„Unsere Biocompounds können Kunststoffe ersetzen“

„Unsere Biocompounds können Kunststoffe ersetzen“

Rita Shaqlawi

Beruf:
Materialwissenschaftlerin

Position:
Projektingenieurin Forschung, Entwicklung und Nachhaltigkeit bei der Golden Compound GmbH in Holdorf

Rita Shaqlawi
Vorname
Rita
Nachname
Shaqlawi

Beruf:
Materialwissenschaftlerin

Position:
Projektingenieurin Forschung, Entwicklung und Nachhaltigkeit bei der Golden Compound GmbH in Holdorf

Rita Shaqlawi

Das Unternehmen Golden Compound nutzt die Schalen von Sonnenblumenkernen als Rohstoff für biobasierte Kunststoffe.

Ein Reststoff wird zum Rohstoff: Bei Sonnenblumen denkt man zuerst an die Kerne, die in der Lebensmittelindustrie vielfältig genutzt werden. Die Schalen dieser Kerne fanden bislang jedoch kaum Beachtung und wurden entsorgt. Bei Golden Compound hingegen dreht sich seit zehn Jahren alles um diese Schalen. Das niedersächsische Unternehmen hat die Potenziale der Sonnenblumenkernschalen erkannt und nutzt diese, um biologisch abbaubaren Biopolymere herzustellen. Erste Produkte wie Pflanztöpfe und Kaffeekapseln sind bereits auf dem Markt.

Frage

Wie entstand die Idee, die Schalen der Sonnenblumenkerne als Rohstoff für die Biokunststoffproduktion nutzbar zu machen?

Antwort

Golden Compound hat seinen Ursprung in der Brotproduktion, wo täglich Sonnenblumenkerne verarbeitet werden. Dabei fallen Kernschalen an, die bisher als Restmüll bewertet wurden. Um Kosten einzusparen und den Reststoff clever zu nutzen, wurden die Schalen gemahlen und in ersten Versuchen mit herkömmlichen Kunststoffen compoundiert. Das funktionierte so gut, dass daraus eine weltweit patentierte Geschäftsidee entstand.

Frage

Welches Potenzial steckt in dem pflanzenbasierten Rohstoff für die Bioökonomie und insbesondere für die Kunststoffproduktion?

Antwort

Die Nutzung der Sonnenblumenkernschalen bringt ausgezeichnete Nachhaltigkeitsmerkmale mit sich. Allen voran gibt es keine Probleme mit dem Thema Landnutzung, denn niemand würde ein Feld nur wegen der Schalen anbauen. Sie sind ein Reststoff, von dem es jährlich über 6 Millionen Tonnen weltweit gibt. Gleichzeitig haben die Schalen einen geringen CO₂-Äquivalenzfaktor und können die Ökobilanz von (Bio)Kunststoffen senken.

Frage

Welche technologischen Voraussetzungen sind notwendig, um das Biopolymer industriell zu verarbeiten? Müssen dafür herkömmliche industrielle Verfahren wie beispielsweise der Spritzguss angepasst werden?

Antwort

Unsere Biocompounds sind so konzipiert, dass sie auf bestehenden industriellen Anlagen wie Spritzguss- oder Extrusionsmaschinen verarbeitet werden können ohne kostenintensive Umrüstung. Entscheidend ist eine prozessspezifische Feinjustierung der Parameter, wie der Temperaturführung und der Zykluszeiten. Wir bieten unseren Kunden und Kundinnen gezielte Unterstützung bei der Prozessoptimierung. Ziel ist es, den Einstieg in nachhaltige Materialien so reibungslos und wirtschaftlich wie möglich zu gestalten.

Frage

Kann der Biokunststoff mit den technischen Eigenschaften herkömmlicher Kunststoffe mithalten? Für welche Anwendungen ist er geeignet?

Antwort

Die Compounds wurden vor allem für den allgemeinen Spritzguss entwickelt und können ein Polypropylen 1:1 austauschen. Durch die Restölanteile in den Schalen bringt das Material gleitende Eigenschaften mit, wodurch kürzere Zykluszeiten möglich sind. Hinzu kommt, dass die Schalen ein natürliches Quellverhalten haben und so gerade in dickeren Bauteilen hervorragend funktionieren.

Unsere biologisch abbaubaren Compounds der GC green-Linie sind vor allem dort sinnvoll, wo Kunststoffteile unkontrolliert in die Umwelt gelangen. Dies ist zum Beispiel in der Forstwirtschaft der Fall. Auch im Bereich Verpackungen und Pflanztöpfe ist das Material eine ausgezeichnete Alternative. Aber wir haben auch eine Produktlinie, die auf konventionellen Kunststoffen basiert. Das GC pro besteht aus Polypropylen und Sonnenblumenkernschalen und hat dadurch eine bedeutend bessere CO₂-Bilanz. Dieses Material eignet sich vor allem für langlebige Produkte, wie Möbel oder Transportkisten, aber auch technische Teile können damit realisiert werden.

Frage

Was ist als Nächstes geplant? Wo sieht sich Golden Compound in zehn Jahren?

Antwort

Wir arbeiten derzeit an der nächsten Generation unserer Biocompounds mit noch besserer Leistung und höheren Anteilen nachwachsender Rohstoffe. Gleichzeitig erweitern wir unser Portfolio in Richtung funktionaler Anwendungen, etwa im Bereich Homecare. In zehn Jahren möchten wir einer der führenden Anbieter für skalierbare, umweltfreundliche Biocompounds in Europa sein. Unser Anspruch ist es, technologische Innovation mit Nachhaltigkeit zu verbinden und aktiv zur Transformation der Kunststoffindustrie hin zu echter Kreislaufwirtschaft mit marktreifen Lösungen beizutragen.

Interview: Beatrix Boldt