Zuckerbasierter Impfstoff gegen Pneumokokken

Zuckerbasierter Impfstoff gegen Pneumokokken

Ein synthetischer Zucker schützt vor Formen der Lungen- und Hirnhautentzündung, bei denen herkömmliche Impfstoffe bisher versagen.

Bei der Erzeugung des Zuckerimpfstoffes entsteht das dargestellte Zwischenprodukt.
Bei der Erzeugung des Zuckerimpfstoffes entsteht das dargestellte Zwischenprodukt.

Jährlich sterben weltweit 1,6 Millionen Menschen an Infektionen mit dem Bakterium Streptococcus pneumoniae – besser bekannt als Pneumokokken –, darunter auch 5000 Deutsche. Zwar gibt es Impfstoffe gegen den Erreger, doch gegen eine besonders wichtige der rund 90 bekannten Varianten, den sogenannten Serotyp 1, sind sie weitgehend wirkungslos. Ein Forscherteam von Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, Freier Universität Berlin und der Charité hat die Ursache dafür entschlüsselt und einen potenziellen Impfstoff entwickelt, der diesen Serotyp effektiv bekämpft. Im Fachjournal „ACS Central Science“ stellen die Wissenschaftler ihre Erkenntnisse vor.

Tarnkappe aus Zuckermolekülen

Pneumokokken umhüllen sich mit einem Mantel aus speziellen Zuckermolekülen, um ihre Oberflächenstruktur so zu tarnen, dass das Immunsystem sie nicht erkennen kann. Diese Hülle ist individuell für jede der rund 90 Serotypen. Impfstoffe gegen Pneumokokken zielen deshalb darauf ab, an Zuckerstrukturen, die möglichst viele Serotypen gemein haben, ein Eiweißmolekül anzuheften, auf das Antikörper reagieren. So verbindet das Immunsystem auch die jeweilige Zuckerstruktur mit einem Fremdkörper. In der Folge funktioniert die Tarnung der Pneumokokken nicht mehr, denn die Zucker in deren Hüllen setzen die Immunabwehr in Gang.

Die Forscher vermuteten, dass ein bestimmter Aminozucker bei der Erkennung von Serotyp 1 eine zentrale Rolle spielt: 2-Acetamido-4-Amino-2,4,6-Trideoxy-d-Galaktose oder kurz AAT. Wenn bei der Impfstoffherstellung das Eiweißmolekül an die aus den Bakterien isolierten Zuckermoleküle bindet, beeinflusst diese Reaktion allerdings die Struktur der Zucker geringfügig. Etablierte Impfstoffe scheinen beim Anheften des Erkennungseiweißes ausgerechnet AAT zu verändern. Das Immunsystem wird dann auf den veränderten Zucker trainiert und erkennt das unveränderte Original in Pneumokokken vom Serotyp 1 nicht – die Immunantwort bleibt aus.

Synthetische Zucker wirken maßgeschneidert

Die Forscher nutzten daher für ihren Impfstoffkandidaten chemisch erzeugte Zucker, bei denen sich die AAT-Moleküle während der Impfstoffherstellung nicht verändern. „Bei der Verarbeitung isolierter Zucker kann es schnell passieren, dass ein wichtiger Baustein wie AAT verändert wird. Synthetische Zucker lassen sich hingegen bis ins Detail planen und entsprechend aufbauen, so dass das nicht passiert“, erläutert Benjamin Schumann, ehemaliger Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung und Erstautor der Studie.

Im Tierversuch bisherigen Impfstoffen überlegen

Im Tierversuch an Kaninchen hat sich der Ansatz bereits am Markt erhältlichen Impfstoffen überlegen gezeigt. Nun wollen die Forscher aus Potsdam und Berlin den Impfstoff so weiterentwickeln, dass sie ihn in klinischen Studien an Menschen testen können. „Der synthetische Zuckerimpfstoff gegen Pneumokokken ist sehr vielversprechend und wird derzeit in Kombination mit zugelassenen Impfstoffen erprobt“, sagt Peter Seeberger, Direktor des Max-Planck-Instituts. Er sei überzeugt, dass diese neue Generation von Zuckerimpfstoffen schon in wenigen Jahren Menschen vor gefährlichen Erregern schützen werde.

bl