Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel: Forschung als Wegbereiter für nachhaltige Entwicklung
Vor knapp zehn Jahren ging die Fördermaßnahme „Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel“ an den Start. Anlässlich des Jubiläums haben das BMBF und der Projektträger Jülich Ende November zu einer Konferenz nach Bonn eingeladen.
Klimawandel, Ressourcenknappheit und Ernährungssicherheit sind die großen Herausforderungen der Zukunft. Die Bioökonomie bietet dafür Lösungsansätze. Doch der Wandel hin zu einer nachhaltigen Bioökonomie kann nur gelingen, wenn die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, technischen sowie ökologischen Zusammenhänge und Potenziale dieses tiefgreifenden Wandels besser verstanden und wissenschaftlich untersucht werden. 2014 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der „Nationalen Bioökonomiestrategie (NBÖS)“ daher die Fördermaßnahme „Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel“ (BagW) ins Leben gerufen.
Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums dieser Fördermaßnahme hatte das BMBF für eine Bestandsaufnahme am 26. November 2024 zu einer wissenschaftlichen Konferenz nach Bonn geladen. Rund 80 Forscherinnen und Forscher sowie Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kamen in die Design Offices am Neuen Kanzlerplatz, um vergangene und laufende Projekte vorzustellen und Ergebnisse zu diskutieren.
Knapp 50 Forschungsprojekte in zehn Jahren gefördert
„Der Weg zu einer nachhaltigen Bioökonomie ist anspruchsvoll, aber machbar. Und mit der Forschungsförderung haben wir 2014 den Rahmen dafür geschaffen“, sagte Stefan Müller, Leiter der Abteilung Zukunftsvorsorge – Forschung für Grundlagen und nachhaltige Entwicklung im BMBF in seinem Grußwort. Seit dem Start der Fördermaßnahme vor zehn Jahren hat das Bundesministerium knapp 50 Forschungsverbünde sowie Einzelprojekte aus Akademie, Industrie und Gesellschaft mit mehr als 60 Mio. Euro gefördert. Das Konzept „Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel“ wurde dabei in vier Modulen aufgesetzt und in drei Förderrunden 2015, 2017 und 2023 umgesetzt.
Dossier „Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel“
Das Dossier auf bioökonomie.de bietet einen kompakten Überblick über die bisherigen Forschungsaktivitäten des BMBF in den vergangenen 10 Jahren.
„Die Projekte haben gezeigt, wie die Bioökonomie Arbeitsplätze schaffen, globale Veränderungen anstoßen sowie Nachhaltigkeit und Verantwortung Hand in Hand gehen können“, so Stefan Müller. Die Innovationen der Forschenden seien der Anfang der Transformation und ihr Engagement der „Motor für Veränderungen“.
Darüber hinaus machte Müller deutlich, wie wichtig nicht nur die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Forschung ist, sondern auch die „Forschungskommunikation“. Gerade in Zeiten von Fake News sei die soziale Wissenschaftskommunikation wichtig. „Da braucht die Bioökonomie noch etwas Schwung“, sagte Müller.
Blick zurück und nach vorne
Im Rahmen der Konferenz, die von Merle Becker moderiert wurde, ging der Blick sowohl zurück als auch nach vorne. Den Auftakt am Vormittag lieferte ein Impulsvortrag von Professor Peter Feindt von der Humboldt-Universität zu Berlin über die Ergebnisse des Projektes „PolDeRBio“. Darin war sein Team der Frage nachgegangen, wie resilient biobasierte Produktionssysteme sind, wie sich der Zustand verbessern lässt und inwieweit Bioökonomiepolitik in der EU und anderen Ländern das Thema Resilienz überhaupt adressiert. Sein Fazit: „Da ist noch viel zu tun. Es mangelt an der Auseinandersetzung mit langfristigen Perspektiven und Risiken.“ Seine Analyse ergab, dass in den meisten Ländern eher „ökonomische Probleme“, aber kaum „Stressfaktoren wie Umweltschäden“ in Bioökonomiestrategien berücksichtigt werden. Darüber hinaus verwies er auf die Notwendigkeit internationaler Kooperationen, um das Thema Resilienz in der Bioökonomie zu adressieren.
Leuchtturmprojekte der sozioökonomischen Forschung
Anschließend präsentierten sich auf der Bühne fünf Vorhaben aus sozioökonomischen Forschungsdisziplinen, die das BMBF im Rahmen der Fördermaßnahme zwischen 2015 und 2021 unterstützte. Vorgestellt wurden die Leuchtturmprojekte BioKompass, flumen, BioSDG, STRIVE und BEPASO. In den Vorträgen ging es darum, die komplexen Zusammenhänge bioökonomischer Transformationsprozesse auf verschiedenen Gebieten zu verbessern, deren Tragweite deutlich zu machen und dabei die Chancen einer nachhaltigen Entwicklung sowie deren wirtschaftlichen Potenziale und ökologischen Grenzen aufzuzeigen. Ein wichtiger Aspekt war dabei vor allem der Dialog mit Stakeholdern und der breiten Öffentlichkeit.
