Zuchtbullen: Gen-Check deckt Unfruchtbarkeit auf

Zuchtbullen: Gen-Check deckt Unfruchtbarkeit auf

Tiermediziner sind bei Rindern einem Gendefekt auf die Spur gekommen, der ansonsten kerngesunde Bullen unfruchtbar macht. Mit einem neuen Test können künftig nun Tiere ausgewählt werden, die als Zuchttiere infrage kommen.

Zucht Rinder Gencheck Analyse
Prächtige Anlagen bringt der Fleckvieh-Zuchtbulle namens Steinadler mit.

Manche Fleckvieh-Bullen sind augenscheinlich kerngesund. Doch eine winzige Veränderung im Erbgut lässt ihre Chance auf Nachwuchs gegen Null sinken: Auf Chromosom 19 haben Forscher aus Bayern einen Gendefekt gefunden, der sich auf die Qualität der Spermien auswirkt – und die Bullen damit unfruchtbar macht. Zum Nachweis der Mutation setzten die Forscher der Technischen Universität München auf modernste Sequenziertechniken. Mithilfe eines Gen-Checks kann fortan festgestellt werden, welche Rinder als Zuchttiere infrage kommen. Die Forscher berichten in PLOS Genetics (2014, Online-Veröffentlichung). Das BMBF hat die Arbeiten im Rahmen des Forschungsclusters „Synbreed“ von 2009 bis 2014 gefördert.

Das Fleckvieh stammt ursprünglich aus dem Alpenraum. Heute ist diese robuste Rinderrasse auf allen Kontinenten zuhause. Geschätzt sind es weltweit etwa 40 Millionen Tiere. In Deutschland leben etwa 1 Million Milchkühe der Fleckvieh-Rasse. „Ihre Genome lassen sich auf einige wenige Vorfahren, sogenannte Schlüsselahnen, zurückführen“, erläutert Ruedi Fries, Leiter des Lehrstuhls für Tierzucht an der Technischen Universität München (TUM). „Über die künstliche Besamung können männliche Zuchttiere mehr als hunderttausend Nachkommen hervorbringen.“

Information

Forschungsverbund Synbreed

Das BMBF investiert bis 2015 bis zu zwölf Millionen Euro in den Forschungsverbund Synbreed. Die Partner forschen an modernsten Methoden zur Tier- und Pflanzenzüchtung. Die TU München koordiniert das Netzwerk.

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Mutation auf Chromosom 19 macht unfruchtbar

Diese Praxis birgt jedoch Risiken: Befindet sich im Erbgut der Rinder ein unerkannter Gendefekt, pflanzt sich das Merkmal in späteren Generationen fort. Wissenschaftler der TUM haben jetzt entdeckt, dass eine Mutation im Gen TMEM95 auf dem Rinderchromosom 19 die Bullen nahezu unfruchtbar macht – nicht einmal 2 Prozent aller Besamungen verlaufen dann erfolgreich. „Ansonsten sind die Tiere völlig gesund und unauffällig“, sagt Hubert Pausch, Erstautor der Studie. „Das Merkmal prägt sich außerdem nur dann aus, wenn Bullen die Mutation vom Vater- und vom Muttertier erben, also reinerbig (homozygot) für das defekte Gen sind. Lediglich in diesem Fall sollten die Tiere aus der Züchtung ausgeschlossen werden.“ Bereits seit August 2012 werden alle Zuchtbullen routinemäßig mit einem Gentest untersucht.

Eiweißmolekül sitzt auf der Oberfläche der Spermien

Die Forschungsarbeiten wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Agrarforschungsclusters „Synbreed“ gefördert. In ihrer Studie verglichen die Wissenschaftler das Genom von 40 wenig fruchtbaren (subfertilen) Rindern mit 8.000 normal fruchtbaren Zuchtbullen. Dabei fanden sie auch heraus, dass sich der Gendefekt bis zu einem 1966 geborenen Stammvater der Fleckviehzucht zurückverfolgen lässt. Das TMEM95-Gen kodiert für ein Protein auf der Oberfläche der Spermienköpfe. Das Protein vermittelt die Bindung zwischen Samen- und Eizelle. Fehlt es, kommt es nicht zur Befruchtung. „Unsere Arbeiten liefern Hinweise, dass Gendefekte in TMEM95 auch bei Männern zu Unfruchtbarkeit führen könnten“, erläutert Pausch. Bei der Untersuchung von Spermien unfruchtbarer Zuchtbullen arbeiteten die TUM-Wissenschaftler mit Sabine Kölle und Matthias Trottmann vom Klinikum Großhadern (LMU München) zusammen. Trottmann betreut Paare mit unerfülltem Kinderwunsch.

Genanalysen für mehr Tiergesundheit

Seit 2009 wird das Genom von Rindern systematisch untersucht. Im Vergleich zum Menschen erklären einige wenige Genorte einen großen Anteil der Merkmale. „Das genetische Profil von Zuchtbullen kann so punktgenau charakterisiert werden – individuelle Schwachpunkte lassen sich dann in der Zucht berücksichtigen“, so Pausch. Fries ergänzt: „Genanalysen zeigen, welche erwünschten Merkmale, aber auch welche Krankheiten die Tiere vererben. So können nicht nur Ertrag und Qualität verbessert werden: Wir können auch die Tiergesundheit fördern, indem wir krankmachende Genvarianten finden – und dafür sorgen, dass sie sich nicht weitervererben.“ Im vorvergangenen Jahr waren die Synbreed-Forscher auch einem Vererbungsmuster auf die Spur gekommen, das beim Fleckvieh zu Nachkommen mit braunen Fellringen um die Augen führt.

Autor: Philipp Graf