Insektenmehl als Fischfutter

Insektenmehl als Fischfutter

Martin Tschirner


Beruf:
Agrarwissenschaftler

Position:
wissenschaftlicher Mitarbeiter und Leiter des Projektes „InProSol“ am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin

 

Martin Tschirner
Vorname
Martin
Nachname
Tschirner


Beruf:
Agrarwissenschaftler

Position:
wissenschaftlicher Mitarbeiter und Leiter des Projektes „InProSol“ am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin

 

Martin Tschirner

Agrarwissenschaftler Martin Tschirner will mit tragfähigen Zuchtkonzepten Insektenmehl als Fischfutter marktfähig und die Aquakultur nachhaltiger machen.

Das Potenzial von Insekten ist seit Langem bekannt. In diesem Jahr hat die EU-Kommission nun auch die gesetzlichen Hürden zumindest hinsichtlich ihrer Nutzung in der Aquakultur aus dem Weg geräumt. Zu den zugelassenen "Nutzinsekten" für die Tierernährung gehört die Schwarze Soldatenfliege, die im Fokus der Forschung von Martin Tschirner steht. Mit den proteinreichen Insektenlarven von Hermetia illucens will der Berliner Agrarwissenschaftler eine Alternative zum weitverbreiteten Einsatz von Fischmehl und Soja in der Aquakultur schaffen. Im Projekt "InProSol" arbeitet er daher an einem tragfähigen Zuchtkonzept, um die Eiweißquelle für nachhaltiges Fischfutter marktreif zu machen.

Frage

Was macht die Soldatenfliege als Züchtungsobjekt insbesondere für Tierfutter so interessant?

Antwort

Die Schwarze Soldatenfliege Hermetia illucens ist besonders gut zur Herstellung von insektenbasierenden Futtermitteln geeignet, da sie als saprophage Lebensform mit fast allen organischen Reststoffen fertig wird. Die Idee ist ja, regionale Reststoffströme aus der Landwirtschaft oder dem kommunalen Recycling als Nährsubstrate zu nutzen. Somit ist die Fähigkeit der Larven zur effizienten Verwertung möglichst vieler verschiedener Substrate eine wichtige Eigenschaft der genutzten Insektenart. Zudem sind die Larven der Soldatenfliege dabei noch sehr effektiv. Sie sind in der Lage, innerhalb von nur drei Wochen zwischen Schlupf aus dem Ei und "Erntereife" ihr Gewicht zu verzehntausendfachen. Außerdem entsprechen die Inhaltstoffe eines aus Hermetialarven hergestellten Mehls weitestgehend denen von Fischmehl, was die praktische Anwendung in Hinblick auf die Formulierung von Rationen vereinfacht und natürlich auch als mögliches Verkaufsargument dienen kann.

Frage

Welche ökologischen und wirtschaftlichen Vorteile hätte die Großproduktion von Insektenmehl im Vergleich zur Herstellung von gewöhnlichem Fischmehl?

Antwort

Wirtschaftliche Vorteile sehe ich vor allem in der zu erwartenden Preisstabilität, da solche Produkte kontinuierlich in gleichbleibend hoher Qualität erzeugt werden könnten. Weitere Vorteile ergeben sich durch eine Produktion mit Hilfe organischer Reststoffe oder landwirtschaftlicher Nebenprodukte. So werden bisher verloren gegangene oder ungenutzte Nährstoffe recycelt und einem intelligenten Stoffkreislauf zugeführt, der sich an der Natur orientiert und neue Wertschöpfungsketten eröffnet. Die ökologischen Vorteile sind noch deutlicher: Durch den Einsatz von nachhaltig erzeugtem Insektenprotein könnte der Einsatz von Fisch- und Sojamehl in der Futtermittelherstellung deutlich reduziert werden. Auf diese Weise kann der weltweiten Überfischung der Meere und einer Ausweitung des Sojaanbaus entgegengewirkt werden.

Frage

Was muss aus Ihrer Erfahrung getan werden, damit sich Insektenmehl auf dem Markt durchsetzt?

Antwort

Zunächst müssten die technischen Hürden bei der Skalierung der Insektenproduktionen auf ein industrielles Niveau genommen werden. Dazu ist es nötig, dass Forschung & Entwicklungs-Kooperationen von Wissenschaft und Wirtschaft vermehrt gefördert werden, wie beispielsweise als Teil der "Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Europa möchte zudem schon lange seine Abhängigkeit von Eiweißimporten durch eine integrierte europäische Proteinstrategie verringern. Bei dessen Entwicklung dürfen meiner Meinung nach Insekten als Proteinquelle auf keinen Fall fehlen! Und zu guter Letzt sind natürlich auch private Investoren gefragt, ihre Risikobereitschaft zur Entwicklung industrieller Produktionsanlagen von Insekten zu erhöhen.

Frage

Wie weit sind sie mit der Entwicklung des Zuchtkonzeptes im Rahmen des Projektes „InProSol“?

Antwort

Das Zuchtkonzept des Projektes „InProSol" ist ausgereift und kann bereits problemlos zur Produktion von Insektenmehl aus den Larven der Schwarzen Soldatenfliege genutzt werden, jedoch lediglich im Labormaßstab. Derzeit arbeiten wir an der Verfeinerung der eingesetzten Technik sowie an einem nachhaltigen Verwertungskonzept. So konnten wir vor Kurzem die Entwicklung eines Upscaling-Modells abschließen, mit dessen Hilfe wichtige Parameter in Abhängigkeit vom Produktionsvolumen berechnet werden können, wie die nötige Menge und Zusammensetzung des Nährsubstrates, die einzuplanende Größe der Fliegenkolonie oder die benötigte Fläche der Produktionsanlage. Weiterhin ermöglicht uns dieses Modell die Ausformulierung eines detaillierten Kataloges mit Anforderungen an den Standort, die Maschinen für die einzelnen Produktionsschritte und die Produktaufbereitung oder an die Emissionsprävention einer Pilotanlage.

Frage

Was sind ihre nächsten Aufgaben?

Antwort

Als nächstes möchten wir die Planung und Entwicklung der Pilotanlage weiter vorantreiben, indem wir die gewonnenen Erkenntnisse in vielversprechende Folgeprojekte einfließen lassen. Tatkräftig unterstützt werden wir dabei von der Wissenstransferstelle des IGB. Dabei möchten wir weitere Versuche im Zusammenhang mit der anfallenden Menge sowie der räumlichen und zeitlichen Eignung verschiedener Nährsubstrate durchführen, was uns vor allem bei der Wahl des zukünftigen Standortes der Pilotanlage nutzen wird. Auch möchten wir uns auf die Analyse sowohl der wirtschaftlichen als auch der ökologischen Nachhaltigkeit der geplanten Pilotanlage fokussieren, so dass neben einer ausführlichen Ökobilanz auch das nötige Investitionsvolumen besser ermittelt werden kann.

Interview: Beatrix Boldt