Von Milbenmitteln und Reis-Akkus
Der kompakte Medienrückblick: Plastiktüten im Kompost +++ Weinreben gegen Schädling impfen +++ Günstiges Salz gegen Bienenparasiten +++ Akkus aus Reisresten
Recycling – Umweltverschmutzung durch Plastik und insbesondere Mikroplastik ist zur Zeit in aller Munde. Müllvermeidung ist eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken. Eine andere sind biologisch abbaubare Verpackungen. Julia Kaulbars berichtet im 3sat in der Sendung „nano“ über die Missverständlichkeit dieses Begriffes. Denn viele Kunden denken, dass sich biologisch abbaubare Plastiktüten auch für den Kompost eignen. Doch tatsächlich stellen diese für 80% der Kompostieranlagen in Deutschland ein Problem dar. Denn die Laborbedingungen, unter denen der Abbauprozess getestet und zertifiziert wird, stimmen nicht mit der Realität überein: Die Bedingungen im Labor sind deutlich wärmer und gleichzeitig haben die Tüten wesentlich länger Zeit abzubauen. Plastik muss deshalb in den Kompostieranlagen aus den Bioabfällen aussortiert werden, das kostet Zeit und Geld. Frederick Wurm vom Mainzer Max-Planck-Institut für Polymerforschung kritisiert daher die fast 20 Jahre alte Euro-Norm, mit der bestimmte Plastiktüten als biologisch abbaubar zertifiziert werden können, als nicht mehr zeitgemäß. Denn auch der Zerfall in Plastikteilchen kleiner als zwei Millimeter, also in Mikroplastik, zählt laut der alten Norm als „biologisch abgebaut“. Kompost, der diese Mikroplastikteilchen enthält, könnte demnach laut Bioabfallverordnung offiziell auf dem Acker landen.
Landwirtschaft – Wenn Pilzsporen des sogenannten Esca-Komplexes in den Stamm einer Weinrebe gelangen, dann stirbt der Stock allmählich ab. Die Triebe sind vertrocknet, die einzelnen Beeren sind verschrumpelt und für die Weinernte verloren. Anke Petermann berichtet im Deutschlandfunk in der Sendung „Umwelt und Verbraucher“ über einen neuen Ansatz, diesen Pilz zu bekämpfen: Jochen Fischer vom Institut für Biotechnologie und Wirkstoff-Forschung Kaiserslautern und Frederick Wurm vom Mainzer Max-Planck-Institut für Polymerforschung haben eine spezielle Lösung hergestellt, die sie den Reben „einimpfen“ wollen. Die Lösung enthält Lignin-Nanopartikel, die mit einem Fungizid beladen sind. Frisst der Pilz die Nanopartikel, nimmt er gleichzeitig das Gift auf und stirbt ab. Doch was ist mit dem Wein, enthält der dann auch die Nanopartikel und das Fungizid? Bisher haben die Forscher noch keinen Wirkstoff in den Früchten nachweisen können. Zur Zeit laufen weitere Untersuchungen, die nicht nur mögliche Rückstände ergründen, sondern auch, in welchem Krankheits-Stadium der Nano-verpackte Wirkstoff befallene Reben kurieren kann. Außerdem testen die Wissenschaftler einen biologischen Wirkstoff: Trichoderma. Ebenfalls ein Pilz, der in der Weinrebe dem Esca-Komplex schlicht den Lebensraum streitig machen soll.
Bienenwirtschaft – Es war die Schlagzeile schlechthin: Der Quälgeist der Bienen, die Varroa-Milbe, kann durch einfaches Lithiumchlorid abgetötet werden. Herausgefunden hatten das Hohenheimer Forscher in Zusammenarbeit mit dem Biotechnologen Stefan Hannus. Hans von der Hagen berichtet in der Süddeutschen Zeitung über die schwierige Entwicklung eines einfachen Milbengiftes. Der Ansatz von Hannus basierte ursprünglich auf speziellen RNA-Molekülen, die schädliche Gene der Milbe wirkungslos machen, ohne deren Genom zu verändern. Eine Technologie mit der sein Start-up Sitools Biotech seit Jahren erfolgreich ist. Doch bei den Bienen und den Milben stellte sich heraus, dass die Technologie gar nicht nötig ist, sondern nur die Trägersubstanz, die das Lithiumsalz enthält. Dieses wiederum ist billig und in großen Mengen erhältlich und demnach prädestiniert für ein industrielles anti-Milbenmittel. Doch nun scheint gerade diese kostengünstige Bilanz einer Weiterentwicklung im Wege zu stehen: Da die Grundsubstanz billig ist, rechnen Experten mit einer sehr geringen Gewinnspanne. Das wiederum schreckt potenzielle Investoren ab und alleine kann Hannes die Weiterentwicklung und veterinärmedizinische Zertifizierung nicht stemmen.
Upcycling – Lithium-Ionen-Akkus treiben heute vom Smartphone bis zum Saugroboter viele Alltagsgegenstände an. Häufig müssen sie allerdings eher wieder aufgeladen werden, als es den Verbrauchern lieb ist. Darum arbeiten Forschung und Industrie mit Hochdruck daran, die Akkuleistung zu verbessern. Tatsächlich könnte die Leistung verdoppelt werden, wenn statt Grafit das Halbmetall Silizium als Energiespeicher verwendet wird. So eine siliziumbasierte Batterie könnte man außerdem sogar aus Abfällen der Reisproduktion herstellen. Thomas Stölzel berichtet in der Wirtschaftswoche über den neuen Hoffnungsträger der Akku-Industrie: Bisher wird Silizium aus Quarzsand gewonnen. Forscher der Stanford University und des US-Energieministeriums wollen Silizium nun aus den Hülsen gewinnen, in denen Reiskörner heranwachsen: 140 Millionen Tonnen Reishülsen fallen weltweit jedes Jahr als Abfall an. Sie bestehen zu rund 20% aus Silizium. Gleichzeitig arbeiten Forscher des Helmholtz-Zentrum Ulm daran, das seltene Metall Kobalt durch Farbstoffe aus Pflanzenblättern zu ersetzen.