Das Potenzial der Peptide erschließen

Das Potenzial der Peptide erschließen

Eine an der Universität gemachte Entdeckung wird zur Grundlage eines erfolgreichen Start-Ups. Mit einer vielfältig einsetzbaren Biotechnologie hat die NUMAFERM GmbH das geschafft.

Peptide wie die von NUMAFERM sind als bioaktive Zusätze in kosmetischen Produkten geeignet.

Peptide sind kleine Eiweißmoleküle, die aus bis zu 100 Aminosäuren zusammengesetzt sind. Sie wirken auf vielseitige Weise: In der Pharma- und der Kosmetikindustrie sind sie als Wirkstoffe oder bioaktive Zusätze für Cremes und Salben gefragt. Auch für technische Anwendungen sind Peptide geeignet, etwa für den Einsatz in Klebstoffen oder für die Beschichtung von Oberflächen. Das große wirtschaftliche Potenzial der Peptide wird bisher in der Industrie nicht annähernd ausgeschöpft. „Das Problem ist, dass die Herstellung von Peptiden durch chemische Synthese sehr teuer ist.“ sagt Christian Schwarz, einer der beiden Gründer der NUMAFERM GmbH. Bei der chemischen Synthese werden für ein Kilogramm Peptid viele Tonnen an Rohstoffen benötigt, darunter Feinchemikalien und organische Lösungsmittel. „Das ist für viele industrielle Anwendungen unwirtschaftlich und passt aus unserer Sicht nicht in das Zeitalter der Bioökonomie“, so Schwarz weiter.

Eine lohnende Entdeckung

2009 entdeckte Christian Schwarz als Doktorand an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) eine Methode, die es möglich macht, Peptide im richtigen Moment durch die Zellwand eines Bakteriums zu schleusen. Dies ist günstiger und nachhaltiger als die chemische Synthese. Viele Biotechnologie-Unternehmen nutzen die gentechnisch spezialisierten Bakterien bereits seit vielen Jahren als Produzenten zur Herstellung von Proteinen, den viel größeren Verwandten der Peptide. Proteine können sich allerdings durch ihre komplexe Struktur vor den, Protease genannten, Enzymen im Inneren eines Bakteriums schützen, wohingegen die kleineren Peptide meist bereits während der Produktion wieder von den Proteasen zerstört werden. Die von Christian Schwarz entwickelte Technologie setzt hier an. Es existiert genau eine Stelle, die frei von Proteasen ist: die unmittelbare Umgebung des Bakteriums Escherichia coli. Das Team aus Forschenden um Christian Schwarz hat das Bakterium E. coli so umfunktioniert, dass es gewünschte Peptide in großer Menge herstellen und sie dann in diese von Proteasen freie Umgebung abgeben kann. Hier können die Produkte leicht geerntet werden.

Von der Universität zum Start-Up

Schwarz wurde für seine Doktorarbeit in der Folge mit dem Deutschen Studienpreis ausgezeichnet und begann zunächst für die Entwicklung neuer Produkte auf Peptidbasis neben den pharmakologischen und antimikrobiellen Eigenschaften auch die adhäsiven Kräfte – also die Klebeeigenschaften – der Biomoleküle ins Visier zu nehmen. „In dem Projekt ‚pep2bond‘ ging es darum, spezielle Peptide herzustellen, mit denen man schwer zugängliche Metalloberflächen besser vor Korrosion schützen kann.“ sagt Christian Schwarz. „Solche Antikorrosionsmittel sind etwa in der Automobilindustrie von großer Bedeutung. Oft gelangen diese Mittel aber nicht an alle Stellen der gefertigten Metallteile oder der Schutzfilm haftet nicht fest genug.“ In der zweijährigen Machbarkeitsphase entwickelten die Düsseldorfer Forscher um Christian Schwarz daher zusammen mit Mikrobiologen des Konsumgüter-Konzerns Henkel sogenannte peptidbasierte Biokonjugate. Während die Biotechnologen von der Universität Düsseldorf dazu ihre Peptide als Rohmaterialien bereitstellten, koppelten die Forscher von Henkel die Eiweißmoleküle mittels Klick-Chemie an die hauseigenen Polymere.

