Von Laborfisch und Nachtfaltern
Der kompakte Medienrückblick: Fisch aus dem Bioreaktor +++ EU will Gift in Kunststoffen verbieten +++ Neues Zentrum für biogene Wertschöpfung +++ Warum die Motte nicht aussterben darf?
Biotechnologie – Die Nachfrage nach Fisch steigt, doch die Meere sind überfischt. Um die Ernährung zu sichern und Ökosysteme wie das Meer schützen, wird mit Hochdruck in den Laboren an Alternativen geforscht. So züchtet das Lübecker Start-up Bluu Seafood zellbasierten Fisch im Bioreaktor, wie Thies Schnack im Spiegel berichtet. Im Fokus stehen Fischstäbchen. Ähnlich wie beim zellbasierten Fleisch werden dafür Zellen aus dem Muskelfleisch des Tieres entnommen und in Bioreaktoren vermehrt. Als Nährmedium dient hier jedoch nicht Kälberserum, sondern eine pflanzliche Alternative, die das Start-up entwickelt hat. Die ersten im Labor hergestellten Fischstäbchen sollen 2024 auf den Markt kommen – zunächst nur in speziellen Restaurants. Noch steht das Team um Gründer Sebastian Rakers vor der Herausforderung, große Mengen des in-vitro-Fischfleisches herzustellen.
Chemie – Ob im Turnschuh oder Smartphone: Viele Alltagsgegenstände enthalten Chemikalien, die krebserregend sind und zugleich die Umwelt belasten. Ein Beispiel: Weichmacher. Sie werden eingesetzt, um spröde Kunststoffe griffig, weich und flexibel zu machen und Produkte vor Witterungseinflüssen und Temperaturschwankungen zu schützen. Laut einer Studie des Stockholm Resilience Centers ist die Grenze der chemischen Belastung für die Umwelt längst überschritten. Nun will die Europäische Union die Chemie-Strategie weiter verschärfen, wie Jantje Hannover in SWR2 Wissen berichtet. Die 2020 veröffentliche neue Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit, die Chemical Strategy for Sustainability, kurz CSS, ist eine Weiterentwicklung der vorherigen Verordnung Reach und soll Ende 2023 in Kraft treten. Angestrebt wird ein Systemwechsel. Demnach sollen Chemikalien schon im Design-Prozess beurteilt werden, ob sie sicher und nachhaltig sind. Mit der App „Scan4Chem“ können Verbraucherinnen und Verbraucher mittels Barcode-Scan schon heute checken, ob Produkte wie Parmesanverpackungen oder Zahnpasta gefährliche Chemikalien enthalten oder nicht. Entwickelt wurde die App für das Bundesumweltamt.
Nachhaltigkeit – Wie kann die Wirtschaft in Deutschland nachhaltiger werden? Lösungen will das neu gegründete „Zentrum für biogene Wertschöpfung und Smart Farming" entwickeln, wie Petra Schnirch in der Süddeutschen Zeitung berichtet. Ziel ist, mit Hilfe neuer Technologien Produkte aus nachhaltigen, regionalen Materialien zu entwickeln – sowohl für den Lebensmittel- und Verpackungsbereich aber auch für technische Anwendungen und Konsumgüter. Unter dem Dach des neuen Zentrum arbeiten verschiedene Fraunhofer- Institute zusammen, darunter das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in Freising. Hier arbeiten die Forschenden seit Jahren beispielsweise an umweltfreundlicheren, kreislauffähigen Verpackungen oder pflanzlichen Proteinen, etwa aus Lupinen oder Erbsen, um tierisches Eiweiß in Lebensmitteln ersetzen zu können. Entstanden sind unter anderem Eiscremes, Milch- und Käse-Alternativen, die in den Kühlregalen der Supermärkte bereits zu finden sind. Die neue Initiative, die im Sommer 2022 gestartet ist, ist sehr breit angelegt. Ein wichtiges Thema ist auch die Wiedervernässung von Mooren. Hier wollen die Forschenden klären, inwiefern sich mehr Wertschöpfung für biobasierte Produkte generieren lässt – wie etwa die Nutzung von Schilf als Rohstoff. Lösungen sollen hier jeweils mit den Landwirtinnen und Landwirten in der Region erarbeitet werden.
Biodiversität – Intensive Landwirtschaft, der Verlust von Lebensräumen und der Einsatz von Pestiziden haben das Artensterben dramatisch beschleunigt. Bis zu eine Million Arten sind nach Angaben des Weltbiodiversitätsrates vom Aussterben bedroht, viele davon bereits in den nächsten Jahrzehnten. Eine Spezies, die besonders gefährdet ist, ist die Motte. Ein Bericht in der Zeit verdeutlicht am Beispiel des Nachtfalters, wie alles verbunden ist – und warum der Mensch auch diese Spezies dringend braucht. Grafiken etwa machen sichtbar, dass acht von zehn Motten-Arten vom Aussterben bedroht wären, wenn sich die Erde um vier Grad erwärmt. Bei einer Erderwärmung von nur zwei Grad wären immer noch 40% gefährdet. Schwerwiegende Folgen für die Natur lassen sich demnach schon heute nicht mehr verhindern. Diese Daten belegen: Je weiter sich die Erde aufheizt, desto wahrscheinlicher ist es, dass zahllose Arten verschwinden. Für die Motte geht es gar um ihre Existenz. Für den Biodiversitätsforscher Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung sind Nachtfalter „die Bienen der Nacht", denn sie bestäuben nachts blühende Pflanzen. Wenn diese Bestäuber wegfallen, habe die Pflanze keine Chance mehr, sich fortzupflanzen, warnt der Forscher.