Boston: Marburg und München gewinnen iGEM
Beim diesjährigen Studentenwettbewerb zur Synthetischen Biologie iGEM in Boston erzielte das Marburger Team den Sieg. Das Münchner Team kam auf Platz zwei.
Auch in diesem Jahr haben die deutschen Teams bei dem internationalen iGEM-Wettbewerb zur Synthetischen Biologie hervorragend abgeschnitten: In der Altersklasse der Overgraduates machten die deutschen Teams aus Marburg und München den Sieg unter sich aus. Sieger des Wettbewerbs wurde das Team der Philipps-Universität Marburg mit seinem neuen molekularen Baukasten, der deutlich schnellere Synthesewege ermöglicht. Die Münchner Nachwuchswissenschaftler der Technischen sowie der Ludwig-Maximilians-Universität erzielten mit einer neuen, personalisierten Phagentherapie Platz zwei.
Vom Zusatzkurs zum globalen Wettbewerb
Was 2003 als einfacher Zusatzkurs am Massachusetts Institute of Technology (MIT) begann, bei dem Studenten neue molekularbiologische Techniken entwickeln und ausprobieren konnten, hat sich mittlerweile zu einem international anerkannten Studentenwettbewerb mit mehr als 5.000 Teilnehmern aus über 40 Ländern entwickelt. Das Kürzel iGEM steht dabei für International Genetically Engineered Machine. Die dazugehörige Stiftung ist eine unabhängige, gemeinnützige Organisation, die sich dem Fortschritt auf dem Feld der Synthetischen Biologie verschrieben hat und sich für eine offene und gemeinschaftliche Arbeit einsetzt. Der jährliche internationale iGEM-Wettbewerb ist einer von drei Eckpfeilern der Stiftung. Die Gewinner werden bei dem traditionellen „Giant Jamboree“ im Hynes Convention Center in Boston gekürt, das in diesem Jahr vom 24. bis 28. Oktober stattfand.
Altes Bakterium wird zur neuen Grundlage
Unter der Überschrift „Die synthetische Biologie schneller machen“ stellte das Marburger Team sein Projekt vor. Die Nachwuchsforscher verwendeten das lange in Vergessenheit geratene Bakterium Vibrio natriegens als Ausgangspunkt für drei neuartige Zelllinien: VibriClone ermöglicht das schnelle molekularbiologische klonen von Zellen, während VibriExpress eine gezielte Überexpression von gewünschten Proteinen möglich macht. Mit VibriInteract kann hingegen das Zusammenspiel mehrerer Proteine untersucht werden. Der Vorteil: V. natriegens dupliziert sich verlässlich alle sieben Minuten – das bisherige Standardbakterium E. coli benötigt dafür bis zu drei Tage. Zusammen mit diesen schnellwachsenden Zelllinien stellt das Marburger Team der gesamten Forscher-Community einen molekularen Werkzeugkasten mit über 100 Bauteilen zur Verfügung. Diese sogenannte Marburger Sammlung ermöglicht es, schnell und gezielt Zelllinien zu erstellen, die speziell auf die jeweiligen Forschungsansprüche abgestimmt sind.
Durch die schnelle und relativ einfache Bereitstellung dieser Zelllinien werden Versuchsprotokolle deutlich kürzer. Labore und Wissenschaftler sparen somit Zeit und Geld. Basierend auf diesem Prinzip haben die Marburger außerdem einen synthetischen Stoffwechselweg in ihrem Modellorganismus etabliert, der 3-Hydroxypropansäure produziert – eine wichtige Plattformchemikalie, die bisher erdölbasiert war.
Natürliche Feinde der Bakterien nutzbar machen
Das Projekt der Münchner Nachwuchsforscher zielte auf die zunehmenden Antibiotikaresistenzen vieler Bakterien ab. Jährlich sterben rund 50.000 Menschen weltweit, weil viele Krankheitserreger gegen die gängigen medikamentösen Therapien inzwischen immun sind. Anstelle von Antibiotika will das Münchner Team Bakteriophagen zur Bekämpfung der Erreger einsetzen. Diese auch Phagen genannten Mikroorganismen sind eine Untergruppe der Viren, die gezielt Bakterien angreifen und zerstören können – sie sind demnach die natürlichen Feinde von Bakterien.
Die Münchner haben einen Syntheseweg entwickelt, um gezielt spezifische Phagen herzustellen, genannt Phactory. Ihr Syntheseweg basiert auf einem sogenannten zellfreien Modell, das überall jegliche Art von Phagen herstellen kann, die dann gezielt für eine personalisierte Behandlung eingesetzt werden können.
Da sich viele Krankheitserreger im Darm aufhalten, mussten die Münchner zudem einen Weg finden, ihre speziellen Phagen ebenfalls bis in den Darm zu bringen, ohne dass diese zuvor im Magen verdaut und stillgelegt werden. Ihre Lösung: Sie schützen die Phagen mit einer Schicht Calciumalginat – einem aus Braunalgen gewonnenen Nahrungsmittelzusatz. So passieren die Phagen unbeschadet den Magen und können im Darm ihre volle Funktionalität entfalten.
Biobasiertes Polymer unter den Finalisten
Neben den beiden Gewinnern hat es noch ein weiteres deutsches Team bis unter die Finalisten des iGEM2018-Wettbewerbes geschafft: Nachwuchsforscher der TU Darmstadt. Ähnlich wie die Marburger haben auch sie sich mit nachhaltigen Alternativen zu erdölbasierten Chemikalien beschäftigt. Ihr Ziel: Ein umweltfreundliches Polymer zu entwickeln, das für humanmedizinische Anwendungen geeignet ist. Sie verwendeten dazu PLGA (Poly(lactic-co-glycolic-acid)) und PLGC (Poly(lactide-co-glycolide-co-co-caprolactone)), die aus den nachwachsenden Rohstoffen Glykolsäure, ε-Caprolacton und Milchsäure bestehen und sich nach einem kontrollierbaren Zeitraum zu ungiftigen Verbindungen abbbauen, die keine Gefahr für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit darstellen.
jmr