Meeresbakterium auf dem Weg zur Zellfabrik

Meeresbakterium auf dem Weg zur Zellfabrik

Ein Forschungsteam der TU München verwandelt das Bakterium Vibrio natriegens in einen Produzenten von Bernsteinsäure.

Mikroskopische Aufnahme des Bakteriums Vibrio natriegens
Das Meeresbakterium Vibrio natriegens könnte bald ein wichtiger Organismus für die Biotechnologie sein.

Das Meeresbakterium Vibrio natriegens ist schneller als alle anderen: Kein bekannter Organismus, der für den Menschen unschädlich ist, vermehrt sich schneller. Das macht ihn zu einem potenziell hochinteressanten Werkzeug für die Biotechnologie. Ein Forschungsteam der TU München ist dieser Frage nachgegangen und hat die Mikrobe genutzt, um Bernsteinsäure herzustellen. Ihre Forschung wird im Journal „Microbial Biotechnology“ vorgestellt.

Omnipräsent und doch hoch begehrt

Bernsteinsäure zählt zu den zwölf wichtigsten Stoffen, die künftig biobasiert und biotechnologisch statt petrochemisch hergestellt werden könnten. Die chemische Verbindung ist nicht nur für Pharmazie und Kosmetik interessant, sondern auch ein Baustein für biologisch abbaubare Kunststoffe. Sie kommt im namensgebenden Bernstein, aber auch in Braunkohle vor. In Form ihres Salzes allerdings existiert sie in allen lebenden Organismen. Das sogenannte Succinat entsteht, wenn der Zucker Glukose im Stoffwechsel abgebaut wird.

Rasend schneller Produktionsprozess

Genau diesen Umstand haben sich die Forschenden bei Vibrio natriegens zu Nutze gemacht. Zunächst haben sie dessen Stoffwechselprozesse entschlüsselt und dann mit modernen gentechnischen Methoden so optimiert, dass der Mikroorganismus Glukose besonders effizient in Bernsteinsäure umsetzt – und zwar rasant: „Wir haben Plastikröhrchen mit einer Salzlösung gefüllt, in der Vibrio natriegens sich wohlfühlt, Glukose hinzugegeben und das Ganze luftdicht verschlossen“, beschreibt Felix Thoma von der TU München den Versuchsaufbau. „In Abwesenheit von Sauerstoff haben die Bakterien dann den Zucker und das im Medium gelöste CO2 zu Bernsteinsäure umgesetzt. Dieser Vorgang war nach etwa zwei bis drei Stunden abgeschlossen.“

Prozess in nur zwei Jahren etabliert

In einem zweiten Schritt hat das Team den gleichen Prozess in einem Bioreaktor durchgeführt. Dort konnten sie den pH-Wert ausgleichen, der sich sonst durch die entstehende Säure verschiebt und irgendwann den Mikroorganismus hemmt. Außerdem konnten sie kontinuierlich Zucker nachfüttern und den Produktionsprozess so in Gang halten. „Nur zwei Jahre Entwicklungsarbeit mit dem Meeresbakterium haben zu vergleichbaren Leistungsmerkmalen geführt, wie sie andere Systeme nach 15 bis 20 Jahren aufweisen“, resümiert Thoma. Damit sei das Meeresbakterium ein neuer potenter Akteur in der industriellen Biotechnologie.

Abfallströme als Rohstoff nutzen

Bis zum kommerziellen Einsatz sind jedoch noch einige Herausforderungen zu meistern. So wollen die Fachleute die Prozessführung weiter optimieren und vor allem weiterentwickeln: In der Praxis soll sich das Bakterium nicht von wertvollem Zucker ernähren. Stattdessen setzt das Team auf Kohlenhydrate aus nachwachsenden Rohstoffen und Abfällströmen, die nicht mit der Lebensmittelindustrie konkurrieren.

bl