Der globalen Bioökonomie den Puls gefühlt
Jan BörnerBeruf: Umwelt- und Agrarökonom
Position: Professor für Ökonomik nachhaltiger Landnutzung und Bioökonomie am Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik der Universität Bonn; Arbeitsgruppenleiter am Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF)
Beruf: Umwelt- und Agrarökonom
Position: Professor für Ökonomik nachhaltiger Landnutzung und Bioökonomie am Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik der Universität Bonn; Arbeitsgruppenleiter am Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF)
Der Agrarökonom Jan Börner und sein Team untersuchen in dem Projekt STRIVE, wie der Wandel zur Bioökonomie Länder auf drei Kontinenten verändert und erarbeitet Empfehlungen für politische Entscheider.
Das Bundesforschungsministerium unterstützt im Rahmen der Fördermaßnahme „Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel“ bislang vier sogenannte Nachwuchsgruppen (www.bioecon-societal-change.de). Eine davon ist STRIVE, die Abkürzung steht für „Sustainable Trade and Innovation Transfer in the Bioeconomy“. Der Bonner Agrarökonom Jan Börner koordiniert die Nachwuchsgruppe, in der fünf Postdocs sowie mehrere Doktorandinnen und Doktoranden forschen.
Herr Börner, welche neuen Impulse wollen Sie mit dem Projekt STRIVE in der Bioökonomie-Forschung setzen?
Viele Forschungsaktivitäten zu sozioökonomischen Aspekten der Bioökonomie finden isoliert statt. Einige Wissenschaftler erstellen Modelle oder betreiben Innovationsforschung, die anderen erstellen Nachhaltigkeitsanalysen. In der BMBF-Nachwuchsgruppe STRIVE bringen wir drei wissenschaftliche Disziplinen zusammen: Umweltökonomie; Ökologie und Geographie als Naturwissenschaften sowie Politikwissenschaften. Mit einem globalen und disziplinenübergreifenden Ansatz wollen wir analysieren, welche Veränderungen die bioökonomische Transformation in Südamerika, in Subsahara-Afrika und Südostasien auslöst. Und wir fragen uns: Wie hängen diese Regionen über Handel und Innovationstransfer mit Europa und den USA zusammen?
Was bedeutet denn für Sie bioökonomische Transformation?
Moderne Bioökonomie ist eine biobasierte Wirtschaftsweise, die gesellschaftliche Veränderungen mit sich bringt. Wir haben vier Pfade identifiziert, die für einen solchen Wandel besonders relevant sind: Zum einen ist das die Substitution von fossilen Ressourcen durch erneuerbare. Gerade dieser Pfad kann bekanntermaßen einige Zielkonflikte mit sich bringen. Ein zweiter Pfad besteht darin, die Produktivität in der Primärproduktion zu erhöhen. Ein dritter Pfad zur Bioökonomie zielt darauf ab, die Nutzungseffizienz von Biomasse erhöhen, etwa durch Kreisläufe und bessere Verwertung von Reststoffen. Pfad Nummer vier ist für uns die Anwendung biologischer Prinzipien und biobasierter Prozesse ohne Beteiligung nennenswerter Biomassemengen. Die Treiber dafür, diese Pfade zu beschreiten, sind knapper werdende Ressourcen, zunehmende Umweltprobleme, aber eben auch technologische Innovation. Wir betrachten in STRIVE, in welchem Kontext sich diese Entwicklungen positiv oder negativ auf Nachhaltigkeitsindikatoren auswirken.
Welche Projekte beackert das STRIVE-Team konkret?
Unser Team untersucht zum Beispiel, welche Effekte der Sojaanbau in Südamerika auf die Umwelt und die Landnutzung hat und wir versuchen herauszuarbeiten, wie mehr Ressourcenschutz in der Produktion erreicht werden kann. In Südafrika schauen wir uns das Thema Bioprospecting für pharmazeutische Produkte an. Eine weitere Untersuchung hat das Thema Bioplastik vor allem in Südostasien im Visier. Wir stellen die Prozesse in Modellen dar oder führen Fallstudien durch.
Wie gehen Sie methodisch vor?
Wir stellen zunächst theoretische Überlegungen an zu Fragen wie: Was bewirkt Innovation, wie führt das zu Transformation, und mit welchen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsziele? Eine wichtige Basis dafür ist ein Monitoring-Ansatz: Wir wollen Aspekte bioökonomischer Transformationsprozesse messbar machen und antizipieren, wie sie sich im weiteren Verlauf auswirken könnten. Es geht als darum, Indikatoren zu entwickeln, die man an die globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) andocken kann. Unsere Ökonomen passen dann existierende Modellansätze auf den Kontext Bioökonomie an, um mögliche Transformationspfade in Szenario-Analysen durchzuspielen. Die Politikwissenschaftler fragen: Wie muss eine politisch machbare Governance ausgestaltet sein, die solche Transformationsszenarien und damit verbundene Zielkonflikte effizient reguliert? Unsere Idee ist, dass es einen Dialog zwischen diesen Herangehensweisen gibt. Am Ende sollen ganzheitliche Lösungsansätze stehen, die an politische Entscheidungsprozesse weitergegeben werden können.
Worauf deuten erste Forschungsergebnisse hin?
Wir stehen noch am Anfang – erste Ergebnisse zeigen aber, dass zum Beispiel in Europa eine Veränderung der Produktions- und Konsummuster stattfindet, die mit einem wachsenden Flächenbedarf vor allem für Nicht-Nahrungsprodukte weltweit verbunden ist. Im Kontext der Bioökonomie werden aktuell allerdings eher sogenannte weiche Governance-Ansätze, wie zum Beispiel die Zertifizierung von Wertschöpfungsketten diskutiert. Wir glauben, dass dies nicht ausreichen wird, um die mit technologischem Wandel, etwa in der Landwirtschaft, verbundenen Risiken effektiv zu minimieren. Vor allem in Ländern mit schwacher Governance übersteigen die bioökonomischen Ambitionen oft die Kapazitäten, um ungewünschte Nebeneffekte sowohl im sozialen als auch im Umweltbereich effektiv zu verhindern.
Interview: Philipp Graf