jetzt zu einem Drittel aus der Ökolandwirtschaft. Die Umstellung konventioneller Betriebe bringt jedoch oftmals mit sich, dass die Flächenerträge sinken. Für die Bauern wird das über den höheren Preis kompensiert. Dennoch verringert sich dadurch die Vanille-Menge auf dem Weltmarkt.

Vanille-Anbau mit Blockchain

Der Kosmetikhersteller Estée Lauder hat Kleinbauern mit ID-Karten ausgestattet. Liefert ein Bauer seine Vanille-Ernte bei seiner Kooperative ab, wird seine ID mit den Daten zu dieser Ernte kombiniert – etwa ob sie aus ökologischem Anbau stammt und ohne Kinderarbeit erzielt wurde. Ähnlich verfährt die Kooperative: Sie hinterlegt mit ihrer ID, wie die Vanille weiterverarbeitet wurde, etwa wie der jeweilige Sack Vanille fermentiert und getrocknet wurde und wie eine Vermischung von ökologischer und konventioneller Ware verhindert wurde. So verläuft jeder Schritt der gesamten Lieferkette. Die Daten werden jeweils in einer Blockchain abgelegt und können damit von Estée Lauder fälschungssicher rückverfolgt werden. Allerdings kann diese Methode nicht verhindern, dass eventuell falsche Angaben bei der Eintragung gemacht werden.

Eine Antwort auf das Problem des knappen Angebots könnte ein Projekt der Universitäten Göttingen, Marburg und Hohenheim sein. 2022 haben die Forschenden demonstriert, dass es möglich ist, Vanille-Plantagen auf brachliegendem Land anzulegen und den gleichen Ertrag zu erzielen wie auf Plantagen in bestehenden Altwäldern. Der Anbau in Bestandswäldern ist oft mit Teilrodungen verbunden, außerdem reduziert er die dortige Artenvielfalt. Auf Brachland angelegte Agroforstsysteme zum Vanille-Anbau erhöhen hingegen die Zahl der Arten gegenüber dem früheren Brachland, ergab die Studie. Brachland wird häufig durch Brandrodung offengehalten, um dort Reis anzubauen.

Agroforstsysteme sind für den Vanille-Anbau doppelt nützlich, wie Göttinger Forschende in einer anderen Studie zeigen konnten: Neben dem für die Orchideen wichtigen Schatten bieten sie auch eine höhere Zahl räuberischer Tiere wie Ameisen, Heuschrecken und Vögel. Diese Tiere ernähren sich von Insekten, die die Vanillapflanze schädigen, und dienen so als natürliche Schädlingskontrolle. Je weniger Bäume in einer Landschaft vorhanden waren, desto geringer fiel dieser Effekt aus.

Vanille-Anbau im Hightech-Gewächshaus

Ein anderer Forschungsansatz besteht darin, den Vanille-Anbau aus ökologisch wertvollen oder für Ertragsausfälle anfälligen Regionen herauszuholen. Dazu ist meist Indoor-Farming erforderlich. Bislang sind es vor allem die Niederlande, die sich am Gewächshausanbau außerhalb der Tropen versuchen. Außerdem versucht sich ein Investor in Australien an diesem ehrgeizigen Ziel. Eine erste Ernte aus den 26 Kuppeln bei Sydney gab es 2021.

In Deutschland verfolgt dieses Ziel beispielsweise das Forschungsprojekt SustainVanil unter Leitung der Hochschule Osnabrück. Das Projekt ist Teil des Innovationsraums New Food Systems, der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.

Die Forschenden studieren die pflanzenphysiologischen Wachstums- und Entwicklungsprozesse der Vanille und wie sich deren Inhaltsstoffe währenddessen verändern. Außerdem werden im Projekt neue biologische Pflanzenschutzmaßnahmen erprobt. Am Ende sollen die gewonnenen Erkenntnisse aber nicht nur die Grundlage bilden für einen Vanille-Anbau in Deutschland, sondern auch dazu beitragen, den Anbau auf Madagaskar zu optimieren.

