Von Algenbauern und Biosprit
Der kompakte Medienrückblick: Riffe mit Bäumen renaturieren +++ Biosprit aus der Steckdose +++ Insekten schmackhaft machen +++ Algenanbau im Münsterland
Biodiversität – Riffe sorgen für Artenvielfalt im Meer. Doch nicht nur die Korallenriffe in tropischen Gewässern sind bedroht. Auch in der Nordsee geht ihr Bestand seit Jahren zurück. Betroffen sind unter anderem die Austernriffe im niederländischen Teil der Nordsee. Dort haben Forscherinnen und Forscher des Niederländischen Instituts für Meeresforschung jetzt eine altbewährte Methode angewandt, um die Riffe zu renaturieren, wie Michael Böddeker im Deutschlandfunk berichtet. Ein Team um den Meeresbiologen Jon Dickson machte sich die Erkenntnis zunutze, dass Bäume, die einst im Meer landeten, als Totholz unzählige Arten anlocken. Also versenkte das Team insgesamt vier Bündel aus je sechs Birnenbäumen im Meer, die mit einem Metallgestänge zusammengehalten und mit einem Betonfuß beschwert wurden. Das Ergebnis: Nach nur vier Monaten waren die Bäume mit Leben gefüllt. Aber nicht nur das. Rund um die künstlichen Riffe lebten nach nur sechs Monaten fünfmal so viele Fische wie anderswo.
Biotechnologie – Es ist der universelle Energieträger aller Lebewesen: das Molekül Adenosintriphosphat, kurz ATP. Ohne ATP wären weder Stoffwechsel noch Wachstum möglich, das gilt für tierische ebenso wie für pflanzliche Zellen. Wie Joachim Müller-Jung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt, hat ein Team unter Leitung von Tobias Erb vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie nun ein Verfahren entwickelt, um elektrische Energie in biochemische Energie umzuwandeln und ATP zu erzeugen. Die im Projekt „EBioCO2n" entwickelte Methode basiert auf der Entdeckung eines Enzyms namens Aldehyd-Ferredoxin-Oxidoreduktase in einem Bakterium namens Aromatoleum aromaticum. Dieses Enzym ist ein kleiner „Energiegenerator”, der elektrische Energie in chemische Energie umwandeln und die gespeicherte Energie zur Herstellung von ATP nutzen kann. Die Effizienz dieses „metabolischen Herzenz” ist den Forschenden zufolge erstaunlich hoch. Mit einem Wirksamkeitsgrad von 47 % würde es die Effizienz der Photosynthese übertreffen. Die Entwicklung des Verfahrens zielt darauf ab, ATP zur Herstellung von komplexen Molekülen wie Stärke und Biotreibstoffen zu verwenden, sowie die Produktion von Proteinen aus einfachen Molekülen zu ermöglichen. Dies könnte erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie in Biomolekülen und Bioreaktoren speichern. Langfristig könnte das neue Verfahren die Herstellung von therapeutischen Peptiden und künstlichen Geschmacks- und Geruchsstoffen ermöglichen.
Ernährung – Insekten sind reich an Proteinen. Ihre Aufzucht verursacht deutlich weniger Treibhausgase als die Produktion eines Stücks Rindfleisch. Zudem sind sie relativ anspruchslos und könnten beispielsweise auf Lebensmittelabfällen gezüchtet werden. Forschende sind überzeugt, dass Insekten Fleisch teilweise ersetzen könnten. In der EU sind inzwischen vier Insektenarten als Lebensmittel zugelassen. Doch Mehlwurm und Co. haben immer noch ein schlechtes Image und stoßen bei den Konsumentinnen und Konsumenten eher auf Ablehnung. Hauke Hohensee berichtet im Tagesspiegel, wie sich das mit einem Trick ändern lässt. Um die Hemmschwelle für Verbraucherinnen und Verbraucher zu senken, setzen Lebensmittelhersteller inzwischen verstärkt auf verarbeitete Insekten. Ganze Tiere zum Verzehr anzubieten, ist eher die Ausnahme. „Die Zukunft wird aus meiner Sicht sein, dass man Insekten mahlt und als Zutat im Rahmen hybrider Rezepturen nutzt. Dann gibt es nicht mehr eine Nudel aus Getreide, eine aus Mais und eine aus Insekten, sondern eine Mischung“, sagt Sascha Rohn, Professor für Lebensmittelchemie und Analytik an der Technischen Universität Berlin. Auch fleischähnliche Ersatzprodukte, wie es sie heute zum Beispiel schon aus Soja gibt, sind laut Rohn denkbar.
Landwirtschaft – Nicht nur der Klimawandel, auch die Ansprüche der Verbraucherinnen und Verbraucher stellen die Landwirtschaft vor große Herausforderungen. Landwirt Ulrich Averberg aus dem Münsterland hat seinen Betrieb deshalb bereits umgestellt. Er züchtet Spirulina-Algen und experimentiert gerade mit Nudeln und Snacks wie Algensticks, wie Matthias Kirsch in einer Reportage in der Zeit schreibt. Noch gehört der Algenzüchter aus dem Münsterland zu einer Minderheit. Mehr als 97 Prozent der Algen, die für den menschlichen Verzehr gezüchtet werden, kommen nach wie vor aus Asien. Doch was die Qualität der Algen angeht, ist Averberg überzeugt, haben die deutschen Produkte die Nase vorn. Als Gründungsmitglied der Deutschen Algengenossenschaft will Averberg die Algenzucht in Deutschland aus der Nische holen. Denn das Potenzial der grünen Winzlinge ist enorm. Erst kürzlich kam eine internationale Studie zu dem Ergebnis: Würden zehn Prozent der menschlichen Ernährung auf Algen umgestellt, müssten 110 Millionen Hektar – etwa die doppelte Fläche Frankreichs – nicht mehr für den Anbau von Futtermitteln genutzt werden. Das wiederum würde der Erde CO₂-Emissionen in Höhe von bis zu 2,6 Milliarden Tonnen ersparen – jedes Jahr. Und eine Studie des Max-Planck-Instituts hat gerade nachgewiesen, dass der Schleim von Braunalgen das Potenzial hat, tonnenweise CO₂ im Meer zu speichern. Neben den Regenwäldern.