So hat das Forschungsteam BioKompass um Bärbel Hüsing vom Fraunhofer ISI mittels verschiedener Dialogformate ausgelotet, wohin die gesellschaftliche Transformation in eine nachhaltige, biobasierte Wirtschaft führen kann. Hier stellten die Forschenden fest, dass sich die Bioökonomie am besten anhand praktischer Aspekte und in interaktiven Formaten vermitteln lässt – wie etwa mit Comic-Workshops und Schülerseminaren, in denen die Teilnehmenden konkrete Probleme aus der Praxis adressieren und selbst umsetzen. Mit thematischem „Bezug zur Lebenswelt“ der Menschen wie etwa Fleischkonsum, Landwirtschaft und Ernährung allgemein wurde bei der Entwicklung von Zukunftsszenarien auf eine „aktive Mitgestaltung der Zielgruppe“ gesetzt und so die Bioökonomie erfahrbarer gemacht.
Andere Projekte richteten bei ihrer Analyse den wissenschaftlichen Blick beispielsweise auf agrarökonomische Wirkungszusammenhänge in der Bioökonomie zwischen Ländern des globalen Südens und Europa. Im STRIVE-Projekt untersuchte das Team von Jan Börner von der Universität Bonn unter anderem, wie der Wandel zur Bioökonomie Regionen wie Südamerika, Subsahara-Afrika und Südostasien verändert und erarbeitete Empfehlungen für eine nachhaltige Gestaltung der Transformation. „Die Bioökonomie stärkt Tendenzen zur Auslagerung von Produktionsflächen für nicht direkt als Nahrungsmittel genutzte Agrarprodukte“, resümierte der Agrarökonom. Sein Fazit beim Kongress: „Wir müssen international stärker zusammenarbeiten und Anreize für andere Länder schaffen, damit sie mitmachen.“
Power Pitch für Nachwuchsforschungsgruppen
Am Nachmittag hatten dann mit „Meat the Bioeconomy“, „BIOPOLISTA“, ReValueD“ und „TRABBI“ vier Nachwuchsforschungsgruppen die Gelegenheit, ihre laufenden Projekte in einem zehnminütigen „Power Pitch“ vorzustellen. Die Arbeit der Forschenden wird im Rahmen der dritten Förderrunde vom BMBF über fünf Jahre finanziell unterstützt. Die darin behandelten Themen sind so vielfältig wie die Bioökonomie selbst.
So befasst sich die Nachwuchsforschungsgruppe „Meat The Bioeconomy“ von Wirtschaftsgeografin Christin Bernhold mit der Frage, ob und wie Unternehmensstrategien der deutschen Fleischindustrie mit einer nachhaltigen Produktions- und Lebensweise vereinbar sind. Im Projekt BIOPOLISTA erforscht das Team um Maria Proestou und Nicolai Schulz, ob, wann und warum die Umsetzung von Bioökonomiestrategien gelingt oder scheitert. Die Reststoffverwertung für biobasierte Produkte in Entwicklungsländern nimmt wiederum die Nachwuchsforschungsgruppe ReVaLueD unter Leitung von Terese Emilia Venus ins Visier, und Sebastian Losacker untersucht mit der Forschungsgruppe TRABBI den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit im Bausektor und welche Rolle dabei biogene Baustoffe spielen.
Die Konferenz in Bonn gab nicht nur einen Einblick in das Schaffen der Forschenden, sondern bot ebenfalls ausreichend Raum für Gespräche. Flankiert wurde das Programm von einer Ausstellung im Foyer, in der alle Projektgruppen ihre Arbeiten noch einmal auf Postern zur Schau stellten und erläuterten.
BMBF-Forschungsförderung für Transformation unerlässlich
Eine Podiumsdiskussion brachte zum Abschluss der eintägigen Veranstaltung noch einmal Akteure verschiedener Projekte auf die Bühne, um gemeinsam über die Frage „Quo vadis Bioökonomie und Gesellschaft?“ zu nachzudenken. Die Diskussion warf auf, dass die Bioökonomie auf dem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit viele erfolgversprechende Ansätze bietet, man die Zielkonflikte aber nicht außer Acht lassen dürfe. Sie zeigte, dass die Forschungsförderung des BMBF weiterhin unerlässlich ist, um die Wissensgrundlage für wichtige politische Entscheidungen zu liefern. Die Konferenz hat zudem einmal mehr verdeutlicht, wie wichtig der interdisziplinäre Austausch bei der Gestaltung einer nachhaltigen, kreislauforientierten Bioökonomie ist.
bb