„Die Peptide sorgen dafür, dass die Moleküle fester und spezifischer an offenen Stahloberflächen binden“, erläutert Schwarz. Im Rahmen der Machbarkeitsphase konnten die Biokonjugate erfolgreich hergestellt werden. Der Rohstoff „Peptid" wird dabei mit dem von Christian Schwarz entwickelten, innovativen Bioverfahren der HHU hergestellt. Ferner wurde das adhäsive Peptid in Kooperation mit Henkel für einen industriellen Einsatz optimiert. Das Bundesforschungs­ministerium (BMBF) förderte das Projekt „pep2bond“ im Rahmen der Fördermaßnahme „Neue Produkte für die Bioökonomie“ in Sondierungs- und Machbarkeitsphase von 2015 – 2017 mit rund 540.000 Euro. Neben der Förderung durch das BMBF hat das Projekt auch von einer Exist-Förderung des Bundeswirtschaftsministeriums profitiert.

Im Jahr 2017 wurde das Start-Up NUMAFERM GmbH als Spin-off der Universität Düsseldorf von Christian Schwarz und Phillip Bürling als kaufmännischem Geschäftsführer gegründet. „Am schwierigsten war es, Menschen und Organisationen zu überzeugen, in deine Idee zu investieren. Die Forschung muss dann erstmal zurückstehen, weil man so viel damit beschäftigt ist, mit potenziellen Geldgebern zu sprechen.“ erläutert Schwarz die Anfangszeit der Ausgründung. 2018 wurde NUMAFERM mit dem hochdotierten „Start me up!“ Gründerpreis ausgezeichnet.

Der Einsatzbereich der Peptide ist äußerst vielfältig.

Vielfältiger Einsatz von Peptiden

Das neue Forschungsprojekt von NUMAFERM: „NUMATIDES“, beschäftigt sich mit der Verbindung von adhäsiver und antimikrobieller Wirkung von Peptiden. Diese sollen als Implantatbeschichtungen dafür sorgen, Infektionen, die durch das Implantat hervorgerufen werden, zu verhindern. Bei etwa 5% der Patienten führen solche Infektionen zu schwerwiegenden Komplikationen, die mitunter tödlichen Verlauf nehmen. „Nach unserem Kenntnisstand sind derzeit keine peptidbeschichteten Implantate verfügbar“, so Christian Schwarz. Er gibt dafür zwei Gründe an: zum einen müssen zunächst die Formulierungen entwickelt werden, um eine Stabilität der Peptide über mehrere Tage zu garantieren und zum anderen ist die Herstellung von Peptiden bisher sehr teuer. Ein Kilogramm Peptid könne schnell 1 Mio. Euro kosten.

Mit ihrer patentgeschützten Technologie arbeiten die Forschenden von NUMAFERM daran, die Produktion von Peptiden wirtschaftlicher zu machen und die Produktionskosten um rund 95% zu senken. Christian Schwarz zieht eine positive Zwischenbilanz: „Das Projekt NUMATIDES geht sehr gut voran. Es wurden bereits hoch-qualitative Peptidbibliotheken entwickelt und erste geeignete Kandidaten für Beschichtungen identifiziert.“ NUMATIDES wird im Rahmen der Fördermaßnahme „KMU-innovativ: Biotechnologie – BioChance“ des BMBF von 2019 – 2022 mit rund 870.000 Euro gefördert.

Auch für die Zukunft sieht Schwarz Wachstumspotenzial. „Peptide sind immer noch eine stark unterrepräsentierte Substanzklasse. Insbesondere langkettige Peptide, die aus 30-100 Aminosäuren als Bausteinen bestehen, lassen sich nur schwer und teuer herstellen. Genau hier setzt unsere NUMAtech-Technologie an.“ Die Anwendungsmöglichkeiten von Peptiden sind vielfältig und das gesamte Spektrum scheint noch lange nicht erforscht. „Gerade auch im Bereich Impfstoffe versprechen wir uns einen starken Stimulus für Peptide. Beispielsweise beruhen die derzeit erfolgreichen klinischen Studien im Kontext von COVID-19, auf einem Stimulus des Immunsystems durch Peptide.“

Autor: Simon Schöbinger