Biotechnologietage 2025: Bioökonomie auf der Agenda

Biotechnologietage 2025: Bioökonomie auf der Agenda

Beim nationalen Branchentreff der Biotechnologie in Heidelberg diskutierten vergangene Woche Akteure aus Wirtschaft, Forschung und Politik über das vielfältige Potenzial biotechnologischer Anwendungen – darunter für die Bioökonomie.

DBT 2025 - Eröffnung
Die Deutschen Biotechnologietage sind ein Schaufenster mit Ausblick auf das, was Biotechnologie leistet und leisten kann.

Die 16. Auflage der Deutschen Biotechnologietage war auch eine Premiere: Erstmals fand die zweitägige Veranstaltung im neuen Kongresszentrum in Heidelberg statt. Zum Branchentreff am 9. und 10. April kamen mehr als 1.000 Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Forschung und Politik. Neben der Diskussion aktueller Themen ging es vor allem um den regen Austausch untereinander. Darüber hinaus bietet der Branchentreff seit Jahren auch Start-ups eine Bühne, um ihre Ideen zu präsentieren und Kontakte zu knüpfen. Ausgerichtet werden die Biotechnologietage vom Branchenverband BIO Deutschland und dem Arbeitskreis der deutschen BioRegionen. Regionaler Gastgeber war in diesem Jahr BioRN, Partnerregion der Biopharma Cluster South Germany.

Das Programm der Deutschen Biotechnologietage gab Einblick in eine Vielzahl von Bereichen, in denen die Biotechnologie Anwendung findet. „Die Branche zeigt hier, wozu sie fähig ist und was sie braucht, um Deutschland zu einem führenden Biotech-Standort mit hoch qualifizierten und attraktiven Arbeitsplätzen zu machen“, so Oliver Schacht, Vorstandsvorsitzender von BIO Deutschland e. V. Neben Themen wie neue Biologika für die Medizin sowie Künstliche Intelligenz (KI) in der Diagnostik und Medikamentenentwicklung wurde auch das Potenzial für die Bioökonomie beleuchtet.

Alternative Proteine für die Ernährung der Zukunft

So wurde gleich am ersten Kongresstag im Rahmen einer Session über die Zukunft der Ernährung diskutiert. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) organisierte Debatte stand unter der Überschrift, welche Alternativen es zum Fleisch in der Ernährung und Lebensmittelwirtschaft gibt. „Eine Transformation des Lebensmittelsystems in Richtung mehr Nachhaltigkeit ist dringend geboten“, sagte Enrico Barsch, Referent für Bioökonomie im BMBF, der die Session moderierte. Darin stellten Christian Poppe vom Foodtech-Start-up Formo, Monika Röntgen vom Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN) sowie Ute Weisz von der Technischen Universität München innovative Ansätze für eine nachhaltige Proteinproduktion vor.

Datenbank bietet Übersicht zu pflanzlichen Inhaltsstoffen

So präsentierte Ute Weisz eine Datenbank, in der eine Sammlung nutzbarer pflanzlicher Inhaltsstoffe aufgeführt und vorab analysiert wurde, die für die Herstellung alternativer Lebensmittel auf Pflanzenbasis tierische Inhaltsstoffe ersetzen können. Dieses Projekt wurde vom BMBF im Rahmen des Innovationsraums NewFoodSystems gefördert.

Christian Poppe von Formo lieferte einen Abriss der Firmengeschichte des 2019 gegründeten Start-ups, das sich auf die Entwicklung tierfreier Milchprodukte spezialisiert hat. Mit einer größeren BMBF-Förderung ausgestattet, wurde hier die Kooperation mit der hessischen Biotechnologie-Firma Brain Biotech herausgestellt, die dabei hilft, mikrobiologische Produktionsstämme zu identifizieren, die die Komponenten der tierischen Milch wie Casein-Protein und bestimmte Fettsäuren in Laborprozessen nachbaut und auch enzymatisch verändert, um dem ursprünglichen Produkt möglichst nahe zu kommen. Durch die Kooperation mit Brain sieht sich Formo eigenen Angaben zufolge in der Lage, „die Entwicklungen zu beschleunigen und mit optimierten alternativen Produktionsprozessen schneller den Markt zu erreichen“.
 