IndoorVanille: BMBF-Projekt SustainVanil im Porträt

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Das Indoor-Farming von Vanille kann seit 2022 an der Hochschule Osnabrück direkt erprobt werden. Nach dem Prinzip des Vertical Farmings gibt es dort sechs Kammern zum Anbau von Gemüse und Gewürzen. Die Kammern ermöglichen es, Umweltfaktoren wie Licht, Temperatur, CO2-Gehalt, Wasser- und Nährstoffversorgung genau zu kontrollieren und so zu optimieren. Auf diese Weise könnte eine ganzjährig gleichbleibende und qualitativ stabile Vanille-Produktion an nahezu jedem Standort der Welt möglich werden.

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Chemisch-synthetische Vanillin-Herstellung

Synthetisches Vanillin wird nicht nur in günstigen Lebensmitteln und bei der Herstellung von Duftstoffen in der Kosmetikindustrie eingesetzt. Es gibt noch ein drittes, weniger bekanntes Anwendungsgebiet: Die Pharmaindustrie verwendet jährlich mehrere Zehntausend Tonnen, um Arzneimittel herzustellen. Hier ist die Reinheit der Verbindung besonders wichtig, ebenso wie eine verlässliche Beschaffung.

Von Gewürznelken und Guajak-Bäumen

Das erste synthetische Vanillin, das 1874 von den deutschen Chemikern Gustav Haarmann und Ferdinand Tiemann hergestellt wurde, basierte auf Coniferin, einem Glucosid des Coniferylalkohols. Letzterer wird aus dem Saft junger Koniferen gewonnen. Kommerziell diente später jedoch zunächst Eugenol der chemischen Produktion von Vanillin. Eugenol ist ein Phenylpropanoid, das in pflanzlichen Ölen, vor allem dem Gewürznelkenöl, vorkommt. Die Verbindung wird durch Kaliumpermanganat oder Ozon über die Zwischenstufe Isoeugenol zu Vanillin oxidiert.

Eine lange Geschichte hat außerdem die Herstellung von Vanillin aus Guajacol. Sie gelang erstmals 1876 dem deutschen Chemiker Karl Reimer. Dabei wurde Guajacol, ein sekundärer Pflanzenstoff der Guajak-Bäume, mit Chloroform zu Vanillin umgesetzt. Seitdem sind noch weitere Prozesse entwickelt worden, um Vanillin aus Guajacol herzustellen. In der Praxis wird Guajacol bislang oft auf petrochemischer Basis gewonnen.

Holzstoff Lignin als Ressource

Das heute wichtigste chemisch-synthetische Verfahren neben der Gewinnung aus Guajacol ist die Synthese aus Ligninsulfonsäure. Die Verbindung ist ein Abfallprodukt aus der Zellstoffherstellung. Unter erhöhtem Druck und erhöhter Temperatur reagiert die Säure durch Zugabe von Oxidantien und Alkalien unter anderem zu Vanillin, das dann noch extrahiert und gereinigt werden muss. Je nach Holzart, von der das Lignin stammt, liegen die Ausbeuten zwischen 7 und 25 %. Anders als bei der Synthese aus Guajacol entsteht zudem ein Nebenprodukt, Acetovanillon, das dem Vanille-Aroma auf Ligninbasis ein breites Geschmacksprofil verleiht.

Ein besonders nachhaltiges Verfahren auf Ligninbasis, bei dem keine giftigen Abfallstoffe entstehen und das kein Kupfer als Katalysator benötigt, hat ein Team um Siegfried Waldvogel von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz entwickelt. Dabei kommt eine Elektrolysezelle mit Nickel-Elektroden zum Einsatz, das Lignin wird in einer Natronlauge auf 160 Grad Celsius erhitzt. Dann oxidiert die Elektrolyse das Lignin und es bildet sich Vanillin. Der so erzeugte Aromastoff darf als natürliches Vanillin deklariert werden. Der spannendste Aspekt: Die Ausbeute lag zunächst bei rund vier Gewichtsprozent des eingesetzten Lignins.

