Von Vertical Farming und Ur-Enzymen
Der kompakte Medienrückblick: Neue Chancen für Vertical Farming +++ Tiefsee-Mikrobe zersetzt Plastik +++ Kakteen statt Oliven anbauen +++ Modellprojekt für resiliente Bäume gestartet
Pflanzenzucht: Das Berliner Start-up Infarm hat sich als erstes deutsches Unternehmen auf den Anbau von Salat und Kräutern in Indoor-Farmen ohne Erde und Sonnenlicht spezialisiert. Doch die Zukunft solcher Unternehmen ist wegen der hohen Energiekosten für Beleuchtung und Klimatisierung fraglich, wie Max Fluder in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt. Infarm hat inzwischen seine Zentrale in Berlin geschlossen und sich aus Europa zurückgezogen. Während das Konzept des Vertical Farming in Europa auf unsicheren Füßen zu stehen scheint, sehen Experten wie Heike Mempel von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf Potenzial vor allem in Wüstenregionen oder Megacities, wo der konventionelle Anbau eingeschränkt ist. Infarm belieferte bisher Supermärkte in Deutschland mit frischen Produkten. Noch einen Schritt weiter geht das Fraunhofer IME in Aachen. Mit dem System "OrbiLoop/OrbiPlant" wurde eine Technologie entwickelt, bei der Pflanzen auf einem Förderband wachsen. Im Gegensatz zu bisherigen Indoor-Farming-Methoden arbeitet diese Technologie mit einem integrierten, wellenförmigen Fördersystem, das die jeweiligen Pflanzen fixiert und kontinuierlich im Raum neu ausrichtet und so die Produktion bestimmter Pflanzenhormone und das Blattwachstum steigert. Unternehmen können das System vom Fraunhofer IME lizenzieren. Die Forschenden sehen Potenzial für das System in verschiedenen Anwendungen, unter anderem für die Integration in Fassaden oder Dächern. Darüber hinaus könnte Vertical Farming nicht nur für die Nahrungsmittelproduktion relevant sein, sondern auch für die Herstellung von medizinischen Produkten wie Gewürzen mit hohem Wirkstoffgehalt. Die Forschenden sind überzeugt, dass Vertical Farming damit nicht nur die Lebensmittelversorgung, sondern auch die Pharmabranche revolutionieren könnte.
Mikrobiologie – Große Mengen Plastikmüll treiben in den Weltmeeren und werden immer mehr Meerestieren zum Verhängnis. Das Meer selbst scheint eine biologische Lösung für das globale Plastikmüllproblem zu haben, wie Lisa Bullerdiek in der taz berichtet. In der Tiefsee haben Forschende der Universitäten Kiel, Hamburg und Düsseldorf einen Mikroorganismus namens PET46 entdeckt, der den Kunststoff Polyethylenterephthalat, kurz PET, abbauen kann. PET ist der Hauptbestandteil vieler Plastikflaschen. Das Enzym PET46 befindet sich in Archaeen, mikroskopisch kleinen Lebewesen, die sich unter extremen Bedingungen entwickelt haben. Sie sind in der Lage, Plastik bei 70 Grad Celsius zu zersetzen, so dass das Material wiederverwendet werden kann. So könnte ein Kreislauf geschlossen werden, ohne dass neues Plastik entsteht. Die Forschenden wollen PET46 nun durch künstliche Veränderung der DNA weiter verbessern und damit noch effektiver machen.
Landwirtschaft – Der Olivenanbau ist vor allem in Südeuropa verbreitet. Doch auch hier sind die Folgen des Klimawandels längst spürbar und führen regelmäßig zu Ernteausfällen. Das italienische Agrotech-Start-up Wakonda wagt nach dem Sterben der Olivenhaine mit dem Anbau von Feigenkaktus einen Neuanfang in der Landwirtschaft, wie Ulrike Sauer in der Süddeutschen Zeitung berichtet. Erste Feldversuche sind vielversprechend. Der Feigenkaktus erweist sich als vielseitig, genügsam und für die Kreislaufwirtschaft geeignet. Die Kakteen wurden auf ehemaligen Olivenhainen angepflanzt und mit einer speziell entwickelten Erntemaschine für verschiedene Zwecke geerntet. Künftig sollen die Kakteen als Tierfutter, Nahrungsmittel und zur nachhaltigen Energiegewinnung genutzt werden. Das Unternehmen rechnet mit einem jährlichen Gewinn von 2.000 bis 3.000 Euro pro Hektar bei geringem Arbeitsaufwand und Wasserverbrauch. In einer Bioraffinerie von Wakonda werden verschiedene Produkte hergestellt, darunter Proteine für Tierfutter, vitaminreiche Flüssigkeiten für Getränke und Kaktusmehl für Nudeln und Backwaren. Das Unternehmen testet auch die Nutzung von Biogas und überschüssigen Kaktusflüssigkeiten für nachhaltige Energie und Bewässerung.
Forstwirtschaft – Die ehemalige Gärtnerei in Branitz wird ab Ende 2024 in ein Modellprojekt für die "Neue Branitzer Baumuniversität" umgewandelt, das von der Bundesregierung gefördert wird, wie Iris Wußmann in rbb24 berichtet. Die 13 Hektar große Fläche wird bis März 2024 geräumt, um Platz für den Aufbau der Baumuniversität zu schaffen, der bis Ende 2025 abgeschlossen sein soll. Das 5,5 Mio. Euro teure Projekt erhält eine Förderung von 5 Mio. Euro vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen und ist Deutschlands größtes Modellprojekt für historische Gärten im Klimawandel. Die Baumuniversität soll resiliente Bäume und Sträucher erforschen, um gegen die zunehmenden Schäden durch den Klimawandel vorzugehen. Dabei werden ein Forschungsgewächshaus, eine Maschinenhalle, ein Substratlager und später weitere Gewächshäuser sowie Anzuchtbeete, Baumschulquartiere und eine Genbank entstehen. Das Ziel ist die Entwicklung von widerstandsfähigen Pflanzen, die sowohl klimaangepasste Eigenschaften aufweisen als auch das ursprüngliche Erscheinungsbild historischer Gärten bewahren sollen. Die Baumuniversität unter der Leitung von Christoph Haase plant, robuste Gehölze für historische Gärten in Deutschland zu erproben und heranzuziehen. Die Forschung konzentriert sich auf Gehölze aus Nordamerika, Südosteuropa und Kreuzungen aus heimischen und anderen Eichen.