Von nachhaltiger Chemie und Insektenvielfalt
Der kompakte Medienrückblick: Grünstreifen als Biotop +++ Klimawandel bedroht Apfelvielfalt +++ Pflanzendünger beeinträchtigt Wurzelwachstum +++ Chemie setzt auf Kreislaufwirtschaft
Biodiversität – Die Zahl der Insekten ist in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgegangen. Monokulturen, Pestizide, Bodenverdichtung und Klimawandel sind nur einige Gründe dafür. Doch es gibt auch Flächen, wo die Insektenvielfalt überraschend zunimmt – etwa auf den Mittelstreifen vielbefahrener Straßen. Clara Dünkler stellt im Tagesspiegel ein Berliner Forschungsprojekt vor, dass diese unbeachteten Grünflächen seit Jahren beobachtet – darunter den Grünstreifen auf der Frankfurter Allee in Berlin-Friedrichshain. Ein Team um Insektenforscher Frank Koch stellte dabei fest, dass hier mehrere hundert Insektenarten auf dem Mittelstreifen eine neue Heimat gefunden haben. Nicht nur, dass es jedes Jahr mehr Insekten werden, auch Exemplare von der Roten Liste für bedrohte Arten wie das Scharfgabenböckchen sind dabei. Allein 2022 konnte das Team 68 neue Arten identifizieren. Ein Grund für die unerwartete Insektenvielfalt zwischen den vielbefahrenen Straßen ist, dass die Grasfläche kaum betreten wird. Auch scheinen sich die Insekten an ihre Umwelt aus permanenten Abgasen und wenig Schatten gewöhnt zu haben. Will man die Vielfalt erhalten, raten die Forschenden, nur ein- oder zweimal im Jahr, im Juli und September, zu mähen. Die Bedenken fanden beim zuständigen Bezirksamt Gehör: Künftig soll der Mittelstreifen auf der Frankfurter Allee nur noch im Herbst gemäht werden.
Pflanzenzüchtung – Elstar, Braeburn, Gala, Jonagold und Jonagored sowie Red Prince zählen zu den beliebtesten Apfelsorten in Deutschland. Experten befürchten jedoch, dass es diese Sorten infolge des Klimawandels in 25 Jahren nur noch in Genbanken und kühleren Regionen geben wird, wie Anika Mester in der Süddeutschen Zeitung berichtet. Bundesweit suchen Forschende daher schon heute nach Apfelsorten, die nicht nur gut schmecken, sondern auch dem Klimawandel trotzen – also kaum Wasser benötigen, Hitzewellen genauso gut widerstehen wie Spätfrösten und gegen Schädlinge gewappnet sind. Züchtungserfolge gibt es durchaus. Im Handel sind solche Sorten jedoch eine Seltenheit, wie Michael Neumüller vom Lehrstuhls für Obstbau an der TU München weiß. Er züchtet beispielsweise mit seinem Team auf insgesamt 35 Hektar die Apfel-, Birnen- und Zwetschgensorten von morgen. Da Züchtung ein langer Prozess ist, plädiert der Experte für mehr Vielfalt beim Anbau, um Schädlinge fernzuhalten.
Landwirtschaft – Pflanzen brauchen Nährstoffe zum Wachsen. Doch das Ausbringen von Dünger, ob im eigenen Garten oder in der Landwirtschaft, ist zwar praktisch, kann aber Pflanzen, Boden und Umwelt schaden – vor allem wenn sie im Übermaß ausgebracht werden. So versorgt Kunstdünger zwar Pflanzen mit Nährstoffen. Weil Pflanzen sich aber nicht selbst darum bemühen müssen, bilden sie viel weniger Wurzeln und versorgen Mykorrhiza-Pilze und andere Bodenlebewesen kaum noch mit Nährstoffen, wie Annette Jensen in der taz schreibt. Der Grund: Im Boden leben zahlreiche Mikroorganismen, die zusammen mit Pilzen und Algen Lebensgemeinschaften bilden und sich gegenseitig versorgen. Die Bakterien docken sich als sogenannte Biofilme an Pflanzen an. Mit ihren Ausscheidungen locken Pflanzen sozusagen gezielt Mikroben an, aber auch Mykorrhiza-Pilze, die beispielsweise Kali und Phosphor aus den mineralischen Bestandteilen des Bodens lösen. Umgekehrt erhalten die Mikroben dafür Kohlenhydrate, die sie nicht selbst herstellen können, weil sie unter der Erde kein Sonnenlicht bekommen. Diese natürliche Nährstoffversorgung der Pflanzen wird durch das Düngen ebenso gestört, wie durch Pflügen, Bodenverdichtung oder den Anbau von Monokulturen.
Chemie – Die chemische Industrie ist im Wandel. Statt fossiler Rohstoffe wie Erdöl kommt zunehmend pflanzliche Biomasse wie Agrarreststoffe bei der Herstellung von Lösungsmitteln, Farben oder Kunststoffen zum Einsatz. Doch was bedeutet grüne Chemie konkret, wie nachhaltig ist die chemische Industrie wirklich und passen Kreislaufwirtschaft und Chemie überhaupt zusammen? Über solche Fragen wurde auf einer Konferenz in Dresden diskutiert, über die Volker Mrasek im Deutschlandfunk berichtet. Experten waren sich dabei einig, dass die Abkehr von fossilen Ressourcen nicht ausreicht. Die chemische Industrie muss auch nachhaltig sein. Mit Blick auf knapper werdende Ressourcen muss die Produktion daher in Richtung Kreislaufwirtschaft gehen, heißt es. Schon bei der Produktion der verschiedenen chemischen Produkte müsse die Nutzungsphase mitgedacht werden. Der größte Hebel sei hier, die Lebensdauer der Produkte zu verlängern. So könne auch der Bedarf an Chemikalien reduziert werden. Diskutiert wurde auch das Geschäftsmodell des Leasings von Chemikalien. Damit würde der Anreiz geschaffen, mit Chemikalien sparsam zu sein – heißt, so viel wie nötig und nicht so viel wie möglich zu verkaufen.