Theoretisch könnte dieses Verfahren den weltweiten Vanillinbedarf decken. Im Frühjahr 2023 berichtete das Team dann über eine Weiterentwicklung, bei der nicht nur ein nachhaltiges Oxidationsmittel, eine Peroxodicarbonatlösung, genutzt wird. Den Forschenden ist es außerdem gelungen, die Ausbeute auf 6,2 Gewichtsprozent zu steigern. Nicht zuletzt wird das eingesetzte Carbonat auch in Zellstoffanlagen verwendet, sodass sich der neue Prozess gut eignet, um ihn mit einer Bioraffinerie zu kombinieren.

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Biotechnologische Vanillin-Herstellung

Neben Methanol ist Vanillin der wirtschaftlich bedeutendste Aromastoff. Dementsprechend attraktiv war es für die Biotechnologie, alternative Herstellungsverfahren zur chemischen Synthese zu entwickeln. Generell bieten mikrobielle Zellfabriken einige Vorteile: Die Organismen arbeiten bei milden Reaktionsbedingungen, was Energiekosten verringert.

Außerdem können die Mikroorganismen mit nachwachsenden Rohstoffen ernährt werden, oftmals sogar Reststoffen, was die in der chemischen Industrie oft üblichen fossilen Rohstoffe ersetzt. Nicht zuletzt können Mikroorganismen mit ihren Enzymen strukturell hoch komplexe Verbindungen herstellen, die teilweise bis heute nicht chemisch zu synthetisieren sind.

Seit Mitte der 1990er Jahre gibt es daher biotechnologische Verfahren, um im industriell relevanten Maßstab Vanillin zu produzieren. Neben den Ferulasäuren setzten die unterschiedlichen Verfahren auch auf Rohstoffe, die bereits aus der chemischen Synthese bekannt sind: Eugenol, Isoeugenol und Lignin. Mehrere Zellfabriken, darunter auch Pflanzenzellen, wurden erprobt, um Vanillin herzustellen, doch die meisten erwiesen sich als nicht wirtschaftlich.

Ursächlich dafür war eine Reihe von Herausforderungen: Zunächst sind sowohl einige der Ausgangsstoffe als auch das Vanillin selbst für die Produktionsorganismen oft toxisch. Außerdem entstehen im Vanillinstoffwechsel unerwünschte Nebenprodukte, und auch die Ausgangsstoffe werden von den Zellen nicht nur für Vanillin genutzt – beides verringert die Ausbeute. Nicht zuletzt gab es bei ersten Versuchen/in Projekten zur Herstellung (?) große Verluste bei der Aufreinigung des Produkts.

Über die Ferulasäure zum Vanillin

Am Ende hat sich ein Verfahren durchgesetzt: die Herstellung von Vanillin aus Ferulasäure in einem einzigen Fermentationsschritt. Ferulasäure kommt in verschiedenen Pflanzen, darunter Süßgräsern wie Weizen oder Gerste vor, und ist in der Natur daran beteiligt, in den Zellwänden Lignin zu bilden.

Bei der Vanillin-Herstellung setzen die meisten Firmen auf Reisspelzen, die als Nebenprodukt der Reisverarbeitung anfallen. Besonders hohe Ausbeuten erzielen biotechnologische Prozesse mit Bakterien der Gattung Amycolatopsis. Aber beispielsweise auch mit Escherichia coli, Pseudomonas putida, Saccharomyces cerevisiae und Streptomyces setonii wurden Prozesse entwickelt.

Die etablierte Synthese in Amycolatopsis-Bakterien läuft so ab, dass zunächst aus der Ferulasäure durch die Ferulyo-CoA-Synthetase und das Coenzym A ein Thioester gebildet wird. Danach spaltet die Enoyl-CoA-Hydratase/Aldolase Acetyl-CoA ab und es entsteht Vanillin. Damit unterscheidet sich der bakterielle Metabolismus von dem der Pflanze. Dort katalysiert die Vanillinsynthase die Umsetzung von Ferulasäure zu Vanillin in einem Schritt.

