Von Mikrobenfutter und Mischanbau
Der kompakte Medienrückblick: Bakterielle Nährstoffproduktion aus CO₂ +++ Anbau von Erbsen und Weizen im Duett +++ Eine Vision für Europas Äcker
Biotechnologie – Für die Biotechnologie sind Mikroben seit langem ein Werkzeug, um etwa neue Produkte wie biobasierte Chemikalien herzustellen. Ein Forschungsteam der Universität Tübingen hat nun einen Prozess entwickelt, bei dem Bäckerhefe mithilfe von Kohlendioxid (CO₂), Wasserstoff und Ammoniumchlorid wertvolle Proteine und das Vitamin B9 (Folat) produziert. Wie Frauke Zbikowski in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt, suchte das Team nach einem Verfahren, das ohne landwirtschaftliche Rohstoffe auskommt, da die Bäckerhefe normalerweise Zucker benötigt, um Folat – auch als Folsäure bekannt – zu produzieren. Die Tübinger verwendeten jedoch CO₂ aus Biogas und Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen. Acetat, das Salz der Essigsäure, erwies sich hier als geeignetes Substrat für die Hefezellen, um Folsäure und Biomasse zu produzieren. Ein wärmeliebendes Bakterium namens Thermoanaerobacter kivui wurde verwendet, um im ersten Schritt Acetat aus Kohlendioxid und Wasserstoff herzustellen. Die Hefe produziert im zweiten Schritt hohe Mengen an Folat. Bisher funktioniert das Verfahren nur im Labormaßstab und muss für die industrielle Anwendung noch skaliert werden. Die Forscher sehen in ihrer Methode jedoch großes Potenzial, um zukünftige Ernährungsprobleme mit solchen biotechnologischen Prozessen zu lösen. Diese Methode könnte Vitamine mit erneuerbaren Energien und geringen CO₂-Emissionen produzieren und zur Herstellung von Fleischersatzprodukten genutzt werden.
Landwirtschaft – Im sogenannten Gemengeanbau werden verschiedene Kulturen gleichzeitig angebaut – etwa Weizen und Erbsen. Dieser kombinierte Anbau wird bisher allem im Biolandbau praktiziert und hat viele ökologische Vorteile. Er macht Pflanzen widerstandsfähiger gegen Wetterextreme, unterdrückt Unkraut und verbessert die Nutzung von Nährstoffen im Boden. Allerdings gibt es Herausforderungen bei der Ernte, da Mischkulturen wie Weizen und Erbsen derzeit hauptsächlich als Viehfutter verwendet werden. Das Projekt „Vorwerts – Verwendung Ökologischer Rohstoffe in regionalen Wertschöpfungsketten“ will das ändern. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, will das Forschungsteam unter Leitung der Universität Kassel neue Verwendungsmöglichkeiten finden. Im Fokus des Projektes steht die Entwicklung eines speziellen Backweizens, bei dem die Kombination mit Erbsen die Backqualität verbessern soll. Eine Schwierigkeit dabei ist jedoch die Trennung von Weizen und Erbsen, was aufwendig und teuer ist. Ziel des Projekts ist es, diesen Weizen für Bäckereien wirtschaftlich interessant zu machen. Handwerkliche Bäckereien testen bereits Mischungen mit maximal fünf Prozent Erbsenanteil. Für konventionelle Landwirte spielt Gemengeanbau bisher kaum eine Rolle, da sie mit Düngern und Pflanzenschutzmitteln arbeiten können. 2023 wurden in Niedersachsen nur 2.474 Hektar mit Gemengeanbau gefördert, da er in der Hochleistungslandwirtschaft wenig genutzt wird.
Landwirtschaft – Land- und Forstwirtschaft können ihren Beitrag zur Klimaneutralität deutlich steigern und gleichzeitig Biodiversitätsschutz, Gesundheit und weitere Nachhaltigkeitsziele der EU stärken. Das zeigt die Studie vom Thinktank Agora Agrar, über die Christiane Grefe in der Zeit berichtet. Ein Expertengremium legt darin erstmals ein Szenario für die Landnutzungssektoren als Teil des Ernährungssystems und der Bioökonomie in einer klimaneutralen EU bis Mitte des Jahrhunderts vor.
Das Zukunftsszenario für das Jahr 2045 entwickelt und beschreibt eine bunte, artenreiche Landschaft in Deutschland mit vielfältigen Anbaukulturen und mehr Wäldern. Nutztiere wie Rinder und Schweine werden weniger gehalten, und ihre Haltung verursacht weniger Emissionen. Moorflächen werden wiedervernässt, und der Einsatz von Pestiziden sowie Stickstoffüberschüssen wird halbiert. Die Studie zeigt, dass Treibhausgasemissionen im Landnutzungssektor um 60 % sinken könnten. Entscheidend für diesen Wandel sind den Fachleuten zufolge politische Maßnahmen, die eine effizientere Landnutzung und eine nachhaltigere Nachfrage nach Lebensmitteln und Biomasse sicherstellen. Sie fordern, tierische Produkte wie Fleisch und Käse zu reduzieren und pflanzliche Alternativen zu fördern. Das Zukunftsszenario von Agora Agrar soll als Startpunkt für eine breite öffentliche Diskussion dienen, um nachhaltige Landwirtschaft zu fördern.