Weg von fossilen Rohstoffen, hin zu biobasierten Alternativen: Dieses Credo ist in Forschung und Industrie in Folge der Klimakrise inzwischen selbstverständlich geworden. Von Biokraftstoffen über Biokunststoffe bis zu biobasierten Feinchemikalien mehren sich die Alternativen – zumindest theoretisch. Denn nicht immer sind die technisch machbaren Prozesse am Ende auch wirtschaftlich profitabel. Häufige Ursachen dafür sind zu geringe Produktausbeuten oder zu aufwendige Aufreinigungsschritte. Für beide Herausforderungen hat nun das Forschungsprojekt EPI-CES ein verbessertes Verfahren entwickelt.
Vielseitige Kieselalge
EPI-CES steht für die „Effiziente Primärraffination von Mikroorganismen durch die Integration von Zellaufschluss, Extraktion und Separation am Beispiel von Mikroalgen“. Sein Ziel ist es, eine integrierte Downstream-Prozesskette für Mikroalgen-Inhaltsstoffe zu etablieren und diese in einer Laboranlage zu demonstrieren, die aus Zellaufschluss, Extraktion und Separation besteht. Durchgeführt haben das Projekt von Oktober 2018 bis September 2022 das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart und das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung steuerte 1,13 Mio. Euro an Fördermitteln im Rahmen der Technologieinitiative Bioraffinerien bei.
„Wir haben uns für die Kieselalge entschieden, weil sie verschiedene interessante Inhaltsstoffe besitzt und in verschiedenen Bereichen der Bioökonomie einsetzbar ist“, erzählt Projektkoordinatorin Ulrike Schmid-Staiger vom Fraunhofer IGB. Da der Einzeller die relevanten Stoffe nicht ausscheidet, sondern in seinem Zellinneren anreichert, musste zwangsläufig ein Prozess her, der die Zelle aufschließt. Anschließend würde die Suppe aus Zelltrümmern und Wertstoffen fraktioniert werden müssen, um die Wertstoffe aus den Fraktionen extrahieren zu können.
Druckwechsel als energieeffiziente Aufschlussmethode
Die erste Aufgabe im Projekt bestand allerdings darin, ausreichend Algenbiomasse für die weitere Prozessentwicklung zu produzieren. Nachdem diese vorlag, musste das Team die beste Technologie finden, um die Zellen zu knacken. „Es geht darum, Energieaufwand und Produktausbeute optimal zu kombinieren“, erklärt die Projektleiterin. Etabliert ist für den Zellaufschluss die Rührwerkskugelmühle, doch dieses Verfahren ist äußerst energieintensiv. Der Hochdruckhomogenisator überzeugte das Team ebenso wenig: Er entwickelt ebenfalls hohe Temperaturen und benötigt viel Energie zum Gegenkühlen, damit das Produkt nicht leidet.
Die Forschenden favorisierten daher die Druckwechseltechnologie. Dabei werden die Zellen unter Druck gesetzt und so schnell wieder entspannt, dass sie dabei platzen. Weitere Vorteile der Methode: Die Inhaltsstoffe werden dabei nicht beschädigt und eine kontinuierliche Prozessführung ist möglich. „Von den Kosten her war die Methode gut“, resümiert Schmid-Staiger, „aber für einen besseren Zellaufschlussgrad müsste noch etwas mehr Energie rein.“
Proteine und Fettsäuren gewinnen
In der nun aufgeschlossenen Zellsuppe finden sich beispielsweise Proteine, die für Lebens- und Futtermittel interessant sind. Ebenfalls vorhanden ist Laminarin, das das Immunsystem aktiviert und in Futtermitteln Antibiotika ersetzen könnte. Im Pflanzenschutz könnte es anstelle von Fungiziden Nutzpflanzen vor Pilzkrankheiten bewahren. Und dann sind da noch Omega-3-Fettsäuren, die Fettsäure EPA oder das entzündungshemmende sowie gewichtsreduzierende Pigment Fucoxanthin. Einige dieser Stoffe sind wasserlöslich, andere fettlöslich.
„Die wasserlöslichen Inhaltsstoffe kann man leicht abtrennen“, erklärt Schmid-Staiger. Wollte man nur diese für den Tierfutterbereich bereitstellen, wäre das Ziel damit schon erreicht, denn für diesen Zweck sind keine hochreinen Einzelprodukte erforderlich. „Alle reden derzeit von Proteinen, die man mit Algen produzieren kann, aber das ist eher ein Nebenprodukt, weil Proteine aus Pflanzenbiomasse billiger sind“, ordnet die Forscherin ein. Würde man Laminarin oder Fucoxanthin separat aufreinigen, ließe sich damit eine Wertsteigerung erzielen. „Die verschiedenen Fraktionen mit verschiedenen Anwendungszwecken könnten in Kombination dann vielleicht die Kosten für Biomasse, Produktion und Aufarbeitung wirtschaftlich machen“, schätzt Schmid-Staiger.
Ausbeuten von mehr als 90 Prozent
Fettlösliche Inhaltsstoffe sind hingegen schwieriger zu extrahieren als wasserlösliche. Gern hätte das Forschungsteam dafür die Trockenextraktion erprobt und bewertet, doch im Zuge der Coronapandemie machten Lieferverzögerungen einen Strich durch diese Rechnung. Praktisch genutzt hat das Team stattdessen eine Flüssigextraktion mit Ethanol. Die Ausbeuten lagen dabei teilweise höher als 90 %.
Zusammen mit Erfahrungen aus parallelen großen Forschungsprojekten zur Algenbiotechnologie konnte das Projektteam schließlich die unterschiedlichen Prozessoptionen miteinander vergleichen. „Wir können jetzt sagen: Das kostet soundsoviel“, resümiert Schmid-Staiger. Auch die Fragen, wie viel Biomasse für eine bestimmte Ausbeute aufbereitet werden muss oder welche Schritte wirtschaftlich sind, lassen sich nun besser abschätzen. „In der Algenproduktion benötige ich ganz viel Strom, die Wirtschaftlichkeit hängt letztlich vor allem von den Stromkosten ab“, sagt die Forscherin. Ähnliches gilt für die Ergebnisse der Lebenszyklusanalyse: Wie nachhaltig ein Prozess in der Algenbiotechnologie ist, wird stark davon bestimmt, ob Ökostrom genutzt wird.
Hochwertige Kultivierung verbessert Profitabilität
Nicht zuletzt stammt eine wichtige Erkenntnis aus den ersten Schritten des Projekts: Die eigenen Algen aus der Freilandproduktion am Fraunhofer CBP hatten eine Qualität, wie Schmid-Staiger sie in anderen Projekten noch nicht erlebt hat: Die spezielle Prozessführung und die Photobioreaktoren resultierten in Zellen mit einem hohen Gehalt an Inhaltsstoffen. Das bedeutet bessere Ausbeuten und damit eher den Sprung in die Profitabilität.
Autor: Björn Lohmann