Chinesische Forscher haben im Frühjahr 2023 einen Amycolatopsis-Stamm vorgestellt, in dem mittels Genom-Editierung zwei Synthesewege für Nebenprodukte des Vanillinstoffwechsels ausgeschaltet wurden. Dadurch hat sich der Vanillinertrag auf rund 20 Gramm pro Liter verdoppelt und das ungewünschte Nebenprodukt Vanillinsäure von 2,45 auf 0,15 Gramm pro Liter verringert. Über eine ähnlich hohe Vanillin-Ausbeute in gentechnisch optimierten Amycolatopsis-Bakterien berichtete auch ein Team der Universität Münster im Jahr 2016.

An der Universität Münster haben Forschende zudem ein Bakterium der Gattung Pseudomonas identifiziert, das Eugenol zu Vanillin umsetzt. Anders als viele Bakterien kann der genutzte Stamm das antibakteriell wirkende Eugenol vollständig umsetzen. Der Prozess läuft über Coniferylalkohol und Coniferylaldehyd zu Ferulasäure, aus der dann Vanillin wird. Allerdings verarbeitet das Bakterium natürlicherweise Vanillin weiter zu Vanillinsäure und schließlich Protocatechusäure.

Pflanzeninhaltsstoffe aus Ferulasäuren

Einem Team des Leibniz IBP und der Universität Halle-Wittenberg ist es gelungen, die an der Ferulasäure-Synthese benötigten Enzyme zu isolieren und in E.-coli-Bakterien zu exprimieren. Damit steht ein erster Prozess zur biotechnologischen Herstellung von Ferulasäure zur Verfügung. Im Fraunhofer CBP haben die Patner von 2020 bis 2023 den Bioprozess im Projekt FeruBase optimiert, um Ferulasäuren als Vorstufe für hochwertige Geschmackstoffe wie Vanillin und weitere gesundheitsfördernde Stoffe zu erzeugen. Das BMBF hat das Vorhaben mit 1,5 Mio. Euro im Rahmen der Fördermaßnahme "Maßgeschneiderte biobasierte Inhaltsstoffe für eine wettbewerbsfähige Bioökonomie" unterstützt. Inzwischen läuft mit FeruChain ein Nachfolgeprojekt, das bis 2026 den Prozess weiter optimieren soll.

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Multimedia-Story Lebensmittel der Zukunft: Episode AromenJagd (mit Projekt FeruBase)

Auf dem Weg zum Vanille-Aroma ist in der Biotechnologie seit 2009 eine De-novo-Synthese ausgehend von Glucose beschrieben, die unter anderem in E. coli, S. cerevisiae und S. pombe umgesetzt wurde. Um der Toxizität des Vanillins zu begegnen, wird dieses zunächst zu Glucovanillin glucosyliert und erst in einem Folgeschritt wieder in Vanillin überführt.

PET-Upcycling

Einen Upcycling-Ansatz mit ungewöhnlichem Ausgangsstoff haben Forschende aus Schottland entwickelt. Ein Team der Universität Edinburgh um Joanna Sadler und Stephen Wallace verwendet alte PET-Getränkeflaschen als Basis. Das Polyethylenterephthalat wird zunächst in Terephthalsäure zersetzt.

E.-coli-Bakterien wandeln die Säure schließlich in Vanillin um. Schon jetzt liegt der Umwandlungsgrad bei 79 %. Der Ansatz wäre nicht nur ein Beitrag zur Kreislaufwirtschaft, sondern würde auch den ökonomischen Nachteil verringern, den biotechnologische Verfahren bislang noch gegenüber der chemischen Synthese von Vanillin haben. Günstiger als der natürliche Anbau sind sie schon heute.