Von Artenschutz-Formeln und Mikroben-Handel
Der kompakte Medienrückblick: Nachhaltige Ernährung – aber wie? +++ Formel für Artenschutz +++ Online-Handel mit Mikroben-Vielfalt +++ Biokunststoff aus Sisal
Ernährung – Die Weltbevölkerung wächst und mit ihr wächst der Bedarf an Lebensmitteln. Dabei besteht jetzt schon ein enormes Ungleichgewicht zwischen Unterernährung auf der einen sowie Übergewicht und Fettleibigkeit auf der anderen Seite. Sandra Kirchner berichtet in der Frankfurter Rundschau über eine aktuelle Studie zur weltweiten Ernährungssicherung eines internationalen Forscherteams unter der Leitung der Oxford Martin School. Sie haben untersucht, unter welchen Bedingungen zehn Milliarden Menschen bis 2050 nachhaltig ernährt werden können. Das Fazit der Studienautoren: Es braucht ein Bündel an Maßnahmen, dass sowohl in den Industrie- als auch den Entwicklungsländern umgesetzt werden muss. Dabei sollten sich alle Menschen vermehrt vegetarisch ernähren, außerdem solle der Verlust und die Verschwendung von Lebensmitteln verringert und die landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen verbessert werden. Die Forscher haben ein Modell entwickelt, das Umweltwirkungen sowie Produktions- und Konsummechanismen des Ernährungssystems kombiniert. Anhand des Modells suchten sie dann nach den Optionen, die das Nahrungsmittelsystem innerhalb der Umweltgrenzen halten könnten. Demnach würden weniger Fleischkonsum und dafür eine stärker pflanzenbasierte Ernährung die Treibhausgasemissionen des Ernährungssystems um mehr als die Hälfte reduzieren. Auch andere Umweltauswirkungen etwa durch die Düngung von Ackerland könnten so gesenkt werden, heißt es in der Studie.
Biodiversität – Laut Weltnaturschutzunion IUCN sind derzeit 2.867 Tier- und 2.787 Pflanzenarten „vom Aussterben bedroht“. Um diese Arten zu schützen und zu erhalten, werden viele Ressourcen und Geld benötigt. Doch das Geld ist knapp, es reicht nicht um alle Arten zu retten. Aber wie und für welche Arten soll man sich entscheiden? Roland Knauer berichtet im Tagesspiegel über eine neue Formel, die genau diese Entscheidung erleichtern soll. Erstellt wurde sie von Wissenschaftlern um Leah Gerber von der Arizona State University in Tempe. Ihrer Meinung nach kann man anhand der Formel ablesen, wie effektiv Schutzmaßnahmen für eine Art sein werden, und damit auch, ob sie sich „lohnen“. Mit dieser Formel könnten staatliche und private Naturschutzorganisationen die ihnen zur Verfügung stehenden Summen mit optimierter Effektivität einsetzen. Die Formel basiert auf vier Faktoren: Was bringt die Maßnahme, wird eine Art dadurch also dauerhaft stabilisiert und kann möglicherweise bald wieder ohne Schutzmaßnahmen existieren? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Maßnahme erfolgreich ist, also die jeweilige Art vor dem Aussterben bewahrt? Der dritte Faktor fragt, wie nützlich ist die Art? Dabei zählen sowohl ökologische Werte wie bei den Bienen als auch symbolische Werte wie beim Weißkopfseeadler in den USA oder den Kiwi-Vögeln in Neuseeland. Der vierte Faktor sind die Kosten der Maßnahme. Durch sie werden die drei anderen vorher miteinander multiplizierten Werte geteilt. Das Ergebnis ist ein Wert für die Effektivität einer Maßnahme: Je höher die Zahl, desto besser.
Biotechnologie – Am Braunschweiger Leibniz-Institut DSMZ lagern 65.000 verschiedene Bakterien-, Viren- oder Pilzarten, die Wissenschaftler aus aller Welt bestellen können. Andrea Hoferichter berichtet in der Süddeutschen Zeitung über das etwas andere Archiv: Das als gemeinnützig anerkannte Institut sammelt und konserviert die Kleinstlebewesen, betreibt damit eigene Forschung und verkauft sie über eine Art Online-Shop an Wissenschaftler – unter Auflagen. Etwa 40 000 "Bioressourcen" gehen auf diese Weise jedes Jahr an rund 10.000 Kunden in 90 Ländern raus. Der Verkauf, der hier unter "Buyodiversity" läuft, deckt etwa ein Drittel der Kosten für die Sammlung und Forschung des Instituts. Der Rest wird aus öffentlichen Fördergeldern und Drittmitteln bestritten. Ziel des Instituts: Die biologische Vielfalt der Mikroben zu sichern, um ihre Rolle bei verschiedensten Prozessen zu erforschen sowie ihren potentiellen Einsatz für eine industrielle Nutzung analysieren zu können.
Bioplastik – Kunststoffe und Plastik begleiten uns inzwischen in fast allen Lebenslagen. Doch durch ihr erdölbasiertes Herstellungsverfahren sowie ihre lange Halbwertszeit bis sie abgebaut sind, stellen sie gleich zweifach eine Umweltbelastung dar. Deshalb gibt es immer mehr Bemühen, die Kunststoffe aus biobasierten Stoffen herzustellen. Dierk Jensen besucht für die taz eine Sisalfarm in Tansania. Sisal wird aus den Blättern der Agave sisalana gewonnen, kann synthetische Fasern in vielen Fällen problemlos ersetzen und für die Herstellung von Garnen, Seilen, Tauen, Teppichen und vielem mehr verwendet werden. Nachdem in den 70er Jahren die Kunststofffasern aus Polypropylen immer gefragter wurden, schrumpfte die Nachfrage nach Sisal, was auch die Bauern in Tansania zu spüren bekamen. Hier waren früher etliche Sisalplantagen, die durch den Plastikboom fast alle stillgelegt und verlassen wurden. Doch aufgrund des Klimawandels und dem wachsenden Bewusstsein für die Umweltverschmutzung durch Plastik steigt die Nachfrage nach Sisal wieder. Die wenigen Plantagen, die überlebt haben, freut der wachsende Bedarf. Viele Abnehmer befinden sich in den arabischen Staaten, in China, Indien, aber auch in Europa. Während die Araber die Faser als Strukturmaterial im Gipsbau verwenden, verarbeiten die Inder die Faser überwiegend zu Teppichen. Aber auch für Fischerei und Schifffahrt könnten naturbasierte Tauwerke langfristig immer gefragter werden, da die bisherigen synthetischen Seile in den Meeren nicht verrotten und deshalb zu wachsendem Müll unter Wasser beitragen.