Von Insektensterben und Gurkensole
Der kompakte Medienrückblick: Insektenschwund beeinflusst Blütenbildung +++ Gurkensole als Streusand-Ersatz +++ Böden besser schützen +++ Lebensmittel der Zukunft
Biodiversität – Europaweit gibt es immer weniger Insekten. Ein Grund ist die intensive Landwirtschaft, die auf Pestizide setzt, um Erträge zu sichern. Doch welche Folgen hat der Insektenschwund für die Pflanzenwelt? Ein französisches Forschungsteam untersuchte das an vier Populationen von Feldstiefmütterchen, wie Hanna Kopp in der taz berichtet. Für die Studie, die in der Zeitschrift New Phytologist erschienen ist, wurden kultivierte Stiefmütterchen aus den 1990er und 2000er Jahren mit heute wild wachsenden Exemplaren aus derselben Region verglichen, die unter intensiver Landwirtschaft und rückläufigen Bestäuberzahlen leidet. Das Ergebnis: Die heutigen Pflanzen zeigten 10 % kleinere Blüten und produzierten etwa 20 % weniger Nektar im Vergleich zu ihren Vorfahren. Die geringere Nachfrage von Bestäubern führte demnach dazu, dass die Pflanzen weniger attraktive Merkmale entwickelten. Die jüngere Stiefmütterchengeneration wurde seltener von Insekten bestäubt, was dazu führte, dass die Pflanzen vermehrt zur Selbstbestäubung übergingen, um ihr Überleben zu sichern. Den Forschenden zufolge stellt die verstärkte Selbstbefruchtung langfristig jedoch ein Risiko dar. Der Grund: Die genetische Vielfalt geht zurück und die Pflanze kann schlechter auf künftige Umweltveränderungen reagieren.
Kreislaufwirtschaft – Der Münchner Flughafen setzt in diesem Winter erstmals Gurkensole als Streusalz-Ersatz ein, wie aus einem Bericht in der Süddeutschen Zeitung hervorgeht. Die Gurkensole ist ein Nebenprodukt der Salzgurkenherstellung und wird durch Fermentation gewonnen. Lieferant ist die Firma Develey aus Unterhaching, die auf Dressings für Salate und Rohkost sowie auf die Gurkenverarbeitung spezialisiert ist. Ein Mitarbeiter der Firma hatte die Idee, die Gurkensole im Winterdienst zu nutzen. Damit brauchte das Unternehmen kein zusätzliches Streusalz zu kaufen. Auch wurde damit Wasser gespart, das sonst für die Herstellung der Salzlösung benötigt wird. Mittlerweile liefert Develey die gereinigte Gurkensole mit dem richtigen Salzgehalt gebrauchsfertig an Winterdienste aus. Aus 1.000 Tonnen Salzwasser entstehen demnach 1.100 Tonnen Sole. Im Winter 2022/2023 wurden durch die Weiternutzung der Sole 180 Tonnen Streusalz und 1,5 Millionen Liter Wasser eingespart, hauptsächlich durch regionale Abnehmer wie Straßenmeistereien und das BMW-Werk in Dingolfing. Der Flughafen München verwendet die Sole erstmals, um Zubringerstraßen und öffentliche Bereiche eisfrei zu halten. Die Rollbahn wird damit jedoch nicht behandelt, weil Salz für Flugzeuge nicht geeignet ist.
Landwirtschaft – Böden können mehr Kohlenstoff speichern als Wälder und sind entscheidend für die Anpassung an den Klimawandel. Doch durch Flächenversiegelungen, intensive Landwirtschaft und Klimawandel sind viele Böden in einem schlechten Zustand. Darauf verweist der aktuelle Bodenatlas von Heinrich-Böll-Stiftung, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und TMG Think Tank for Sustainability. Die Frankfurter Rundschau berichtet,dass in der Europäischen Union mittlerweile mehr als 60 % der Böden geschädigt sind, weltweit haben 50 bis 80 % ihren Humusgehalt verloren. In Deutschland gehen allein täglich 55 Hektar Land durch Siedlungsbau oder Verkehrsflächen verloren. Damit wird die biologische Vielfalt beeinträchtigt, die Anfälligkeit für Hochwasser und Dürren steigt und die globale Ernährungssicherheit wird gefährdet. Auch in Europa sind mittlerweile 13 EU-Mitgliedstaaten von Wüstenbildung betroffen, darunter Länder wie Ungarn und Bulgarien. Doch es gibt effektive Maßnahmen, um den Boden zu schützen – etwa mit dem Anbau von Zwischenfrüchten, den Verzicht auf Pestizide und das Pflanzen von Hecken. Die Herausgeber des Atlas fordern, Boden gleichrangig mit Wasser und Luft zu behandeln und auf europäischer Ebene ein eigenständiges Bodenschutzrecht einzuführen.
Ernährung – Die Lebensmittel der Zukunft werden in Fermentern und Bioreaktoren wachsen. Durch die massenhafte Vermehrung von tierischen Zellen oder Mikroorganismen können Produkte wie Fleisch, Fisch und Käse hergestellt werden. Bereits in diesem Jahr könnte der sogenannten zellulären Landwirtschaft der Durchbruch gelingen, wie Philip Bethge auf Spiegel Online berichtet. Laut Ivo Rzegotta, einem Vertreter des branchennahen Good Food Institute (GFI), sei im kommenden Jahr mit einer Reihe von Zulassungen im Bereich der modernen Fermentation zu rechnen. Außerdem werden erste Zulassungsanträge für kultiviertes Fleisch in der EU erwartet. Das Zulassungsverfahren für neuartige Lebensmittel sei sehr bürokratisch und dauere mehrere Jahre. Start-ups wie Impossible Foods, Perfect Day oder Solar Foods versuchen derzeit, Produkte wie fleischlose Burgerpatties, tierfreies Molkeprotein oder bakteriell hergestelltes Eiweiß auf den europäischen Markt zu bringen.