Von algenbasiertem Fischersatz und Strom aus Luft
Der kompakte Medienrückblick: Abschied von der Orange +++ Algen als Fischersatz +++ Aus Luft wird Strom +++ Bahn verzichtet auf Glyphosat
Landwirtschaft – Eine bakterielle Krankheit namens Huanglongbing (HLB) befällt weltweit Zitrusbäume und bringt sie zur Frühreife. Die Früchte werden ungenießbar und fallen vorzeitig vom Baum. Bisher gibt es gegen die Pflanzenkrankheit keine Kur, wie Winand von Petersdorff-Campen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung berichtet. Die Pflanzenkrankheit breitete sich zuerst in Asien aus und erreichte 2004 Brasilien und damit den amerikanischen Kontinent. Seit 2005 verwüstet HLB Zitrusfelder in Florida und breitet sich seither in weitere US-Bundesstaaten aus. Florida wird in dieser Saison 2022/2023 knapp zwei Drittel weniger Orangen ernten als in der vergangenen Saison. Nach Angaben der Bayer AG breitet sich die Pflanzenkrankheit bereits in sieben der zehn größten Anbaugebiete der Welt aus. Auch Ernten in Asien, Brasilien und der Dominikanischen Republik seien dezimiert worden. Die einst blühende Zitruslandwirtschaft in Indien sei verschwunden, notiert das Landwirtschaftsministerium Kaliforniens. HLB sei der wichtigste Grund. Europa bleibt nicht verschont. Inzwischen wurde HLB auf der iberischen Halbinsel festgestellt. Der Klimawandel begünstigt die Verbreitung, weil ein Insekt mit dem Namen asiatischer Zitrusblattfloh nach Ermittlungen von Forschern der University of Florida zwischen 15 und 30 Grad gut gedeiht. Der Zitrusblattfloh ist der Wegbereiter der Bakterie, die das Adersystem der Zitruspflanze von der Mandarine bis zu Tangerine erobert. Wenn keine Kur gefunden wird, könnte die Produktion von Orangen, Mandarinen, Pampelmusen und Zitronen binnen 10 bis 15 Jahren komplett zum Erliegen kommen, warnt Bayer.
Ernährung – In Japan oder Südkorea gehören Algen zur täglichen Ernährung. Das Berliner Start-up Bettafish plant, Algen auch für den europäischen Gaumen tauglich zu machen, wie Charlotte Aebischer im Tagesspiegel berichtet. Die erst 2020 gegründete Firma hat sich auf die Produktion von Thunfischersatz spezialisiert. Ihr Sortiment umfasst Sandwiches, Pizzen und Aufstriche mit Thunfischersatz aus Algen, die aus Irland und Norwegen stammen. „Es gibt sogar Algensorten, die nach Trüffel oder Zitrone schmecken", erzählt Deniz Ficicioglu, Mitbegründerin von Bettafish. Durch die Zubereitung könne der Geschmack enorm variieren. Frittiere man eine bestimmte Alge, so schmecke das Ergebnis wie Bacon. Andere könne man in der Produktion von veganem Käse nutzen. Langfristig sei es das Ziel von Bettafisch, eine breite Palette an algenbasierten Produkten anzubieten. Gerade arbeite man an der Herstellung von Dosenthunfisch. Dieser soll noch im Laufe des Jahres auf den Markt kommen. Man überlege zudem, die Bandbreite auf andere Fische oder Meeresfrüchte zu erweitern. Nicht nur in Bezug auf den Geschmack könnten Algen das Essen der Zukunft werden. Im Gegensatz zu anderen Pflanzen sind weder Gießen noch Düngen nötig, denn die Algen holen sich ihre Nährstoffe selbstständig aus dem Wasser. Ein Vorteil gegenüber der Fischerei ist, dass es bei der Ernte keinen Beifang gibt. Außerdem trägt die Algenzüchtung zur Biodiversität bei und stärkt das Ökosystem, das sie umgibt. Momentan kämen laut Ficicioglu nur 2 % aller Lebensmittel aus der See, dabei seien über 70 % unseres Planeten mit Wasser bedeckt. Sie rechnet vor, dass es genüge, 2 % der Meeresfläche zu bepflanzen, um die gesamte Weltbevölkerung zu ernähren.
