Während in vielen Branchen, zum Beispiel der Automobilindustrie und der Entwicklung elektronischer Komponenten, neue Produkte fast vollständig mit Hilfe von Modellierung und Simulation entwickelt werden, stehen diese Ansätze für Probleme der Biotechnologie noch am Anfang einer Entwicklung. Noch gilt es, allgemeine Grundsätze für den Zusammenhang zwischen Struktur und Eigenschaften von Proteinen zu klären. Dazu wollen Berensmeier und Wenzel mit ihrem Projekt beitragen. „Wir möchten ein neues Werkzeug zur rechnergestützten Entwicklung und Optimierung hoch-affiner, funktionaler Peptide für wichtige technische Oberflächen in der Biotechnologie entwickeln“, fasst Berensmeier zusammen. Klar ist: Gelingt es, die Entwicklungsprozesse für die Biomoleküle effizienter zu gestalten, so ergeben sich enorme Kostenvorteile. Lassen sich beispielsweise die Peptide so verändern, dass sie direkt an nicht vorbehandelte Oberflächen binden, ließen sich die zeit- und kostenintensive Funktionalisierung von Oberflächen vermeiden. Idealerweise sollen Forscher in aller Welt künftig über das Internet auf eine Plattform zugreifen können, die das rationale Design von Peptiden mit genau festgelegten Eigenschaften erlaubt.
Dafür bringen die beiden Forscherteams ganz unterschiedliche Stärken ein. Wenzel ist theoretischer Physiker. Am Institut für Nanotechnologie des KIT übernimmt er die rechnergestützte Modellierung und Strukturvorhersage der Peptide. Denn die Vielfalt der Peptide ist so groß, dass niemals als alle möglichen Varianten gescreent werden könnten. Die Peptidbibliotheken mit ausgewählten Kandidaten-Molekülen übernimmt schließlich Berensmeier. Sie leitet an der TU München das Fachgebiet für Selektive Trenntechnik. Dort werden die theoretischen Vorhersagen im Experiment einem Praxistest unterzogen. Verhalten sich die Peptide so, wie vorhergesagt? An welchen Stellen müssen die Modelle verbessert werden? Sobald die Vorhersage der Peptideigenschaften präzise genug gelingt, will das Forscher-Tandem die Möglichkeiten der neuen Technik an zwei Beispielen demonstrieren: Es sollen Peptide zum einen für die Interaktion mit Metalloxiden und zum anderen für polymerbasierte technische Oberflächen optimiert werden. Die damit so behandelten Trägermaterialien könnten in der Bioproduktaufarbeitung oder Bioanalytik zum Einsatz kommen.