Von Mykonauten und grünen Arzneistoffen
Der kompakte Medienrückblick: Neuer Katalysator für die grüne Chemie +++ Feldversuche mit tropischen Nutzpflanzen +++ Unterirdisches Pilz-Netzwerk als Klimaretter
Chemie – Die chemische Industrie verwendet immer noch hauptsächlich fossile Rohstoffe zur Herstellung von Chemikalien, Kunststoffen oder Wirkstoffen. 2020 wurden etwa 14,3 Millionen Tonnen Erdöl und Erdölprodukte, 2,8 Millionen Tonnen Erdgas und 0,3 Millionen Tonnen Kohle verbraucht. Um klimaneutral zu werden, muss die Industrie auf nachwachsende Rohstoffe umstellen. Aktuell verwendet die Industrie nur etwa 2,6 Millionen Tonnen nachwachsende Rohstoffe. Eine wichtige Plattformchemikalie ist Furfural. Sie kann aus Holzresten und anderen Abfallstoffen bereits kostengünstig gewonnen werden. Das Problem: Furfural muss dafür in eine stickstoffhaltige Verbindung umgewandelt werden, um als Medikamentenwirkstoffe genutzt zu werden. Die bisherigen Methoden zur Einführung von Stickstoff in Furfuralmoleküle waren wenig effizient. Wie Frauke Zbikowski in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt, haben Forschende am Leibniz-Institut für Katalyse in Rostock nun einen neuen Katalysator entwickelt, der aus Furfural, Ammoniak und Wasserstoff in einem Schritt die für Arzneimittel wichtige Substanz Piperidin erzeugen kann. Den Forschenden zufolge setzt der neue Syntheseweg das eingesetzte Furfural zu mehr als 90 % in das Produkt Piperidin um. Auf diese Weise wollen die Forschenden künftig auch weitere Substanzen und Arzneigrundstoffe aus Biomasse herstellen.
Landwirtschaft – Hitze und Trockenheit haben in den letzten Jahren zunehmend zu Ernteausfällen geführt. Doch welche Nahrungspflanzen trotzen dem Klimawandel? Die Forschung dazu läuft bundesweit auf Hochtouren. In Niedersachsen zum Beispiel läuft derzeit ein Feldversuch mit exotischen Pflanzen, wie Michael Nieberg im 3sat-Wissensmagazin NANO berichtet. Forschende der Landwirtschaftskammer Niedersachsen wollen hier herausfinden, ob Ackerfrüchte aus Afrika oder Südamerika auch bei uns wachsen könnten. Erprobt wird der Anbau von Amarant, Quinoa, Chia und Sorghumhirse. Aber auch heimische Kulturpflanzen werden weiterentwickelt. So lieferte eine heimische Weizensorte, die mit Roggen gekreuzt wurde, vielversprechende Ergebnisse. Diese ermutigen die Forschenden, auch einheimische Sorten weiterzuentwickeln – auch durch Kreuzungen mit exotischen Pflanzen.
Klima – Pilze wachsen nicht nur über der Erde. Auch im Boden bilden sie ein riesiges Netzwerk. Bislang ist dieses unterirdische Geflecht jedoch wenig erforscht. Sophie Neukam berichtet in der Zeit über das Potenzial des sogenannten Mykorrhiza-Netzwerks für das Klima und stellt „Mykonauten“ vor, die sich als Entdecker des Pilzreichs verstehen, um die Wissenslücken zu schließen. Mykorrhiza-Netzwerke sind entscheidend für den Kohlenstoffkreislauf und die Nährstoffaufnahme von Pflanzen. Sie speichern große Mengen an Kohlenstoff und haben damit einen erheblichen Einfluss auf die Reduktion von CO2-Emissionen. Aber nicht nur das. Pilze leben mit Pflanzen in Symbiose. Über das Netzwerk tauschen sie Nährstoffe aus. Außerdem stabilisieren Pilze den Boden, insbesondere bei starken Regenfällen. In Klimamodellen werden diese Pilze jedoch nicht berücksichtigt. Eine Gruppe von „Mykonauten“ um den niederländischen Datenwissenschaftler Justin Stewart ist überzeugt, dass diesen Pilznetzwerken mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, denn sie können die Auswirkungen des Klimawandels mildern. Stewart untersucht, wie Pilznetzwerke in städtischen Umgebungen funktionieren und wie sie geschützt werden können.