Elektrobiotechnologie – Ein australisches Forschungsteam hat ein Enzym entdeckt, das Luft in Energie umwandeln kann, wie Tanja Banner in der Frankfurter Rundschau berichtet. Der Fund des Teams um Rhys Grinter von der Monash University in Melbourne wurde im Fachjournal Nature vorgestellt. Das Enzym mit dem Namen Huc nutzt die geringen Mengen Wasserstoff in der Luft, um elektrischen Strom zu erzeugen. Um dem Mechanismus auf die Spur zu kommen, untersuchte die Forschungsgruppe das Bakterium Mycobacterium smegmatis. Das seit 1884 bekannte Bakterium lebt in der Regel im Erdboden, verursacht keine Krankheiten und ist relativ gut erforscht. Ein Enzym, das aus Luft Energie produziert, klingt nützlich – und die Forschungsgruppe hat bereits einige Ideen, wie man Huc einsetzen könnte. Zum Beispiel als Wasserstoff-Sensor, denn das Enzym produziert immer dann Strom, wenn Wasserstoff vorhanden ist. Zu den spannendsten Möglichkeiten dürfte zählen, das Enzym für kleine elektronische Geräte zu nutzen, die es antreiben könnte, indem es aus der Luft oder kleinen Wasserstoffmengen Energie gewinnt. Das bedeute, die Geräte würden eine „super-saubere und nachhaltige Energiequelle“ verwenden, wie es in einer Mitteilung der Universität in Melbourne heißt. Nutze man mehr Wasserstoff, könnte das Enzym deutlich mehr Energie produzieren. Der Forscher Grinter ist sich sicher: „Sobald wir ‚Huc‘ in ausreichender Menge produzieren, sind seiner Nutzung zur Erzeugung von sauberer Energie buchstäblich keine Grenzen mehr gesetzt.“
Umweltschutz – Die Bahn will noch in diesem Jahr auf das umstrittene Unkrautbekämpfungsmittel Glyphosat verzichten. Als Alternative gegen den Bewuchs im Gleis setze das Unternehmen auf ein „nachhaltiges Vegetationsmanagement“, wie in der taz berichtet wurde. Dazu zählten die digitale Vegetationskontrolle, der Einsatz mechanisch-manueller Verfahren sowie die Nutzung umweltschonender Pelargonsäure. Die Bahn verfügt über rund 33.400 Kilometer Schienennetz in Deutschland. Glyphosat steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Die EU-Kommission beschloss eine Verlängerung der Zulassung bis Dezember 2023. Die Bahn hatte den Einsatz von Glyphosat bereits in den vergangenen Jahren deutlich zurückgefahren. „Wir halten Wort und steigen 2023 komplett aus der Nutzung von Glyphosat aus“, erklärte Bahn-Chef Richard Lutz. Damit übernehme die Deutsche Bahn Verantwortung für einen umwelt- und klimafreundlichen Schutz der Gleisanlagen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte: „Die Deutsche Bahn geht einen wichtigen Schritt hin zum vollständigen Glyphosat-Ausstieg, wie wir ihn im Koalitionsvertrag vereinbart haben.“ Er unterstütze ausdrücklich „dieses verantwortungsvolle Konzept für mehr Artenschutz“. Die Zulassung für den Einsatz der umweltschonenden Pelargonsäure erfolgte nach Bahn-Angaben im Februar durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in enger Abstimmung mit dem federführenden Bundesagrarministerium und dem Bundesverkehrsministerium. Der Einsatz der Säure ist demnach noch vorbehaltlich der Genehmigung des Eisenbahn-Bundesamts.