DBT 2025 Vortrag FORMO
Christian Poppe von Formo bei den DBT 2025

Fleischalternativen aus dem Labor

Einblicke in die Entwicklung von Fleischalternativen im Labor und das Potenzial für eine zukünftige Ernährung lieferte wiederum Monika Röntgen vom Forschungsinstitut für Nutztierbiologie in Dummerstorf bei Rostock. Während die allermeisten Fleischersatzprodukte auf Pflanzenbasis entwickelt werden, hat das FBN gemeinsam mit der Hochschule Anhalt und weiteren Partnern im Projekt Cellzero Meat die zellbasierte Erzeugung von hochwertigem tierischem Protein untersucht. Die Arbeit des Forschungskonsortiums wurde vom BMBF mit insgesamt 1,9 Mio. Euro unterstützt.

Im Fokus stand die Entwicklung eines Verfahrens, bei dem Stammzellen schmerzfrei aus dem Nabelschnurblut von Ferkeln gewonnen werden. In einem Algen-basierten Nährmedium reifen sie zu Muskel-, Fett- und Bindegewebszellen. Kaltes Plasma sorgt für sterile Bedingungen. Die Forschungsgruppe Cellzero Meat hat auf diese Weise kultiviertes Fleisch entwickelt – ohne Schlachtung, Tierleid, Serum oder Antibiotika. Über 3D-Druck entsteht daraus fleischähnliches Gewebe – vom Patty bis zum Schnitzel, inklusive typischem Geschmack. Analysen der Hochschule Anhalt stellten sicher, dass Struktur und Farbe dem Original möglichst nahekommen. Nach Angaben von Röntgen wurden im Projekt alle Komponenten der Prozesskette untersucht und optimiert und stehen nun auch anderen Entwicklern von alternativem Fleisch zur Verfügung. Folgeprojekte zum industriellen Scale-up sind laut Röntgen bereits in Planung und könnten auch neue Perspektiven für die Landwirtschaft bieten.

BMBF-Stand auf den Deutschen Biotechnologietagen 2025
Auch das BMBF war mit einem Stand bei den diesjährigen Biotechnologietagen in Heidelberg präsent.

Sweethoven Biotech gewinnt Start-up-Pitch

Welches Potenzial die Biotechnologie für die Bioökonomie hat, wurde auch beim Start-up-Pitch deutlich. Die Innovationen reichten von Biostimulanzen aus Chitosan für die Pflanzenzucht über die industrielle Wasserbehandlung mit Mikroorganismen bis hin zu nachhaltigen Zuckerersatzstoffen. Sieger des Start-up-Wettbewerbs bei den DBT wurde schließlich Sweethoven Biotech. Das Bonner Jungunternehmen überzeugte die Jury mit einem süß schmeckenden, aber kalorienarmen Ballaststoff, der mithilfe von Mikroorganismen hergestellt wurde und herkömmlichen Zucker in Lebensmitteln ersetzen kann. Die Entwicklung des alternativen Zuckers wurde im Rahmen des Verbundprojektes IMPRES vom BMBF über Jahre gefördert.

Darüber hinaus boten die Deutschen Biotechnologie Tage wieder viel Raum zum Netzwerken und Gedankenaustausch über neueste Entwicklungen in der Branche und die Rahmenbedingungen für die deutsche Biotechnologiebranche. Am zweiten Kongresstag stand der von der Europäischen Union geplante Biotech Act im Fokus der Debatten und die Frage, welche Herausforderungen und Chancen das Biotechnologiegesetz für ein nachhaltiges, innovatives und damit wettbewerbsfähiges Europa bietet. 

bb/gkä