Von grüner Revolution und Überfischung
Der kompakte Medienrückblick: Landwirtschaft schadet Insektenvielfalt +++ Papayas aus dem Gewächshaus +++ Fischkot als CO2-Speicher +++ Potenziale der Bioökonomie hinterfragt
Biodiversität – Was sind die Haupttreiben für das anhaltende Insektensterben? Landwirtschaft oder Klimawandel? Dieser Frage sind Forschende der Universität Würzburg nachgegangen und haben dafür ganz Bayern unter die Lupe genommen, wie Benjamin von Brackel in der Süddeutschen Zeitung berichtet. Felder, Wiesen, Wälder und Städte wurden dafür mit so genannten Malaise-Fallen bestückt. Im Labor wurden anschließend die Insekten gezählt und mittels DNA-Sequenzierung bestimmt. Das Ergebnis: Die Forschenden sehen die Verstädterung als einen Schlüsselfaktor für den Insektenschwund. In Städten war demnach die Anzahl der Insekten um 42% niedriger als in naturnahen Lebensräumen. Auf landwirtschaftlich genutzten Flächen gab es zwar ähnlich viele Insekten wie in naturnahen Gebieten, doch die Artenvielfalt war hier um ein Vielfaches geringer als in unberührter Natur. Die Forschenden empfehlen daher: Städte und Parks auszudehnen, Wälder zu schützen und auf landwirtschaftlichen Flächen Bäume zu pflanzen.
Landwirtschaft – Verbraucher stehen im Supermarkt oft vor der Entscheidung, billig oder nachhaltig zu kaufen. Sind Obst und Gemüse vom Biobauern bessern als das Pendant aus dem Gewächshaus? Die niederländische Agrarforscherin und Präsidentin der Universität Wageningen, Louise Fresco, rät zu mehr Gelassenheit und Experimenten. Im Interview mit Max Rauner von der Zeit erklärt Fresco, warum Tomaten oder Papayas aus Gewächshäusern Energie sparen und die Gentechnik die Landwirtschaft nachhaltiger machen kann. Fresco zufolge werden in modernen Gewächshäusern heutzutage kaum noch synthetische oder andere Chemikalien verwendet. Die Bestäubung erfolge durch Insekten. Wasser und Nährstoffe würden recycelt. Auch eine Avocado aus Chile zu kaufen, sei kein Problem, so die Forscherin. Man sollte sich nur im Klaren darüber sein, dass es etwas Besonderes sei und bedenken, dass man mit dem Einkauf auch den Bauern in anderen Teilen der Welt ein Einkommen verschaffe. Zudem spricht sich die Agrarforscherin für ein Ende der Polarisierung von biologischer und konventioneller Landwirtschaft aus und macht sich stark für den Einsatz neuer gentechnischer Verfahren wie CRISPR-Cas – auch im ökologischen Landbau. Wenn man Pflanzen gegen einen Pilz schützen wolle, so Fresco, sei das Genome-Editing der beste Weg. Damit könnten Resistenzen in Pflanzen gezielt eingebaut und so auf den Einsatz von Chemikalien gegen Pilze verzichtet werden.
Fischerei – Ozeane haben eine enorme Bedeutung für das Klima, denn sie speichern riesige Mengen CO2, die andernfalls in der Atmosphäre landen würden. Über die Folgen ihrer Nutzung durch den Menschen und insbesondere wie sich die industrialisierte Fischerei auswirkt, ist bisher wenig bekannt. Erste Antworten liefert eine Studie der University of California in Los Angeles, die Verena Kern in der Frankfurter Rundschau vorstellt. Die Forschenden wollten wissen, in welchem Umfang die industrialisierte Fischerei in den vergangenen Jahrzehnten die Menge an Fisch in den Ozeanen reduziert hat – und damit auch die absinkende Menge an Fischkot, der für die CO2-Speicherung in den Meeren eine so entscheidende Rolle spielt. Doch was passiert, wenn die Fischbestände überfischt werden? Die Forschenden kommen zu dem Ergebnis, dass die Fischbestände, die befischt werden, demnach vorindustriell für rund zehn Prozent der biologischen Kohlenstoffspeicherung in der Tiefe stehen – und diese hat sich durch den massiven Fischfang bis in die 1990er Jahre hinein fast halbiert. Die biogeochemischen Auswirkungen der Fischerei seien mit denen des anthropogenen Klimawandels vergleichbar. Der Studie zufolge wäre die CO2-Konzentration in der Atmosphäre noch deutlich höher, wenn es diese „biologische Pumpe“ nicht mehr gebe.
Bioökonomie – Weg von einer erdölbasierten hin zu einer auf nachwachsende Rohstoffe basierenden Wirtschaft – dafür steht die Bioökonomie. Pflanzen, Pilze, Insekten und Mikroorganismen stehen im Fokus der Forschung, um den biobasierten Wandel voranzutreiben. Ansätze gibt es viele. Dazu gehören Plastik aus Holz oder Bioabfällen, Ersatzfleisch aus Hülsenfrüchten, Fischfutter aus Insektenlarven, Biodiesel aus Stroh. Aber führt die Bioökonomie wirklich zu mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz? Sind Bioplastik und Fleischersatzprodukte wirklich nachhaltig? Oder muss die Herstellung von Lebensmitteln komplett von der Landnutzung entkoppelt werden? Diesen Fragen geht Max Lebsanft in seinem Film „Die grüne Revolution“ nach, der in der arte-Mediathek derzeit zu sehen ist. Die Dokumentation nimmt den gesamten Wirtschaftskreislauf in den Blick: von der Produktion von Biomasse über ihre Verarbeitung bis zu den fertigen Produkten.