Von Pilzleder und Hopfenersatz
Der kompakte Medienrückblick: Der Preis des Artensterbens +++ Neues Sofa aus Pilzen +++ Algen als Durstlöscher +++ Brauen mit Biotech-Hopfenaroma
Biodiversität – Über das Bienensterben wurde in den letzten Monaten viel berichtet. Doch wie steht es wirklich um die fliegenden Bestäuber und was bedeutet ihr Rückgang für die Landwirtschaft? Christoph Schäfer führt für die Frankfurter Allgemeine Zeitung ein Interview mit dem Biologen Volker Mosbrugger, Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, über den Tod der Honigbiene und die Folgen für das Bruttosozialprodukt. Laut Moosbrugger leiden vor allem die Pflanzen, die auf Insektenbestäubung angewiesen sind, wie beispielsweise Apfel-, Kirsch- oder Birnenbäume unter deren Rückgang. In China sei man deshalb mancherorts schon zu Handbestäubung übergegangen. Es werden also Menschen dafür bezahlt, die Pflanzen per Hand zu bestäuben. Und in Amerika werden Bienen in Trucks vermietet. Auch andere Ökosystemdienstleistungen wie die Photosynthese, Bodenbildung und der Wasserkreislauf leiden unter dem Insektenschwund – denn weniger Insekten bedeute auch weniger Pflanzen. Insgesamt, rechnet Moosbrugger vor, haben die Ökosystemdienstleistungen einen Wert von etwa 125 Billionen US-Dollar im Jahr. Das globale Bruttoinlandsprodukt beträgt jährlich hingegen 80 Billionen US-Dollar. Und das Artensterben allein koste derzeit gut 3 Billionen Euro im Jahr.
Materialforschung – Ob auf alten Wurstbroten, Kaffeesatz oder Bäumen im Wald, Pilzgeflechte wachsen fast überall und sind im Haushalt eigentlich eher nicht willkommen. Andrea Hoferichter berichtet in der Süddeutschen Zeitung über die Arbeit von Philip Ross, Mitbegründer des Start-ups Mycoworks in San Francisco. Für ihn sind die sogenannten Myzelien ein äußerst vielfältiges und vor allem nachhaltiges Material für Bau und Textilien: Er hat sie schon zu robusten Backsteinen wachsen lassen, zu rustikalen Stühlen und zu lederartigen Stoffen. Das tierfreie Naturleder soll zum Kernprodukt des jungen Unternehmens werden. Hierzu geben die Jungunternehmer lediglich biologische Abfälle, wie Sägemehl oder Reste von Reis- oder Maisernten, zu den Pilzsporen. Schnell umwachsen Pilzfäden die Abfallkrümel und wachsen kreuz und quer zu einem festen Gewebe. In nur zwei Wochen entsteht so ein kuhhautgroßes Stück Pilzleder – eine Kuh würde hierfür über mindestens zwei Jahre enorme Ressourcen verbrauchen. Hat das Leder die gewünschte Stärke, wird es im Ofen getrocknet. Dann stoppt der Wachstumsprozess. Das Pilzleder lässt sich zu beliebig großen Flächen mit den unterschiedlichsten Oberflächenstrukturen züchten und kann problemlos geformt, gefärbt und genäht werden.
Ernährung – Sogenannte Superfoods und Craftbiere liegen momentan voll im Trend. Dabei spielt nicht nur der individuelle Geschmack oder gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe eine große Rolle, sondern auch die nachhaltige Produktion dieser Lebensmittel. Genau diese Aspekte decken auch die neuen Getränke aus Makroalgen ab. Astrid Wulf berichtet in der Deutschlandfunk-Sendung „Forschung Aktuell“ über Limos und Bier aus Algen. Lübecker Wissenschaftler entwickeln diese Getränke aus Rot- und Braunalgen. Zusätzlich zu Limo und Bier sind in naher Zukunft auch weitere Lebensmittel geplant. Aus Algen, Malz und Milchsäurebakterien braut Lebensmitteltechnologe Robert Stieber die Algenlimonade. Algen, Hopfen und Malz ergeben ein Biermischgetränk. Das Forschungsprojekt ist europaweit einzigartig und wird mit 900.000 Euro von Land und Fraunhofer Stiftung unterstützt.
Synthetische Biologie – Gerste, Hefe, Wasser und Hopfen - das sind nach dem Reinheitsgebot die einzigen Zutaten, aus denen ein ordentliches Bier gebraut werden darf. Dabei sorgt vor allem der Hopfen für einen Großteil des jeweils sortentypischen Biergeschmacks. Doch der Anbau von Hopfen ist teuer und verbraucht enorm viel Wasser. Sascha Karberg berichtet im Tagesspiegel über eine nachhaltigere Lösung: Biotechnologen vom Lawrence Berkeley National Laboratory und der Universität von Kalifornien in Berkeley haben eine Hefevariante gezüchtet, die den Hopfengeschmack gleich mitliefert und so den aufwendigen und teuren Anbau der Schlingpflanze überflüssig machen könnte. Zwar dürfte sich das Bier ohne Hopfen auch weiterhin Bier nennen, allerdings stehen die Chancen für einen erfolgreichen Markteintritt in Deutschland eher schlecht. Denn ein Hefestamm, der Gene anderer Arten enthält, würde in Europa vermutlich nicht ohne weiteres zugelassen und auch die Akzeptanz der Kunden bleibt fraglich.