Von Seegras und Mikrobentanks
Der kompakte Medienrückblick: Lachgas-Emissionen bedrohen Klimaziele +++ Mikroben produzieren Lebensmittel +++ Dächer decken mit Seegras +++ Die Tricks der Pfirsichblattlaus
Umwelt – Lachgas ist neben Methan das drittwichtigste Treibhausgas. Das Gas verbleibt rund 120 Jahre in der Atmosphäre und ist etwa 300-mal klimaschädlicher als CO2. Ein internationales Forscherteam warnt nun, dass der globale Anstieg der Lachgas-Emissionen die Pariser Klimaziele bedrohen könne, wie Walter Willems in der Berliner Zeitung berichtet. Eine Studie hatte ergeben, dass die Konzentration des Treibhausgases in der Atmosphäre seit der vorindustriellen Zeit um mehr als 20 Prozent gestiegen ist. Der Anstieg habe sich vor allem in den vergangenen 50 Jahren beschleunigt. Demnach gelangen pro Jahr etwa 17 Millionen Tonnen Lachgas in die Atmosphäre. Etwa 43 Prozent, so die Forscher, gehen auf den Einsatz stickstoffhaltiger Dünger – sowohl synthetisch als auch organisch – in der Landwirtschaft zurück. Der Rest entweicht aus Böden und Ozeanen. Besonders hoch sind die Emissionen in Ost- und Südasien, Südamerika und Afrika. In Europa ist hingegen ein Rückgang zu erkennen. Mit den derzeitigen Emissionen steuere man auf eine globale Temperaturerhöhung von mehr als 3 Grad Celsius zu, warnen die Forscher. Damit wäre das im Pariser Klimaabkommen festgelegte 1,5-Grad-Ziel um das Doppelte überschritten.
Biotechnologie – Etwa 14,5% der weltweiten Treibhausgasemissionen gehen auf das Konto der Viehwirtschaft. Sie heizen nicht nur den Klimawandel an, sondern führen auch zu Missernten durch Dürre und mit Nitrat verseuchtem Wasser. Andreas Menn stellt in der Wirtschaftswoche Start-ups vor, die daran arbeiten, Tiere aus der Nahrungsmittelproduktion zu verbannen. So setzt das finnische Start-up Solar Foods auf Mikroben, um „billige Energie in Kalorien“ zu verwandeln. In Stahltanks erzeugen die Winzlinge ein Pulver aus Proteinen, Kohlenhydraten, Fetten und Mineralien, aus denen wiederum Nahrungsmittel hergestellt werden können. Um zu wachsen und sich zu vermehren, brauchen sie lediglich CO2 und Wasserstoff. Das Start-up Nature’s Fynd in Chicago will hingegen mithilfe der Vulkanmikrobe Fusarium flavolapis Landwirtschaft und Planeten vor dem Kollaps bewahren. Die im Yellowstone-Nationalpark entdeckte Mikrobe soll zu einer Proteinquelle werden und als getrocknetes Proteinpulver zur Herstellung von Fleischersatzprodukten wie vegane Burger, aber auch Milch und Käse genutzt werden. Anders als bei Solar Foods brauchen die Einzeller von Nature’s Fynd nur Stärke oder Zucker, um heranzuwachsen. Mit Al Gore und Bill Gates hat das US-amerikanische Start-up bereits finanzstarke Investoren gefunden, um die Entwicklung voranzutreiben. Ende des Jahres soll es einen ersten Testlauf am Markt geben. Nach Angaben des Good Food Instituts (GFI) arbeiten derzeit 68 Start-ups an Lebensmitteln aus dem Mikroben-Tank. 435 Mio. US-Dollar sind allein in der ersten Jahreshälfte laut GFI in solche Gründungen geflossen.
Bauwirtschaft – Mit Blick auf mehr Nachhaltigkeit gewinnen natürliche Materialien wie Stroh oder Schilf im Bauwesen zunehmend an Bedeutung. Anna-Theresa Bachmann stellt in der Süddeutschen Zeitung nun einen neuen Kandidaten für den Hausbau vor: Seegras. Auf der dänischen Ostseeinsel Læsø ist das Material längst zu einem begehrten Baustoff geworden. Nicht ohne Grund: Seegras ist geruchsneutral und wärmedeämmend. Wegen des hohen Salzgehalts kann es nicht verrotten und im Gegensatz zu Reet auch nicht verbrennen. Neben seinen guten baulichen Eigenschaften ist Seegras auch ein hervorragender CO2-Speicher. Denn das gefilterte Kohlendioxid geht auch nach dem Absterben der Pflanze nicht verloren. Hinzu kommt, dass Seegraswiesen im Gegensatz zu Algen über Wurzeln verfügen, die vor Erosion schützen und in Küstenregionen 40 Prozent der Wellenenergie mindern. Zudem bieten sie zahlreichen Tieren einen Lebensraum und fördern damit die Biodiversität. Die Überdüngung in der Landwirtschaft stellt nach Einschätzung von Forschern das größte Problem für Seewiesen dar. Wegen ihrer Bedeutung für die Natur wird momentan in verschiedenen Regionen der Welt versucht, künstliche Seegraswiesen anzupflanzen. Statt Seegras mit schwerem Gerät zu ernten, raten Forscher aus Kiel, das angeschwemmte Material an den Küsten einzusammeln. In Kopenhagen demonstriert derzeit ein Pavillon, wie nachhaltiges Bauen mit Seegras gelingen kann.
Landwirtschaft: Blattläuse sind für Landwirte und Hobbygärtner gleichermaßen eine Plage. Sie breiten sich extrem schnell aus, was an ihrer hohen Reproduktionszahl liegt. Doch so winzig die Insekten auch sind, sie sind keinesfalls wehrlos. Sie haben das Talent, ihre unfreiwilligen Gastgeber biochemisch zu manipulieren, indem sie spezielle Ribonukleinsäuren (RNA) in die Pflanze hineinschleusen, wie Diemut Klärner in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt. Britische Forscher hatten untersucht, wie Grüne Pfirsichblattläuse mit verschiedenartigen Pflanzen, darunter die Ackerschmalwand, interagieren und ob einzelne Blattlaus-Gene unterschiedlich viel Transkripte in Form von RNA liefern, wenn die Tiere auf verschiedenen Pflanzenarten leben. Bei 2.000 Genen fanden sich tatsächlich Unterschiede, darunter auch bei Genen, die für den Geschmackssinn relevant sind. Vor allem Gene, die in den Speicheldrüsen transkribiert werden, waren interessant. Der Studie zufolge enthält der wässrige Speichel der Grünen Pfirsichblattlaus neben Eiweiß auch RNA. Diese RNA stammt hauptsächlich von Genen, die je nach Art der Wirtspflanze unterschiedlich eifrig transkribiert werden. Diese Genfamilie namens Ya plazierten die Wissenschaftler auch auf der Ackerschmalwand. An der Stelle ließen sich schließlich RNA von neun Ya-Genen nachweisen. Zugleich kreierte das Team transgene Varianten der Ackerschmalwand. Einige Pflanzen produzierten dank ihres fremden Gens eine maßgeschneiderte RNA, die schließlich zur Zerstörung der Blattlaus-RNA und damit weniger Blattlaus-Nachwuchs führte.