Die Vorlieben der Enzyme ergründen
Jennifer AndexerBeruf
Biochemikerin
Position
Juniorprofessorin für Pharmazeutische und Medizinische Chemie / Chemische Biologie an der Universität Freiburg
Beruf
Biochemikerin
Position
Juniorprofessorin für Pharmazeutische und Medizinische Chemie / Chemische Biologie an der Universität Freiburg
Jennifer Andexer will, dass Enzyme im Bioreaktor unter optimalen Bedingungen arbeiten können. Dafür nimmt die Freiburger Biochemikerin Coenzyme ins Visier.
Enzyme sind seit Langem die unsichtbaren Stars der Biotechnologie und wichtige Leistungsträger der biobasierten Wirtschaft. Damit die Biokatalysatoren die gewünschte Reaktionen in Gang setzen, müssen im Bioreaktor jedoch optimale Bedingungen herrschen. Biochemikerin Jennifer Andexer ist dabei, Funktionsweisen und Vorlieben von Enzymen zu erkunden, damit die vielseitigen Proteinmoleküle noch effizienter genutzt werden können. Dabei konzentriert sich die Freiburger Forscherin auf Coenzyme, Faktoren welche bestimmen, wie Enzyme funktionieren. Für ihre wegweisende Enzymforschung wurde sie 2016 mit dem Heinz Maier-Leibnitz-Preis geehrt. Im gleichen Jahr konnte sie einen mit 1,5 Mio. Euro dotierten Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) einwerben, um ihre Arbeit fortzusetzen.
Wie kann der Einsatz von Enzymen in der Bioindustrie noch verbessert werden?
Die Wunschvorstellung vieler Anwender aus der Industrie für ein Enzym ist eine Art „magisches Pulver“, das man einfach lagern und unkompliziert in einem bestehenden oder neuen Prozess einsetzen kann. Davon sind die meisten Enzympräparationen momentan meilenweit entfernt. Oft benötigen sie bestimmte Bedingungen, was eine Anpassung oder Neugestaltung von bestehenden Verfahren nötig macht. Um optimale Bedingen zu identifizieren, ist es notwendig, die Funktionsweise und „Vorlieben“ des Enzyms genau zu kennen. Dies erfordert zum einen viel Grundlagenforschung und zum anderen die Entwicklung von Reaktionen an der Grenze zum technischen Maßstab, da sich viele Reaktionen im größeren Maßstab anders verhalten als erwartet. Die Erschließung neuer Enzymklassen für die technische Anwendung erfordert somit einiges an Vorlauf, von der Forschungs- als auch von der Anwendungsseite. Allerdings sind Enzymreaktionen auch nicht das „Allheilmittel“ – es gibt genauso Reaktionen, die besser und effizienter mit synthetisch-chemischen Methoden durchgeführt werden können.
Was wollen sie im Rahmen des ERC-geförderten Projektes erreichen? Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Forschung?
Die Projekte in meiner Arbeitsgruppe sind im Bereich der Grundlagenforschung angesiedelt. Neben der Aufklärung der molekularen Funktionsweise verschiedener Enzyme sind wir vor allem an Cofaktor-Regenerierungsprozessen interessiert. Ein Cofaktor ist zum Beispiel ein kleines Molekül, das nicht direkt zum Enzym gehört, aber notwendig für die Funktionsweise des Enzyms ist. Wird dieser Cofaktor während der Enzymreaktion verändert, muss er anschließend wieder aufgebaut werden. Manche Cofaktoren werden in der Natur über mehrstufige zyklische Prozesse regeneriert. Wir versuchen herauszufinden, ob und wie man solche Stoffwechselwege isoliert im Reagenzglas ablaufen lassen kann.
Welche Enzyme stehen dabei im Fokus und von welchen Cofaktoren sind diese abhängig?
Im Zentrum meines Projekts stehen Enzyme, die von einem Cofaktor names S-Adenosylmethionin (kurz SAM) abhängig sind. Die bekanntesten Vertreter sind SAM-abhängige Methyltransferasen. Diese Enzyme übertragen einen Baustein mit einem einzelnen Kohlenstoff (eine Methylgruppe) vom Cofaktor SAM auf eine große Anzahl von Akzeptormolekülen. Neben kleinen Molekülen sind dies auch DNA, RNA oder Proteine.
Ist die Enzymforschung im Projekt auf bestimmte Anwendungsfelder begrenzt?
Die Enzyme mit denen wir arbeiten, sind durchaus für die technische Anwendung interessant, da zum Beispiel für Methylierungen oft krebserregende Stoffe eingesetzt werden und es häufig schwierig ist, die Selektivität der Reaktion genau zu kontrollieren. Hier sind Enzyme prinzipiell im Vorteil. Darüber hinaus sind Methylierungen auch für viele epigenetische Prozesse relevant. Da Methyltransferasen sowohl Kohlenstoff als auch Heteroatome wie Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel methylieren können, sind sie auch eine Option zur Diversifizierung von Molekülbibliotheken.
Was sind Ihre nächsten Aufgaben?
Ich möchte die in vitro Cofaktor-Regenerierungssysteme, die wir bisher betrachtet haben, weiter optimieren und mit anderen Enzymen testen. Besonders interessant ist dabei die Fragestellung, inwieweit sich unsere Systeme mit ihren natürlichen Pendants vergleichen lassen. Die gewonnenen Erkenntnisse können auf weitere komplexe Cofaktoren und Enzyme, die von ihnen abhängig sind, übertragen werden. Wenn ein System soweit entwickelt ist, dass es für eine technische Anwendung in Frage kommt, wird dies mit Partnern aus der Biotechnologie und Industrie weiterentwickelt werden.
Interview: Beatrix Boldt